Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ach wären die Pferde doch Autos.<br />
Dann wäre alles so einfach. Die<br />
Schwacke-Liste klärt über den<br />
Wert eines Autos auf. Kilometerstand,<br />
Modell, Erstzulassung, Ausstattung –<br />
schon hat man den Restwert des Kfzs<br />
ermittelt. Ganz einfach. Bei Pferden ist<br />
das weniger einfach, nicht nur, weil es<br />
genug Vierbeiner gibt, die zwar schon<br />
„einiges auf dem Tacho“ haben, es aber<br />
keinen offiziellen Wert für die Laufleistung<br />
gibt. Von der Problematik der<br />
Ersatzteilbeschaffung soll hier gar nicht<br />
die Rede sein …<br />
Was kostet denn nun ein Pferd?<br />
„Wat ‘n Narr dafür gift“ – „Was ein Narr<br />
dafür bereit ist, zu zahlen“, pflegte mein<br />
Großvater zu sagen. Oder anders ausgedrückt:<br />
Der Markt regelt den Preis.<br />
Angebot und Nachfrage sind die Faktoren.<br />
Das ist nicht weiter verwunderlich,<br />
schließlich geht es um Geld, in den<br />
meisten Fällen um viel Geld – je nach<br />
den Verhältnissen der Kaufwilligen.<br />
Gerade nicht lieferbar<br />
Es könnte ja so einfach sein. Man<br />
definiert die Eckdaten eines Wunschpferdes,<br />
fragt bei Pferdehändlern nach<br />
– fertig. Teil eins gestaltet sich noch<br />
relativ einfach. Ein Pferd, mit dem<br />
viele glücklich werden: brav im Umgang,<br />
ordentliche Grundgangarten,<br />
kein Überflieger, der nach dem großen<br />
Viereck schreit, der aber auch nicht<br />
„Hilfe“ denkt, wenn ihm im Gelände<br />
etwas Unerwartetes begegnet. Erste<br />
Turniererfahrungen können sein, sind<br />
aber kein Muss. Gesundheitlich sollte<br />
das Wunschpferd fit sein und noch nicht<br />
zu alt, vielleicht fünf oder sechs Jahre?<br />
Und, was kostet so etwas? Übereinstimmende<br />
Antwort: So etwas gibt es nicht,<br />
vollkommen unabhängig vom Preis.<br />
Anders ausgedrückt: Das Pferdezuchtland<br />
Deutschland ist nicht in der Lage,<br />
ausreichend viele „normale“ Pferde – ein<br />
unschöner, aber gebräuchlicher Begriff<br />
– zu produzieren, noch so ein Begriff, die<br />
brav und gesund sind. Dabei sind genau<br />
diese Pferde gesucht. Umgänglich, mit<br />
einem gewissen Bedienungskomfort,<br />
solche Pferde könnte man dutzendweise<br />
verkaufen. Jeden Tag. Bleibt immer<br />
noch die Frage, was ein solches Pferd<br />
kosten sollte. So richtig rausrücken mit<br />
einem konkreten Preis möchte niemand.<br />
Aber ab 15.000 Euro, eher 20.000 Euro<br />
müsse man schon kalkulieren.<br />
Eine Preisgestaltung, die sich mit den<br />
Erfahrungen von Lena Büker decken.<br />
Die Geschäftsführerin der Pferdeverkaufsplattform<br />
ehorses braucht nur ein<br />
paar Klicks in ihren <strong>St</strong>atistiken, um zu<br />
wissen, wie der Markt „tickt“. Während<br />
das System arbeitet, rechnet Büker vor:<br />
„Alle 18 Minuten wird über ehorses ein<br />
Pferd verkauft. Im Schnitt sind die Verkaufspferde<br />
21 Tage online, 2020 lag die<br />
durchschnittliche Angebotsdauer noch<br />
bei 30 Tagen.“ <strong>St</strong>attliche 67.000 Pferde<br />
sind bis September auf ehorses im Jahr<br />
<strong>2021</strong> angeboten worden. 72.000 waren<br />
es im gesamten Jahr 2020. Fünf Millionen<br />
Klicks pro Monat auf der Seite<br />
darf man wohl als valide Grundlage zur<br />
Einschätzung heranziehen. Der Rechner<br />
meldet sich zu Wort. „Ein Pferd, bis A-<br />
Dressur ausgebildet, kostete auf ehorses<br />
2020 im Durchschnitt 18.000 Euro.“<br />
<strong>2021</strong> ist der Durchschnittspreis sogar<br />
noch einmal um 15 Prozent gestiegen.<br />
Zu klein, zu groß<br />
Mehr als 15.000 Euro? Für ein Pferd, das<br />
nicht für den Spitzensport gedacht ist?<br />
Für den Freizeitpartner, der vielleicht<br />
mal ein Turnier gehen wird? Viele, die<br />
ein Pferd suchen, finden das viel Geld,<br />
bzw. unverschämt. Ein Umstand, der<br />
<strong>Georg</strong>ia Schulze-Lefert zum Verfassen<br />
eines viel geteilten Facebook-Posts angeregt<br />
