Diego Marcon — Die unerträgliche Leichtigkeit des Verbrechens In seiner ersten Schweizer Einzelausstellung erkundet Diego Marcon die Schnittstellen zwischen Film und Kunst. Was im ersten Moment an ein groteskes Musical- oder Puppentheater erinnert, offenbart sich als ebenso poetische wie gesellschaftskritische Schau von grosser künstlerischer Sorgfalt. Basel — Ein Mann mit Silikonmaske sitzt auf einem Bett, in dem eine Frau liegt. Er schaut dem leise rieselnden Schnee vor dem Fenster zu, bis auf dem Sims eine Amsel landet und virtuos den Anfang eines Musicalsongs pfeift. Darin besingt ein Vater, wie er Sohn, Tochter und Frau erdrosselt, um sich schliesslich selbst zu töten. ‹The Parents’ Room›, 2021, ist auf 35mm-Film aufgenommen und verbindet echte Schauspieler:innen mit computergenerierten Animationen. Wie alle Filme des italienischen Künstlers Diego Marcon (*1985) ist die Szene als endloser Loop konzipiert. Das Video, bekannt von der Biennale in Venedig 2022, macht im ersten abgedunkelten Saal den Auftakt zur Schau in der Kunsthalle Basel, die selbst wie eine Schlaufe gestaltet ist. Hell und dunkel wechseln sich ab, wobei in den hellen Räumen tonlose und in den dunklen klingende Videoarbeiten gezeigt werden. Im zweiten, hellen Raum folgt ‹Untitled (Head falling 01–03)›, 2015, – drei zehnsekündige Loops von digitalisierten, bemalten 16mm-Filmen, die ein sich bewegendes Gesicht eines Mannes in der Art einer Kinderzeichnung zeigen. Es folgt die Videoarbeit ‹Monelle›, 2017: Stille und Dunkelheit werden von blitzartigen Bildern und explosionsartigen Schlaggeräuschen unterbrochen. Auf den Fotos sind zumeist junge Frauen zu sehen, die in den monumentalen Räumen der Casa del Fascio in Como abgelichtet wurden. Sind es Opfer? Szenen eines Gewaltverbrechens? Geisterhaft brennt sich dieses ehemalige Zentrum des italienischen Faschismus in die Netzhaut der Betrachtenden. Danach trifft man auf eine Brass-Band aus kindlichen Betonfiguren, niedlich, aber auch unheimlich und still. Am Ende des Rundgangs schliesslich ist eine Kino- Situation so inszeniert, dass die Besuchenden zuerst das Publikum sehen, welches einem aufwendig produzierten Puppentheater zuschaut: In ‹Dolle›, <strong>2023</strong>, sitzen zwei Animatrix-Maulwürfe in einem Wohnzimmer und führen scheinbar endlose Rechnungen aus, ohne zu einem Resultat zu kommen. Durch eine feinsinnige Kombination von analogen und digitalen Mitteln gelingt dem in der Nähe von Varese aufgewachsenen und in Mailand lebenden Künstler eine runde, teils verstörende, teils aber auch humorvolle und berührende Ausstellung. Er arbeitet ganz bewusst mit der affektiven Kraft von Klang, Musik und Stille, die er gezielt einsetzt. Seine Figuren wirken dabei wie fieberhafte Gestalten, die weniger aus freiem Willen als aufgrund von inneren oder äusseren Zwängen handeln. Andrin Uetz → ‹Diego Marcon – Have You Checked the Children›, Kunsthalle Basel, bis 21.1. ↗ kunsthallebasel.ch 92 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2023</strong>
Diego Marcon · La Banda di Crugnola, <strong>2023</strong>, Beton, 13 Teile, je ca. 75 x 25 x 20 cm, Ausstellungsansicht Kunsthalle Basel. Foto: Philipp Hänger Diego Marcon · The Parents’ Room, 2021, 35mm-Film übertragen auf digitales Video, computergenerierte Animation, Farbe, Ton, 6’23’’, Loop, Ausstellungs ansicht Kunsthalle Basel. Foto: Philipp Hänger BESPRECHUNGEN // BASEL 93
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Dezember 2023 Fr. 10.- / € 8.-
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