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Steirisches Jahrbuch für Politik 2004 - Steirische Volkspartei

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– Auf der einen Seite findet sich das in Kontinentaleuropa traditionelle kollektive Staats-<br />

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vertrauen („politische Kultur des Etatismus“), auf der anderen Seite seit ca. 20 Jahren<br />

das individuelle Marktvertrauen als Problemlösungsidee.<br />

Die Grundformen des menschlichen Lebens werden immer weniger selbstverständ-<br />

lich und immer kontroverser: die dauerhafte und geglückte Verbindung von Mann und<br />

Frau (Ehe als Ort der Mitmenschlichkeit und der erfüllten Persönlichkeit), Religion als ber-<br />

gender Horizont, die Freude an Kindern, ihre Pflege und Erziehung in familiärer Stabilität,<br />

der menschliche Umgang mit Alten, Kranken und Behinderten. Geschlechter- und Genera-<br />

tionenprobleme nahmen in den letzten Jahren zu. Der Geburtenrückgang wird die Alters-<br />

struktur mit noch nicht abschätzbaren sozialen, politischen und psychischen Folgen ver-<br />

ändern. Lebensanfang und Lebensende geraten in Grauzonen ethischer Unsicherheit<br />

(Genmanipulation, Klonen, Abtreibung, Sterbehilfe, Euthanasie).<br />

Unter der Oberfläche so vielfältiger Veränderung gibt es eine Tiefenschicht, die als<br />

Grundzug der Zeit idealtypisch herausgehoben werden kann. Diese Transformationen<br />

beziehen sich auf <strong>Politik</strong>, Religion, Arbeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst und haben<br />

zur Folge, dass immer mehr von der positivrechtlichen Regelung des Alltags erwartet wird,<br />

wodurch ein gemeineuropäischer Normenschub erfolgt ist. In der Regel ist der Wertewan-<br />

del nicht eindimensional, geradlinig und widerspruchsfrei verlaufen.<br />

Es sind dennoch vor allem vier Haupttrends in diesem so häufig wechselnden Wer-<br />

tekaleidoskop festzustellen, die insgesamt auch als Generatoren neuer Normen wirken:<br />

– Säkularisierung: Die Motivationskraft religiöser, zumal kirchlich gebundener Werte und<br />

Normen nimmt ab, messbar an der Konfessionsstatistik, aber auch am Rückgang der<br />

im Außenbezug erkennbaren religiösen Aktivitäten. Dieser religiösen Säkularisierung im<br />

ursprünglichen Sinn entspricht auch eine politische Säkularisierung dergestalt, dass<br />

der Glaube an die politischen Parteien als Gemeinwohlgaranten selbst in den alten<br />

Kernschichten der Stammwähler, ja sogar bei den Funktionären der Parteien selbst im<br />

Verblassen ist. Empirisch lassen sich diese Demotivierungsprozesse in schwindender<br />

Organisationsdichte, Wahlenthaltung, ungültiger Stimmabgabe oder später Wahlent-<br />

scheidung („late decision“, „last minute decision“) und der wachsenden Zahl der Wech-<br />

selwähler ablesen. Die Nichtwähler werden zur eigentlichen Großpartei<br />

– Individualisierung als Grundzug der Zeit hängt durchaus mit den anderen Elementen<br />

zusammen. Immer mehr Lebensbezüge werden aus traditionellen Zusammenhängen<br />

„entbunden“ und nach höchstpersönlichen Entwürfen gestaltet. Immer mehr Men-<br />

schen wenden sich von den alten Großinstitutionen ab. „Alles kann anders gedacht<br />

werden, als es ist. Jede Wirklichkeit muß sich im Horizont von Möglichkeiten behaup-<br />

ten, die ihr Daseinsrecht bestreiten.“ 4<br />

– Pluralisierung: Viele individuelle Positionen vermehren notwendig das Spektrum<br />

gesellschaftlicher Optionen und Gruppen. Dies ist in den westlichen Demokratien seit

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