Nr. 40/41 - Netzwerk Recherche
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Jahreskonferenz 2008 von <strong>Netzwerk</strong> <strong>Recherche</strong> – READER für Samstag, 14. Juni 2008<br />
mit Sitz in Tel Aviv und Ramallah. Rückkehr nach Oldenburg im Oktober 2005. Schreibt für die taz<br />
über Nordwestdeutschland und für andere Zeitungen und Zeitschriften auch über den Rest der Welt.<br />
Benno Stieber, Jahrgang 1972, freier Korrespondent der Financial Times Deutschland in Karlsruhe,<br />
und regelmäßiger Autor bei Merian. Er besuchte die Deutsche Journalistenschule und studierte Politik,<br />
Geschichte und Kommunikationswissenschaft in München. Nach Stationen bei der Badischen Zeitung<br />
und der Woche war er zwei Jahre Politik-Redakteur bei der<br />
Zeitschrift Max.<br />
Moderator: Gottlob Schober, SWR, Report Mainz<br />
Leitfragen- und Antworten:<br />
Gabriele Bärtels, freie Autorin:<br />
1.) Macht Schreiben arm?<br />
Mich macht es jedenfalls arm, in meinem persönlichen Umkreis kenne ich viele arme Schreiber, und<br />
auf meinen ZEIT-Artikel erhielt ich mehrere Hundert Mails, von denen etwa die Hälfte mir dankte, weil<br />
ich sie mit meinem Text von ihren eigenen Sorgen, totale Versager zu sein, entlastete. Für alle<br />
anderen mögen die Einkommens-Statistiken sprechen.<br />
2.) Mit welchen Problemen haben freie Journalisten zu kämpfen?<br />
Null Kommunikation mit Redaktionen. Von den allermeisten kaum je mehr gehört als kurze Mail-<br />
Zeilen, selten überhaupt ein längeres Telefongespräch. Nicht im Ansatz zu festangestellten<br />
Journalisten vergleichbare finanzielle/zeitliche Bedingungen für das Schreiben einer Reportage.<br />
Keinen Zugang zum Flurfunk, nie eine Ahnung, was eine Redaktion plant, konzipiert. Kein Wir-Gefühl,<br />
nicht mal eine Weihnachtskarte. Keinerlei Rechte auf Antwort/gesetzliche Honorarzahlungsfristen.<br />
Qualitativ werden sie über einen Kamm geschert. Es bekommt nicht der bessere mehr Geld, sondern<br />
alle die gleichen Zeilen-/Seitenpreise. Autorenpflege ist ein Fremdwort. Bei gewissen Redakteuren<br />
gewisser bedeutender Printmedien kommt auch noch Arroganz hinzu. Man hört solche Sachen wie:<br />
„Im Prinzip müssten wir gar nichts zahlen, die Leute würden auch so für uns arbeiten, nur um einmal<br />
in unserem Blatt zu stehen.“<br />
3.) Freie verdienen im Schnitt weniger Geld als festangestellte Journalisten. Woran liegt das? Was<br />
machen die Freien falsch?<br />
Sie machen nichts falsch, außer eben nicht festangestellt zu sein. Sie können die Honorare nur<br />
fressen, die ihnen vorgeworfen werden. Der Fehler ist, dass sie sich nicht organisieren und streiken.<br />
4.) Wie hat sich die Situation freier Journalisten in den vergangenen Jahren verändert? Welche Rolle<br />
spielen die Verlage dabei?<br />
Da ich erst seit 10 Jahren als Freie arbeite und ja im Wesentlichen Autodidakt bin, kann ich nur<br />
vermuten, dass die Lage früher anders war, höre dies auch von anderen. Honorare waren besser, das<br />
Redaktions-Freie-Miteinander war intensiver, vielleicht auch, weil Redakteure (meiner Einschätzung<br />
nach) heute immer mehr zu Verwaltern werden, während die Freien die Schreiber sind, und sich somit<br />
das Gemeinsame hin zum Trennenden entwickelt hat. Verlage erlauben sich, Texte x-fach zu<br />
verwerten, ohne dafür auch x-fach zu zahlen. Mein Eindruck ist: Der Freie von früher war eine ganz<br />
andere Gestalt (gilt auch fŸr Rechtsanwälte, Architekten etc.). Jetzt ist er im Wesentlichen vogelfrei,<br />
fast wie ein Sklave. Der Freiberufler von heute ist eine stark benachteiligte, von niemandem vertretene<br />
Kaste, die es in dieser Form früher kaum gegeben hat. Er ist kein „echter“ Freier mehr, der also frei<br />
entscheiden kann, der auch mal was ablehnt/zurückweist. Sein eigentlich kritischer Geist ist im<br />
Umgang mit Redaktionen nicht gefragt, das stört bloß und hält auf.<br />
5.) Gewerkschaften wird vorgeworfen, sie würden sich zu wenig für die Interessen der freien<br />
Journalisten einsetzen. Stimmt das?<br />
Ja, das stimmt. Es gibt immer nur nette <strong>Netzwerk</strong>-Kreise, in denen dann aber auch wieder nur Freie<br />
auf andere Freie treffen. Dort werden sie dann im „Umgang mit Redakteuren“ geschult, worüber ich<br />
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