Nr. 40/41 - Netzwerk Recherche
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Jahreskonferenz 2008 von <strong>Netzwerk</strong> <strong>Recherche</strong> – READER für Freitag, 13. Juni 2008<br />
bezahlte Freie. Aber: Es gibt viele junge, gute Lokaljournalisten. Man muss sie nur halten, fördern und<br />
angemessen zahlen. Und immer wieder motivieren.<br />
4) Findet <strong>Recherche</strong> im Lokaljournalismus ausreichend statt?<br />
Nein. Es gibt einen sehr hohen Anteil von Geschichten aus nur ein, zwei Quellen. Typisches Beispiel<br />
ist die reine Berichterstattung von z. B: einer Altenheimeröffnung, wo in Reden von Politikern und<br />
Angestellten Fakten genannt werden – diese aber für die Zeitung kaum nachgeprüft oder erweitert<br />
werden. Die ideale Geschichte: „Wie geht es in dem Altenheim nach einem halben Jahr zu“ wird dann<br />
selten gemacht – stattdessen ist eine andere Eröffnung der Aufmacher. Problematisch ist auf jeden<br />
Fall auch die Berichterstattung, die mehr oder weniger parallel zu geschalteten Anzeigen für Feste,<br />
verkaufsoffene Sonntage, Verlosungen, Wettbewerbe oder Jahrestagen erfolgt.<br />
Bei Gemeinderats- und Stadtratssitzungen wird, falls überhaupt ein Redakteur dafür abgestellt wird,<br />
nur selten nachrecherchiert, auch wegen des Aktualitätsdrucks. Der Leser ist dann mit den<br />
widerstreitenden Meinungen der Kommunalpolitiker oft alleingelassen.<br />
Bei Verlautbarungen und politischen Entscheidungen, die die Region eher passiv „treffen“ – werden<br />
oft zwar lokale Stimmen wie Bürgermeister oder Anwohner gehört, aber nur selten der Hintergrund der<br />
Entscheidung nachrecherchiert und erklärt. (Stichwort EU!)<br />
Anders ist es bei handfesten Skandalen, falls sie denn an die Öffentlichkeit gelangt sind: Dann, denke<br />
ich, funktioniert der Lokaljournalismus immer noch recht gut, recherchiert und setzt Steinchen an<br />
Steinchen. Fraglich ist eher, wie es in dieser Anfangsphase des Skandals zugeht, ob hier nicht<br />
Trägheit, Großzügigkeit oder Ängstlichkeit schon den allerersten Artikel verhindern. In dieser<br />
entscheidenden Phase sind die Chefs gefragt. Hinter jedem investigativen Journalisten steht ein<br />
starker Chef. Und der wiederum braucht einen starken Verleger.<br />
5) Welche Rollen spielen Kritik und Kontrolle der wirtschaftlichen und politischen Eliten im<br />
Lokaljournalismus?<br />
Im Bewusstsein der Redakteure spielt diese Kritik und Kontrolle eine große Rolle. Dennoch schlägt<br />
sich diese Kritik in der Praxis der Berichterstattung eher wenig nieder. Zum einen, weil tatsächlich<br />
nicht ständig etwas Kritikwürdiges passiert – also die Kontrolle bereits funktioniert! - zum anderen<br />
weil sich der typische Lokalredakteur weder zur allgemeinen Systemkritik berufen fühlt, noch zum<br />
Lokalpolitiker. Zudem wird der Lokaljournalist sicherlich eher vermeiden, der eigenen Region<br />
wirtschaftlich zu schaden. Betrug, Ausbeutung und Umweltzerstörung von Einzelnen und<br />
Unternehmen wird aber im Normalfall immer thematisiert werden – dafür sind diese Geschichten viel<br />
zu gut. Was ein Landtagsabgeordneter tut, wird der Lokaljournalist nur selten überprüfen – er trifft ihn<br />
hauptsächlich bei „netten“ Terminen mit Sekt, Häppchen und Foto. Hier wäre ein besseres<br />
Zusammenspiel von Lokal- und Regionalredaktion bzw. Landesredaktion gefragt – sonst fällt die<br />
Kontrolle zwischen den Zuständigkeiten durch. Von Ausnahmen abgesehen hat die einseitige<br />
Berichterstattung, was Parteien oder Konkurrenten angeht, im Lokaljournalismus insgesamt<br />
abgenommen.<br />
6) Wo liegen die Chancen für einen Lokaljournalismus der Zukunft?<br />
Nicht zu nah beim Bürgermeister, ziemlich nah am Leser und ganz nah an der Wahrheit.<br />
Lesermeinung mobilisieren, integrieren, diskutieren, Forum sein, Internet und Handy nutzen, auch für<br />
lokale Sportereignisse, Termine und Unfälle. Die Leute zum Lachen bringen. Und gute Geschichten -<br />
Qualität, die nun mal von Qual kommt.<br />
7) Was tun Sie persönlich, um den Lokaljournalismus zukunftsfähig zu machen?<br />
Ich arbeite jetzt in der Politikredaktion – und stehe meinen Kollegen im Lokalen hin und wieder mit<br />
Lob, Kritik und Ideen aufmunternd zu Seite.<br />
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