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St. Georg_12_2021

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Ach wären die Pferde doch Autos.<br />

Dann wäre alles so einfach. Die<br />

Schwacke-Liste klärt über den<br />

Wert eines Autos auf. Kilometerstand,<br />

Modell, Erstzulassung, Ausstattung –<br />

schon hat man den Restwert des Kfzs<br />

ermittelt. Ganz einfach. Bei Pferden ist<br />

das weniger einfach, nicht nur, weil es<br />

genug Vierbeiner gibt, die zwar schon<br />

„einiges auf dem Tacho“ haben, es aber<br />

keinen offiziellen Wert für die Laufleistung<br />

gibt. Von der Problematik der<br />

Ersatzteilbeschaffung soll hier gar nicht<br />

die Rede sein …<br />

Was kostet denn nun ein Pferd?<br />

„Wat ‘n Narr dafür gift“ – „Was ein Narr<br />

dafür bereit ist, zu zahlen“, pflegte mein<br />

Großvater zu sagen. Oder anders ausgedrückt:<br />

Der Markt regelt den Preis.<br />

Angebot und Nachfrage sind die Faktoren.<br />

Das ist nicht weiter verwunderlich,<br />

schließlich geht es um Geld, in den<br />

meisten Fällen um viel Geld – je nach<br />

den Verhältnissen der Kaufwilligen.<br />

Gerade nicht lieferbar<br />

Es könnte ja so einfach sein. Man<br />

definiert die Eckdaten eines Wunschpferdes,<br />

fragt bei Pferdehändlern nach<br />

– fertig. Teil eins gestaltet sich noch<br />

relativ einfach. Ein Pferd, mit dem<br />

viele glücklich werden: brav im Umgang,<br />

ordentliche Grundgangarten,<br />

kein Überflieger, der nach dem großen<br />

Viereck schreit, der aber auch nicht<br />

„Hilfe“ denkt, wenn ihm im Gelände<br />

etwas Unerwartetes begegnet. Erste<br />

Turniererfahrungen können sein, sind<br />

aber kein Muss. Gesundheitlich sollte<br />

das Wunschpferd fit sein und noch nicht<br />

zu alt, vielleicht fünf oder sechs Jahre?<br />

Und, was kostet so etwas? Übereinstimmende<br />

Antwort: So etwas gibt es nicht,<br />

vollkommen unabhängig vom Preis.<br />

Anders ausgedrückt: Das Pferdezuchtland<br />

Deutschland ist nicht in der Lage,<br />

ausreichend viele „normale“ Pferde – ein<br />

unschöner, aber gebräuchlicher Begriff<br />

– zu produzieren, noch so ein Begriff, die<br />

brav und gesund sind. Dabei sind genau<br />

diese Pferde gesucht. Umgänglich, mit<br />

einem gewissen Bedienungskomfort,<br />

solche Pferde könnte man dutzendweise<br />

verkaufen. Jeden Tag. Bleibt immer<br />

noch die Frage, was ein solches Pferd<br />

kosten sollte. So richtig rausrücken mit<br />

einem konkreten Preis möchte niemand.<br />

Aber ab 15.000 Euro, eher 20.000 Euro<br />

müsse man schon kalkulieren.<br />

Eine Preisgestaltung, die sich mit den<br />

Erfahrungen von Lena Büker decken.<br />

Die Geschäftsführerin der Pferdeverkaufsplattform<br />

ehorses braucht nur ein<br />

paar Klicks in ihren <strong>St</strong>atistiken, um zu<br />

wissen, wie der Markt „tickt“. Während<br />

das System arbeitet, rechnet Büker vor:<br />

„Alle 18 Minuten wird über ehorses ein<br />

Pferd verkauft. Im Schnitt sind die Verkaufspferde<br />

21 Tage online, 2020 lag die<br />

durchschnittliche Angebotsdauer noch<br />

bei 30 Tagen.“ <strong>St</strong>attliche 67.000 Pferde<br />

sind bis September auf ehorses im Jahr<br />

<strong>2021</strong> angeboten worden. 72.000 waren<br />

es im gesamten Jahr 2020. Fünf Millionen<br />

Klicks pro Monat auf der Seite<br />

darf man wohl als valide Grundlage zur<br />

Einschätzung heranziehen. Der Rechner<br />

meldet sich zu Wort. „Ein Pferd, bis A-<br />

Dressur ausgebildet, kostete auf ehorses<br />

2020 im Durchschnitt 18.000 Euro.“<br />

<strong>2021</strong> ist der Durchschnittspreis sogar<br />

noch einmal um 15 Prozent gestiegen.<br />

Zu klein, zu groß<br />

Mehr als 15.000 Euro? Für ein Pferd, das<br />

nicht für den Spitzensport gedacht ist?<br />

Für den Freizeitpartner, der vielleicht<br />

mal ein Turnier gehen wird? Viele, die<br />

ein Pferd suchen, finden das viel Geld,<br />

bzw. unverschämt. Ein Umstand, der<br />

<strong>Georg</strong>ia Schulze-Lefert zum Verfassen<br />

eines viel geteilten Facebook-Posts angeregt<br />

