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26 epd medien � <strong>Nr</strong>. <strong>40</strong>/<strong>41</strong> · 21.5.2008 DOKUMENTATION<br />

zent sowie einen Verlust an Anzeigeneinnahmen von<br />

10,6 Prozent. Allerdings konnte die Gruppe eine leichte<br />

Auflagensteigerung von 1,9 Prozent melden, obwohl<br />

die Preise für die „New York Times“ und den<br />

„Boston Globe“ erhöht worden waren.<br />

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte vor zwanzig Jahren<br />

eine verkaufte Auflage von 369.000 Exemplaren,<br />

heute sind es 450.000, eine Rekordmarke. Die „Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung“ verkauft mit ihrer neuen<br />

Sonntagszeitung 322.000 Exemplare zusätzlich. Es<br />

gibt also keine Anzeichen dafür, dass der „Qualitätsjournalismus“,<br />

wie er gerne genannt wird, von den<br />

Bürgern weniger nachgefragt wird. Und die deutschen<br />

Prestigeblätter sind, im Ganzen gesehen, seit den<br />

1990er Jahren einladender, lesbarer und liberaler<br />

geworden. Vielmehr erleben wir seit rund zehn Jahren,<br />

dass Texte, Töne und Bilder über einen neuen Vertriebsweg,<br />

das Internet, schlicht schneller, preisgünstiger<br />

und, zumindest für jüngere Leute, auch attraktiver<br />

an den Mann und an die Frau gebracht werden<br />

können.<br />

Alan Rusbridger, der Chefredakteur des britischen<br />

„Guardian“, sagte es in einem Interview mit der „Süddeutschen“<br />

im März dieses Jahres, ganz unverblümt:<br />

„Ich glaube, dass das Papier verschwinden und durch<br />

moderne Formen der Übertragung abgelöst wird: den<br />

iPod der Zeitungsindustrie. Diese Lösung ist zwingend,<br />

denn die Kosten für Herstellung und die Verbreitung<br />

von Zeitungen auf Papier werden schlicht nicht mehr<br />

zu bezahlen sein.“ WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach<br />

erzählt dagegen gern seine Analogie von der<br />

Papierzeitung und den analogen Schweizer Uhren,<br />

von denen man geraume Zeit annahm, dass sie durch<br />

billigere Quarzuhren abgelöst würden. Nun, das wäre<br />

ein spannendes Experiment: Wie viele Leute wären<br />

bereit, für die Jaeger-Le Coultres und IWCs der Presse,<br />

etwa für FAZ und SZ, im Abonnement 1500 bis 3000<br />

Euro pro Jahr auszugeben? So viel kostet eine mittelteure<br />

Schweizer Luxusuhr.<br />

„News and Newsmen“<br />

Ich denke, dass man in den Diskussionen um die Zukunft<br />

des Journalismus, der gedruckten Presse und die<br />

Wirkungen des „digital lifestyle“ stärker auf die<br />

Schärfung der Begriffe und die Konventionen kommunikationstechnischer<br />

Umbrüche achten muss.<br />

Häufig haben wir es mit Kulturkämpfen zwischen den<br />

jeweils meinungsführenden und etablierten publizistischen<br />

Institutionen und denjenigen zu tun, die sich<br />

mit den Möglichkeiten neuer Medienformen dann<br />

auch neue Märkte und veränderte Formen des politisch-publizistischen<br />

Einflusses zu erobern trachten.<br />

Die gedruckte Journalistik der französischen Revolution,<br />

mit ihrer Gerüchtefabrikation und scharfmachenden<br />

Pamphleten, ist in diesem Sinne mit der gegenwärtigen<br />

Meinungsproduktion im Internet zu vergleichen<br />

- wobei die Bekenntnisprosa im Netz bislang<br />

unblutigere Folgen hat. Das Gefühl, es gebe zu viel<br />

Gewusel und Geplapper und zu wenig wertvolle Informationen,<br />

hat Tradition. Der Lexikograf, Kritiker<br />

und Schriftsteller Samuel Johnson schrieb 1758 über<br />

„News and Newsmen“:<br />

„The compilation of news-papers is often committed<br />

to narrow and mercenary minds, nor qualified for the<br />

task of delighting or instructing; who are content to<br />

fill their paper, which whatever matter, without industry<br />

to gather, or discernment to select. Thus journals<br />

are daily multiplied without increase of knowledge.<br />

The tale of the morning paper is told again in the<br />

evening, and the narratives of the evening are bought<br />

again in the morning. These repetitions, indeed, waste<br />

time, but they do not shorten it... The writers of news,<br />

if they could be confederated, might give more pleasure<br />

to the public.“<br />

„Verschärfte Medienkonkurrenz“<br />

Als gelernter Zeitungsjournalist hänge ich sehr an der<br />

gedruckten Presse und gehöre auch zu denen, die nur<br />

ungern am Strand mit einem Laptop oder sonstigen<br />

elektronischen Werkzeugen herumhantieren. Als<br />

Kommunikationsforscher allerdings halte ich es für<br />

unwahrscheinlich, dass die Zukunft des professionellen<br />

Journalismus von der auf Papier gedruckten Zeitung<br />

abhängt, so gerne wir sie auch alle haben und<br />

noch lange behalten möchten. Es werden sich über<br />

einen längeren Zeitraum ohnehin Mischformen zwischen<br />

den älteren Einzelmedien ergeben, auch Resistenzen<br />

hergebrachter Zeichenträger - aber man sollte<br />

nicht in den Fehler verfallen, das Internet nur für ein<br />

zusätzliches Medium oder einen Verbreitungsweg<br />

neben anderen zu halten.<br />

Wahrscheinlich können sich gerade die Quality Papers<br />

in ihrer Anmutung und in ihrem Auftritt, also als<br />

eigene kommunikative Umwelten, noch eine Zeit lang<br />

von den Klicks und Bits des Internets abgrenzen. Der<br />

Printjournalismus und seine Institutionen stehen in<br />

verschärfter Medienkonkurrenz und angesichts unsicherer<br />

Kantonisten in der Werbewirtschaft in der<br />

Gefahr, ihr Supremat lediglich technologisch und über<br />

bestimmte Traditionslinien herzuleiten.<br />

Es ist gefährlich, wenn über das journalistische Metier,<br />

von solchen Preisverleihungen und manchen<br />

Festreden einmal abgesehen, fast nur noch im Zusammenhang<br />

mit Ökonomie und Technologie geredet

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