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Kunstbulletin Dezember 2023

Unsere Dezember Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Chiara Bersani, Delphine Reist, Anita Muçolli, Reto Boller, uvm.

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Rebecca Warren / Wade Guyton<br />

Uster — Beim Zellweger Park in Uster, umgeben<br />

von Fabrikgebäuden und hochkarätiger<br />

Wohnarchitektur, befindet sich das Domizil der<br />

Bechtler Stiftung. Das Haus wurde um Walter<br />

de Marias Bodenskulptur ‹The 2000 Sculpture›<br />

herum gebaut, um ihr einen dauerhaften Platz<br />

zu sichern. Daneben finden an diesem kongenialen<br />

Ort auch Wechselausstellungen statt:<br />

Aktuell zu sehen sind die britische Bildhauerin<br />

Rebecca Warren (*1965) und der New Yorker<br />

Konzeptkünstler Wade Guyton (*1972) – auch<br />

sie Schwergewichte aus der Sammlung: Hier<br />

die mit ihren Gipsfiguren berühmt gewordene<br />

Kunstprofessorin, dort der technologieversierte<br />

Experimentiermaler. Eyecatcher ist sein geprinteter,<br />

unendlich vergrösserter Buchumschlag,<br />

der sich wie eine ausgefranste Flagge mit<br />

Streifen neun Meter in die Länge zieht. Davor<br />

reihen sich Rebecca Warrens wunderbar übermalte<br />

Bronzen auf. Füsse wie Klumpen geben<br />

den hageren Figuren Bodenhaftung. Eine Frauenbrust,<br />

Augenhöhlen oder Haarmaschen sind<br />

auszumachen. Ein herzförmiges Ding in einem<br />

schmalen Torso, ein hängender Sack an einer<br />

Wirbelsäule und rätselhafte Namen erzählen<br />

andeutungsweise Geschichten. Oder kennen<br />

Sie vielleicht ‹Toto› und ‹Eugene›? Eine reizende<br />

Truppe und doch irgendwie ausgezehrt. FS<br />

Rebecca Warren · handbemalte Bronzefiguren<br />

auf Sockeln, 2012 (vorne); Wade Guyton ·<br />

Untitled, 2011 (Ausschnitt), Hesta Collection,<br />

Ansicht Bechtler Stiftung. Foto: Flavio Karrer<br />

→ Bechtler Stiftung, bis 1.4.<br />

↗ bechtlerstiftung.ch<br />

Clemens von Wedemeyer<br />

Vaduz — Der Knochen fliegt. Er fällt nie<br />

herunter. Stattdessen ein «Match Cut»: Ein<br />

Raumschiff umkreist die Erde. Diese Szene aus<br />

Stanley Kubricks ‹2001: A Space Odyssey› ist<br />

legendär. Die Wandlung des als Mordwerkzeug<br />

benutzten Knochens in einen Flugkörper, der<br />

Sprung durch Raum und Zeit wurde vielfach<br />

zitiert und bietet noch immer Stoff für philosophische<br />

und künstlerische Exkurse.<br />

Clemens von Wedemeyer, den das Kunstmuseum<br />

Liechtenstein aktuell im Kontext<br />

der Sammlung präsentiert, interessiert sich<br />

besonders für die Verschränkung des realen<br />

und fiktiven Raums im Film und für die<br />

filmische Reduktion des dreidimensionalen<br />

Raums zugunsten eines neuen Erzählraums. In<br />

seiner Arbeit ‹A Recovered Bone (2001: A Space<br />

Odyssey)›, 2015, geht er der Frage nach, wie das<br />

Verschwinden des Knochens neu interpretiert<br />

werden kann: Aus der Filmsequenz retuschiert<br />

er den Knochen weg – nur der parabelförmige<br />

Schwenk in den Himmel ist noch zu sehen. Das<br />

Video ist als Loop angelegt, so fährt der Blick<br />

wieder und wieder in den Himmel hinauf. Vor<br />

der Projektionswand liegt auf einem Sockel<br />

ein unförmiges Gebilde: Der Knochen ist doch<br />

gelandet. Seine Form wurde auf der Basis der<br />

Kubrick’schen Filmbilder errechnet und in 3D<br />

ausgedruckt. Doch das Objekt gleicht nur vage<br />

einem Knochen. Von Wedemeyer findet damit<br />

ein treffendes Bild für die Differenz von Fiktion<br />

und Wirklichkeit. Seit Langem bewegt sich der<br />

1974 in Göttingen geborene Künstler zwischen<br />

Kunst und Kino. Er entwickelt non-lineare<br />

Erzählungen, in denen sich Dokumentar- und<br />

Spielfilm verschränken.<br />

Beispielhaft dafür ist ‹Otjesd›, 2005: Einerseits<br />

werden Szenen mit russischsprachigen<br />

Ausreisewilligen vor der Deutschen Botschaft<br />

in Moskau gezeigt, die jedoch in Berlin nachgestellt<br />

wurden. Andererseits ist das «Making<br />

of» dieses Films zu sehen, in das tatsächlich<br />

Aufnahmen aus Moskau integriert sind. Von<br />

Wedemeyer geht von einem selbst beobachteten<br />

Ereignis aus, stellt dieses filmisch nach<br />

und thematisiert diesen Prozess in einer wei-<br />

HINWEISE // SCHAFFHAUSEN / SOLOTHURN / USTER / VADUZ<br />

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