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Nr. 40/41 - Netzwerk Recherche

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Jahreskonferenz 2008 von <strong>Netzwerk</strong> <strong>Recherche</strong> – READER für Freitag, 13. Juni 2008<br />

Ich halte es für nicht legitim, alle Sportler öffentlich unter Generalverdacht zu stellen. Journalisten<br />

unterliegen in ihrer Arbeit deutschem Recht und sollten sich nach dem Pressekodex richten. Demnach<br />

gibt es bei der Verdachtsberichterstattung Regeln, insbesondere die des Mehrquellen-Prinzips. Bei<br />

der investigativen <strong>Recherche</strong> hilft sicher die Hypothese des Generalverdachts - aber sie muss in der<br />

redaktionellen Kontrolle auch immer hinterfragt werden. In manchen Berichten der letzten Jahre, so<br />

scheint mir, schwingen sich Journalisten gern zu Scharfrichtern auf.<br />

3) Wo ist die Grenze zwischen gesundem Misstrauen und einem Mindestmaß an Vertrauen?<br />

Schwer zu sagen, aber die Taten der Athleten sind der Maßstab für Vertrauen, also: Lassen sie sich<br />

kontrollieren? Machen sie ihre Daten öffentlich? Haben sie auffällige Werte oder überraschende<br />

Leistungen? Entscheidend dabei dürfte die professionelle Distanz sein. Duzfreundschaften und traute<br />

Bierseligkeit zwischen Journalisten und Sportlern/Funktionären sollten ein Ende haben.<br />

4) Inwieweit gehört es beispielsweise zu den <strong>Recherche</strong>routinen, bei Siegen und Rekorden zunächst<br />

zu überprüfen, ob eine Leistung ohne unerlaubte Hilfsmittel realistisch war (etwa nach Erkrankungen<br />

von Sportlern)?<br />

Tatsächlich lassen sich Ungereimtheiten nicht unmittelbar nach Zieleinlauf prüfen, es sei denn die<br />

vorliegenden Daten weisen bereits darauf hin, z.B. übermäßige Steigerung der persönlichen<br />

Bestleistung. Dann erwähnt der Kommentator die. Darüber hinaus sammeln wir kontinuierlich<br />

auffällige Daten und vergeben <strong>Recherche</strong>aufträge zur gezielten Überprüfung. Dabei gibt es zwei<br />

Probleme: Zu wenig Manpower angesichts zahlreicher Fälle und schwierige Nachweisbarkeit von<br />

Dopingpraktiken.<br />

5) Welchen Einfluss haben Sportjournalisten auf Moral und Selbstkritik innerhalb des Sports selbst?<br />

Sportjournalisten sollten ihren Einfluss nicht unterschätzen. Die professionelle Distanz, die kritische<br />

Wortwahl, aber auch faire Berichterstattung hinterlassen Eindruck bei vielen Sportlern. Weniger<br />

Jubelarien, mehr Sachlichkeit und offene Diskussionen mit Sportler sind prima. Aber das System<br />

"Doping" können sie allein nicht durchbrechen.<br />

6) Inwieweit unterscheidet sich die <strong>Recherche</strong> im Sportjournalismus von anderen Ressorts? Welche<br />

Erfahrungen und Standards sind jeweils übertragbar, welche nicht?<br />

Angesichts der zahlreichen Sportveranstaltungen reichen die Ressourcen der Sportredaktion für<br />

investigativen Journalismus kaum aus. Ähnliches gilt aber auch für die tagesaktuelle Berichterstattung<br />

in anderen Bereichen (Wirtschaft, Politik). Dort werden in erster Linie Fakten und Daten recherchiert<br />

und verständlich dargestellt. Aber wir haben unsere Möglichkeiten verbessert, auch mehr<br />

Hintergründe zu liefern.<br />

In keinem der genannten Bereiche erleichtern kritische Berichte den Zugang zu Sportlern,<br />

Funktionären, Politikern und Beamten. Umso mehr brauchen wir investigative Magazine wie<br />

Frontal21, Taskforces und ähnliches.<br />

Antworten von Jens Weinreich, freier Journalist, „sportnetzwerk“<br />

1) Wie hat sich die journalistische <strong>Recherche</strong> im Sportjournalismus durch die Dopingskandale<br />

verändert?<br />

Wenn die Frage implizieren sollte, dass die "Dopingskandale" für eine neue Qualität im Journalismus<br />

gesorgt hätten, muss ich das vehement verneinen. Es ist nur so, dass sämtliche Vertuscher - vor<br />

allem die in den Medien - irgendwann keine Ausreden und Lügen mehr parat hatten. Die<br />

<strong>Recherche</strong>bedingungen für Journalismus aber haben sich nicht grundlegend gewandelt. Sie sind im<br />

Summa gleich schlecht geblieben. Punktuelle Verbesserungen gab es ausgerechnet bei den<br />

öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten, die jahrelang in skandalöser Weise über den Einsatz von<br />

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