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Kunstbulletin Dezember 2023

Unsere Dezember Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Chiara Bersani, Delphine Reist, Anita Muçolli, Reto Boller, uvm.

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Marc-Antoine Fehr — Im Widerschein der Bildbühnen<br />

Werke eines halben Jahrhunderts sind derzeit von Marc-Antoine<br />

Fehr im Museum Franz Gertsch in Burgdorf zu sehen. Umgeben<br />

von grossen bis monumentalen Formaten geraten wir hier<br />

mitten in ein «Schauspiel» wundersamer Zwischenwelten und<br />

einer stets aufs Neue erprobten Malerei.<br />

Burgdorf — Im Foyer des Museum Franz Gertsch empfängt uns ein beinahe lebensgrosses<br />

Doppelporträt: ‹Caroline und Martin›, <strong>2023</strong>, beide lächelnd, doch hinter<br />

Masken. Ein Spiel mit Sichtbarem und Unsichtbarem also, wie es die Kunst auch<br />

anderswo vormacht. Die Porträtierten sind mit Marc-Antoine Fehr (*1953) schon lange<br />

befreundet: Caroline Kesser, hier mit ihrem Ehemann und Fehrs Hund, kuratierte<br />

die Ausstellung des bekannten Schweizer Künstlers im Helmhaus Zürich 2011/12<br />

(→ KB 1-2/2012) und publizierte bereits mehrfach über ihn.<br />

Mit seiner figurativen Malerei, geschult an Vorbildern wie Cézanne bis zurück zur<br />

italienischen Frührenaissance, hat sich Fehr stets abseits vom Mainstream bewegt.<br />

Entsprechend eigen gestalten sich seine Bildwelten: Aufführungen eines absurden,<br />

wenn auch nicht unsinnigen Theaters. In der von ihm und Kuratorin Anna Wesle arrangierten<br />

Retrospektive ‹Reflets sur un tombeau› mit Malerei, Zeichnung und Entwürfen<br />

wird dies zwischen Gemälden im Bühnenbildformat besonders deutlich. Im<br />

Widerschein – den «reflets» – wird die im Titel anklingende Grabstätte zum Schauplatz,<br />

zum Mittler zwischen einem Diesseits und Jenseits . Denn irdische Figuren und<br />

Wesen, mitunter gar banale Alltagsgegenstände, tauchen durchaus auf, doch meist<br />

in rätselhaften, dem Hier und Jetzt entrückten Konstellationen. Da ist etwa die Kutsche<br />

in ‹La grande salle›, 2019, die auf einer Eisscholle auf eine Theaterkulisse zurollt.<br />

Oder das eingeschneite Spielzeugauto in ‹L’Hiver›, 2014, dessen Dach eine Spielzeugfigur<br />

trägt, auf deren Hosenbein aller Verspieltheit zum Trotz die Zahlen 20142 eingeschrieben<br />

sind: das Datum der unheilvollen Wannseekonferenz vom 20.1.1942.<br />

Verkehrt werden auch Gross und Klein: Im Fragment ‹Le tombeau d’Actéon›,<br />

2006/2008, stehen Gebäuderuinen «en miniature» auf überdimensionalen Tischen.<br />

Diese flankieren ihrerseits zwei hünenhafte Mischwesen, die einen zeltartigen Eingang<br />

– das Tor zur Unterwelt? – bewachen. Wird hier auf 17 Metern ein Grabmahl für<br />

den antiken Helden Aktaion entworfen, rekurriert ‹Le monde ancien›, <strong>2023</strong>, an der<br />

Wand gegenüber ebenso grossformatig auf eine Welt in der Vergangenheit. In der<br />

Unterwasserlandschaft tummelt sich zwar allerlei Wesenhaftes, es dominieren aber<br />

die gestischen, nahezu abstrakten Partien. So wie Schweres immer wieder auf hintersinnig<br />

Komisches trifft, haben auf Fehrs Bildbühnen stets auch unterschiedliche<br />

Facetten der Malerei ihren gebührenden Auftritt. Marc Munter<br />

→ ‹Marc-Antoine Fehr – Reflets sur un tombeau›, Museum Franz Gertsch, bis 3.3.<br />

↗ museum-franzgertsch.ch<br />

94 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2023</strong>

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