Nr. 40/41 - Netzwerk Recherche
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Die Unabhängigkeit des Journalismus von Ökonomie,<br />
Public Relations der großen Interessengruppen und<br />
den Standpunkten der eigenen Unternehmen ist nach<br />
wie vor ein kardinales Problem des Metiers. Ombudsleute<br />
und „zweite Meinungen“ werden gerne gefordert,<br />
sind im deutschen Journalismus aber nach wie<br />
vor kaum zu finden. Verflechtungen von Medienunternehmen<br />
und Journalisten mit der politischen und<br />
wirtschaftlichen Elite sind seit jeher ein heikles Thema<br />
- ein Verleger oder Chefredakteur oder Intendant<br />
kann sich nicht eremitär von der ökonomischen Klasse<br />
oder Schicht abkoppeln, der er objektiv angehört.<br />
„Wohlstandsjournalismus“<br />
Journalisten brauchen den Austausch mit den führenden<br />
Angehörigen anderer Berufe. Wenn aber beim<br />
Publikum der Eindruck entsteht - und dieser ist durch<br />
die politischen Fernseh-Talkshows, die Medien- und<br />
Politikparties in Berlin eher gefördert worden - die<br />
publizistischen Medien verfolgten mit den Machtgruppen<br />
aus Politik die Ziele einer gemeinsamen Gewinngemeinschaft<br />
- ich habe das „Wohlstandsjournalismus“<br />
genannt - dann werden Zeitungen, Magazine<br />
und Fernsehreportagen zu Recht mit dem Grundvorhalt<br />
des Misstrauens abgestraft. Ich halte es nicht<br />
für klug, wenn sich Medienhäuser an Kampagnen wie<br />
„Du bist Deutschland“ beteiligen, so nobel die Intentionen<br />
auch sein mögen.<br />
Angesichts der Übernahme von Zeitungsgruppen<br />
durch Finanzinvestoren und den Trend zu größeren<br />
integrierten Medienkonzernen hat Jürgen Habermas<br />
genau vor einem Jahr, zur Rettung der „diskursiven<br />
Vitalität“ der Gesellschaft, den Staat dazu ermuntert,<br />
das öffentliche Gut der Qualitätspresse „im Einzelfall<br />
zu schützen“. Der Gedanke einer Subventionierung<br />
von Zeitungen und Zeitschriften, so schrieb er in der<br />
„Süddeutschen“, als diese gerade vor dem Verkauf<br />
stand, sei sicher „gewöhnungsbedürftig“, zumal erst<br />
der Markt die Bühne gebildet habe, auf der „sich<br />
subversive Gedanken von staatlicher Unterdrückung<br />
emanzipieren“ konnten. Dennoch müsse absehbarem<br />
„Marktversagen“ etwas entgegengesetzt werden.<br />
Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, neben einem sehr<br />
kräftigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem auch<br />
noch Versuche mit öffentlich-rechtlicher Presse zu<br />
starten. Dafür herrscht in Deutschland in vielen Teilen<br />
der politischen Klasse immer noch eine strukturkonservative<br />
Staatsgläubigkeit vor, die immer wieder in<br />
lähmenden Bürokratismus ausartet.<br />
„The survivors among the big newspapers will not be<br />
without support form the nonprofit sector“, schreibt<br />
Eric Alterman im „New Yorker“ und verweist auf die<br />
DOKUMENTATION<br />
21.5.2008 <strong>Nr</strong>. <strong>40</strong>/<strong>41</strong> � epd medien 31<br />
Initiative „Pro Publica“ des Ex-“Wall-Street-Journal“-<br />
Journalisten Paul Steiger, der mit zehn Millionen<br />
Dollar Stiftungsgeld der Milliardäre Herb und Marion<br />
Sandler hochrangigen <strong>Recherche</strong>journalismus fördern<br />
will. Stiftungsmodelle für Medienunternehmen könnten<br />
auch in Deutschland stärker konzipiert und gefördert<br />
werden. Denkbar wäre auch ein großer nationaler<br />
journalistischer Wettbewerb, der staatsfern organisiert,<br />
über löbliche Preisverleihungen wie diese hinaus,<br />
mit einer hohen Dotierung ähnlich dem deutschen<br />
Filmpreis ausgestattet werden könnte, wobei<br />
die Gewinnsumme wieder <strong>Recherche</strong>n und Reportagen<br />
zugute kommen soll.<br />
Zurück zum Journalismus, das wird also heißen, zurück<br />
zu Namen und Institutionen, die über die Mediengenerationen<br />
hinweg auf die Gesellschaft Einfluss<br />
nehmen können und wollen. Dazu brauchen wir weniger<br />
„Content Manager“, umso mehr leitendes Personal<br />
in den Medienhäusern, für die journalistische Arbeit<br />
nicht lästiger Kostenfaktor ist, sondern Garant einer<br />
publizistischen Haltung, eine kenntliche Instanz intelligenter<br />
Fragen einer Gesellschaft an sich selbst. Und<br />
vor allem Journalisten, die sich nicht defensiv im<br />
technologischen und ökonomischen Nebel verstecken,<br />
sondern weiter selbstbewusst an der Grammatik und<br />
Poetik ihres Berufes arbeiten, mit welchen Medien<br />
auch immer. �<br />
� NOTIERT<br />
� „Erkennbar wurde erneut, wie tief gespalten Amerika<br />
derzeit ist, wobei die Jüngeren den etablierten,<br />
kommerziellen Medien mit grosser Skepsis begegnen.<br />
Es gibt eine grosse Sehnsucht, sich in virtuellen Gemeinschaften,<br />
aber auch im öffentlichen Interesse zu<br />
engagieren – wobei allerdings merkwürdig vage blieb,<br />
worin dieses immer wieder beschworene öffentliche<br />
Interesse eigentlich besteht. Die meisten Teilnehmer<br />
reklamierten den ,Dienst an der Demokratie' umstands-<br />
und gedankenlos fürs jeweils eigene Projekt,<br />
das sie schon deshalb für gemeinnützig halten, weil<br />
sich kein Geld damit verdienen lässt.“ - Stephan Russ-<br />
Mohl in der „Neuen Zürcher Zeitung“.