Kunstbulletin Dezember 2023

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Roman Signer — Wasser-Werke im Stadtpalais Erste Arbeiten von Roman Signer entstanden in Auseinandersetzung mit dem Element Wasser. Im Kirchhoferhaus sind solche Frühwerke aus einer Schenkung von Ursula Hauser an das Kunstmuseum St. Gallen zu entdecken – wissenschaftlich anmutende, poetische Experimente im dekorierten Stadtpalais. St. Gallen — Noch ist der grosse Tropfen in der an einem Stahlrahmen befestigten Latexfolie gefangen. Die Skulptur von 1973 wirkt zurückhaltend. Auf der gegenüberliegenden Seite im grosszügigen Entrée begrüsst ‹Wellenapparat› die Eintretenden, eine interaktive Bodenarbeit von 1975: ein breiter, mit Wasser gefüllter Schlauch, auf dem vorne ein Brett liegt. Der Künstler hat lange Reihen von Noppen aus Schaumgummi auf den Schlauch geleimt. Gross und Klein betreten das Brett, lösen eine Wellenbewegung aus, die Noppen schwanken. Die Katze in seinem Atelier sei auch begeistert gewesen, kommentiert Roman Signer (*1938). Im Nebenraum läuft der Super-8-Film von Hartmut Kaminski von 1975 und zeigt, was geschieht, wenn die Wassermenge in ‹Grosser Tropfen› ansteigt. Die Skulptur steht am Rheinufer bei Düsseldorf, Signer schöpft mit einem Kessel Wasser aus dem Fluss, die Latexfolie füllt sich, bis sie plötzlich birst und ein gigantischer Tropfen auf den Boden platscht. Für die aktuelle Installation der Skulptur im denkmalgeschützten Kirchhoferhaus, welches als Teil des Kunstmuseum St. Gallen auf Wunsch von Signer erstmals museal genutzt wird, musste aus Sicherheitsgründen eine Wanne unter die Skulptur gestellt werden. Doch den Bruch der Folie hat der Künstler im Film selber ausgelöst: mit einer Art Steinschleuder, genauer mit den Hosenträgern des Galeristen und Filmemachers Kaminski, da er vergessen hätte, die Steinschleuder mitzunehmen. Ursache und Wirkung sind wichtige Stichworte in Roman Signers Schaffen. So gerät ‹Bett›, 1996, in Schieflage, wenn sich der Ballon unter der Bettstatt mit Luft füllt. Es ist, wie ‹Grosser Tropfen›, Teil der acht Skulpturen umfassenden Schenkung von Ursula Hauser ans Museum, die nun mit ausgewählten weiteren Werken präsentiert wird. Die früheste Arbeit des Konvoluts ist ‹Treppe›, ein leiterartiges Metallgerüst, durch das ein mit Wasser gefüllter Plastiksack gewoben ist. Dreht das Aufsichtspersonal das Gerüst, läuft das Wasser über die Sprossen nach unten. Unter anderem mit dieser Arbeit bewarb sich Signer 1971 erfolgreich um ein Bundesstipendium (heute Swiss Art Award), kurz bevor er für die weitere Kunstausbildung nach Warschau zog. Die St. Galler Galerie Wilma Lock zeigte sie 1973 in Signers allererster Ausstellung, die ihm bereits erste Käufer bescherte. Ursula Hauser erwarb einige Werke später von diesen Erstbesitzer:innen. Andere wurden für die Galerie Hauser & Wirth beim Künstler angekauft und gelangten so in die Ursula Hauser Collection. Ursula Badrutt → ‹Roman Signer – Schenkung der Ursula Hauser Collection›, Kunstmuseum St. Gallen, Kirchhoferhaus, bis 10.3. ↗ kunstmuseum.sg 106 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2023</strong>
Roman Signer · Grosser Tropfen, 1973, Latexfolie, verzinkter Stahlrahmen mit Gummimembran, Wasser, 167 x 55 x 55 cm, Ausstellungsansicht Kunstmuseum St. Gallen, Kirchhoferhaus. Foto: Stefan Rohner BESPRECHUNGEN // ST. GALLEN 107
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