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reisen EXCLUSIV Frühjahr 2024

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KOLUMNE | Historische Dönekes<br />

Das erste Hotel der Welt<br />

Unser Redaktionshistoriker Konrad sammelt auf Tour<br />

zwangsläufig allerhand Geschichten. Die lassen sich leider –<br />

Anweisung der Chefredaktion – nicht immer in einer Reportage<br />

unterbringen. Auf dieser hart erkämpften Seite darf er dafür seine<br />

liebsten historischen Anekdoten zum Besten geben. Dönekes halt.<br />

Was gibt’s Altes,<br />

Herr Bender?!<br />

Covent Garden<br />

King Street 43<br />

In vielerlei Hinsicht war 1774 ein ereignisreiches<br />

Jahr. In Greifswald erblickte<br />

mit Caspar David Friedrich ein Ausnahmemaler<br />

das Licht der Welt, auf der<br />

Leipziger Buchmesse veröffentlichte ein 25-<br />

jähriger Goethe stürmend und drängend die<br />

Erstfassung von »Die Leiden des jungen Werthers«.<br />

Und in Versailles wurde Ludwig VI.<br />

zum König von Frankreich gekrönt. Ein Titel,<br />

den er knapp 20 Jahre später mitsamt Kopf<br />

eher unfreiwillig wieder abgeben sollte.<br />

1774 war aber auch das Jahr, in dem ein<br />

pfiffiger und risikofreudiger Londoner Friseur<br />

und Perückenmacher namens David Low eine<br />

bahnbrechende Geschäftsidee verwirklichte.<br />

In einem Ende des 1. Jahrhunderts errichteten<br />

Haus in der King Street 43 in Covent<br />

Garden eröffnete Low am 2.Januar das – wie<br />

man sich heute in Fachk<strong>reisen</strong> einig ist – erste<br />

Hotel der Welt. Unter dem simplen und doch<br />

klingenden Namen »Grand Hotel«.<br />

Ein kurzer, historischer Abriss der (west-<br />

lichen) Gastlichkeit ist vonnöten. Anderswo<br />

übernachtet wurde schon immer. Fern<strong>reisen</strong><br />

waren aber bis weit in die Neuzeit nicht ungefährlich<br />

und wurden selten ohne guten Grund<br />

getätigt (Handel, Pilgerfahrt, Besuch der<br />

Schwiegereltern). Die häufigste Form im Gastgewerbe<br />

war das Gasthaus, oft an wichtigen<br />

Handelsstraßen und auch in größeren Städten<br />

zu finden. Die Unterbringung war sehr einfach,<br />

oft auf Strohsäcken und im Schlafsaal.<br />

Von Zimmerservice konnte keine Rede sein<br />

und auch beim Thema Privatsphäre war nicht<br />

viel zu erwarten.<br />

Der Adel und die feine Gesellschaft hinge-<br />

gen kamen auf Reisen bei nicht minder gut<br />

betuchten Freunden oder der Verwandtschaft<br />

unter. Manche unterhielten sogar ein eigenes<br />

Stadtpalais – im Französischen auch als »Htel<br />

particulier« bekannt. Und das war für viele<br />

Städter der Inbegriff von luxuriösem Wohnen.<br />

David Low wusste also ziemlich genau, welche<br />

Assoziationen er mit dem Namen »Grand<br />

Hotel« wachrief. Unbegründet waren die nicht:<br />

im Winter vorgeheizte Betten, ein eigener<br />

Waschzuber, schicke Dekorelemente und bald<br />

nach Eröffnung ein hauseigener Kaffeesalon.<br />

Das ganze Pipapo. Bei der feinen Reisegesellschaft<br />

besonders beliebt: das mitgebuchte Recht,<br />

auf den besten Bänken in der örtlichen Kirche<br />

Platz zu nehmen. Sehen und gesehen werden.<br />

Doch damals wie heute hatte das schöne<br />

Leben seinen gepfefferten Preis. Die Nacht in<br />

der Zwei-Zimmer-Suite schlug mit stolzen<br />

1 Schilling zu Buche. Zum Vergleich Die<br />

Miete für einen einfach möblierten Raum<br />

in London betrug in der Zeit ungefähr zwei<br />

Schilling pro Woche. Auf die heutige Zeit umgerechnet<br />

würde die Suite knapp 1.30 Euro<br />

kosten. Pro Nacht. Keine Frage, ein exklusives<br />

Angebot.<br />

Doch trotz des durchschlagenden Erfolgs<br />

seiner Idee und baldiger Nachahmer ging es<br />

für David Low rasch bergab. Bald nach Eröffnung<br />

musste er Hypotheken aufnehmen,<br />

1786 war er bankrott und musste verkaufen.<br />

Das Gebäude wurde noch bis 1880 teilweise<br />

als Hotel betrieben. Das Hotel und insbesondere<br />

das Grandhotel als Konzept jedoch traten<br />

einen Siegeszug sondergleichen an. Und wer<br />

weiß: Vielleicht hätte auch der junge Werther<br />

bei einem luxuriösen Hotelaufenthalt seine<br />

Lotte vergessen können.<br />

Fotos: Jerome Robbins Dance Division/The New York Public Library, Ollie Day, The Trustees of the British Museum; Illustration: Anastasiia Yurevych/Shutterstock.com<br />

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