hat. Die gebürtige Westfälin ist<br />

die <strong>St</strong>allmanagerin des Gestüts Vorwerk<br />

im oldenburgischen Cappeln, wo<br />

Familie Max-Theurer Pferdezucht betreibt.<br />

Jährlich verkauft Schulze-Lefert<br />

zwischen 20 und 30 Pferde. Ihr platzte<br />

die Hutschnur, weil immer wieder nach<br />

vierjährigen, gerittenen Pferden bis<br />

10.000 Euro gefragt wurde. Ein Preis,<br />

der nie kostendeckend sein kann.<br />

Dennoch musste sich die resolute Gestütsleiterin<br />

schon einige Unverschämtheiten<br />

anhören, wenn sie ihre Position<br />

deutlich gemacht hat und den Anfragenden<br />

klipp und klar bedeutet hat, wenn<br />

ihr Pferde findet, die für 10.000 Euro<br />

zu bekommen sind, dann kauft sie. Und<br />

diese klare Ansage ließ manch einen<br />

keck auftretenden Interessenten kleinlaut<br />

werden. „Dann allerdings kommen<br />

die Relativierungen. War zu klein, zu<br />

groß, zu schwierig zu reiten, gar nicht<br />

geritten, hatte ein Hobby, hatte was am<br />

TÜV, etc. … Mein Hinweis an dieser <strong>St</strong>elle:<br />

KAUFT diese Pferde! Kauft einen, der<br />

zu groß, zu klein, zu grün, zu koppend,<br />

zu schlecht geröntgt ist. Da ist der ,Mangel‘<br />

offensichtlich und ihr wisst, worauf<br />

ihr euch einlasst.“<br />

Klare Worte. Und das Fazit: „Wer<br />

billig kauft, kauft zweimal …“ Noch<br />

eines unterstreicht sie in ihrem Post<br />

auf Facebook: Es lohnt sich, den eigenen<br />

Anspruch zu definieren und dann<br />

gezielt das richtige Pferd zu suchen.<br />

Oder um es mit den Worten von <strong>Georg</strong>ia<br />

Schulze-Lefert zu sagen: „Kein ,normaler‘<br />

Freizeitreiter braucht für die<br />

Feierabendgestaltung den schwarzen<br />

Kracher im Gardemaß mit lupenreinen<br />

Röntgenbildern und Championatsqualität.<br />

,Die‘, also eigentlich ,wir‘, denn ich<br />

zähle mich da auch zu, brauchen ein im<br />

positiven Sinne ,normales‘ Pferd, welches<br />

aufgrund seines Ex- und Interieurs<br />

und seiner Gesundheit in der Lage ist,<br />

uns jeden Abend Freude zu bereiten.“<br />

Perspektive hat ihren Preis<br />

Pferdepreise variieren von Region zu<br />

Region, von <strong>St</strong>all zu <strong>St</strong>all. Unstrittig ist<br />

aber: Alles mit Perspektive, im Springwie<br />

im Dressurbereich, kostet deutlich<br />

mehr. Ab 30.000 Euro aufwärts,<br />

schnell auch das Doppelte. Hier wird<br />

das Prinzip Hoffnung bezahlt. Hoffnung<br />

hatte man früher bei einem Sechsjährigen,<br />

heute werden die höchsten Preise<br />

für deutlich jüngere Hoffnungsträger<br />

gezahlt. Das Netz von Landes- und<br />

Bundes championaten ist engmaschig,<br />

die Talentscouts grasen das Land ab.<br />

Man wundert sich, wie häufig man<br />

Menschen, die man gerade noch mit<br />

perfekt gegeltem Haar in einer VIP-Loge<br />

hat sitzen sehen, am Wochenende darauf<br />

in Klein Kleckersdorf am Reitpferdeprüfungs-Viereck<br />

stehen und mit einem<br />

halben Auge nach denjenigen schielen,<br />

die für die M*-Dressur abreiten. Der<br />

Markt dürstet nach Material. Und das<br />

ist knapp. Ausgebildete Pferde sind rar,<br />

Raritäten haben ihren Preis – Bares für<br />

Rares lässt grüßen.<br />

Akuter Pferdemangel<br />

Es gibt zu wenig Pferde. Die Bedeckungszahlen<br />

sind in den vergangenen<br />

Jahren massiv zurückgegangen. 2006<br />

kamen noch 30.530 Warmblutfohlen bei<br />

deutschen Zuchtverbänden zur Welt.<br />

Für das Jahr 2020 listet die Deutsche<br />

Reiterliche Vereinigung (FN) 25.709 auf.<br />

Eine Entwicklung, vor der Hengsthalter<br />

Thomas Casper vom Gestüt Birkhof<br />

schon lange gewarnt hat. Casper kann<br />

auch die Kostenentwicklung erläutern.<br />

Die <strong>St</strong>ruktur in der Züchterschaft habe<br />

sich geändert. Es gäbe einerseits immer<br />

mehr große Züchter, die 20 <strong>St</strong>uten und<br />

mehr halten. Sie zielen in ihren Anpaa-<br />

<strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />

<strong>St</strong>.GEORG<br />

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