hat. Die gebürtige Westfälin ist<br />
die <strong>St</strong>allmanagerin des Gestüts Vorwerk<br />
im oldenburgischen Cappeln, wo<br />
Familie Max-Theurer Pferdezucht betreibt.<br />
Jährlich verkauft Schulze-Lefert<br />
zwischen 20 und 30 Pferde. Ihr platzte<br />
die Hutschnur, weil immer wieder nach<br />
vierjährigen, gerittenen Pferden bis<br />
10.000 Euro gefragt wurde. Ein Preis,<br />
der nie kostendeckend sein kann.<br />
Dennoch musste sich die resolute Gestütsleiterin<br />
schon einige Unverschämtheiten<br />
anhören, wenn sie ihre Position<br />
deutlich gemacht hat und den Anfragenden<br />
klipp und klar bedeutet hat, wenn<br />
ihr Pferde findet, die für 10.000 Euro<br />
zu bekommen sind, dann kauft sie. Und<br />
diese klare Ansage ließ manch einen<br />
keck auftretenden Interessenten kleinlaut<br />
werden. „Dann allerdings kommen<br />
die Relativierungen. War zu klein, zu<br />
groß, zu schwierig zu reiten, gar nicht<br />
geritten, hatte ein Hobby, hatte was am<br />
TÜV, etc. … Mein Hinweis an dieser <strong>St</strong>elle:<br />
KAUFT diese Pferde! Kauft einen, der<br />
zu groß, zu klein, zu grün, zu koppend,<br />
zu schlecht geröntgt ist. Da ist der ,Mangel‘<br />
offensichtlich und ihr wisst, worauf<br />
ihr euch einlasst.“<br />
Klare Worte. Und das Fazit: „Wer<br />
billig kauft, kauft zweimal …“ Noch<br />
eines unterstreicht sie in ihrem Post<br />
auf Facebook: Es lohnt sich, den eigenen<br />
Anspruch zu definieren und dann<br />
gezielt das richtige Pferd zu suchen.<br />
Oder um es mit den Worten von <strong>Georg</strong>ia<br />
Schulze-Lefert zu sagen: „Kein ,normaler‘<br />
Freizeitreiter braucht für die<br />
Feierabendgestaltung den schwarzen<br />
Kracher im Gardemaß mit lupenreinen<br />
Röntgenbildern und Championatsqualität.<br />
,Die‘, also eigentlich ,wir‘, denn ich<br />
zähle mich da auch zu, brauchen ein im<br />
positiven Sinne ,normales‘ Pferd, welches<br />
aufgrund seines Ex- und Interieurs<br />
und seiner Gesundheit in der Lage ist,<br />
uns jeden Abend Freude zu bereiten.“<br />
Perspektive hat ihren Preis<br />
Pferdepreise variieren von Region zu<br />
Region, von <strong>St</strong>all zu <strong>St</strong>all. Unstrittig ist<br />
aber: Alles mit Perspektive, im Springwie<br />
im Dressurbereich, kostet deutlich<br />
mehr. Ab 30.000 Euro aufwärts,<br />
schnell auch das Doppelte. Hier wird<br />
das Prinzip Hoffnung bezahlt. Hoffnung<br />
hatte man früher bei einem Sechsjährigen,<br />
heute werden die höchsten Preise<br />
für deutlich jüngere Hoffnungsträger<br />
gezahlt. Das Netz von Landes- und<br />
Bundes championaten ist engmaschig,<br />
die Talentscouts grasen das Land ab.<br />
Man wundert sich, wie häufig man<br />
Menschen, die man gerade noch mit<br />
perfekt gegeltem Haar in einer VIP-Loge<br />
hat sitzen sehen, am Wochenende darauf<br />
in Klein Kleckersdorf am Reitpferdeprüfungs-Viereck<br />
stehen und mit einem<br />
halben Auge nach denjenigen schielen,<br />
die für die M*-Dressur abreiten. Der<br />
Markt dürstet nach Material. Und das<br />
ist knapp. Ausgebildete Pferde sind rar,<br />
Raritäten haben ihren Preis – Bares für<br />
Rares lässt grüßen.<br />
Akuter Pferdemangel<br />
Es gibt zu wenig Pferde. Die Bedeckungszahlen<br />
sind in den vergangenen<br />
Jahren massiv zurückgegangen. 2006<br />
kamen noch 30.530 Warmblutfohlen bei<br />
deutschen Zuchtverbänden zur Welt.<br />
Für das Jahr 2020 listet die Deutsche<br />
Reiterliche Vereinigung (FN) 25.709 auf.<br />
Eine Entwicklung, vor der Hengsthalter<br />
Thomas Casper vom Gestüt Birkhof<br />
schon lange gewarnt hat. Casper kann<br />
auch die Kostenentwicklung erläutern.<br />
Die <strong>St</strong>ruktur in der Züchterschaft habe<br />
sich geändert. Es gäbe einerseits immer<br />
mehr große Züchter, die 20 <strong>St</strong>uten und<br />
mehr halten. Sie zielen in ihren Anpaa-<br />
<strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />
<strong>St</strong>.GEORG<br />
69