Mustermix trifft auf Glamour. Wenn Capri ansonsten eher eine ruhige Insel ist, sorgt das Capri Tiberio Palace für Aufregung. MANGIA BENE, RIDI SPESSO, AMA MOLTO. 52
MITTELMEER | Capri Fotos: Stefano Scatà/Capri Tiberio Palace (4), Dave Z./Shutterstock.com, Will Truettner, Gary Along ben aller Edelsteine verfügte«, mit eigenen Augen sehen. Erst kamen die Maler, dann die Schriftsteller und mit ihnen der Rest der Welt – bis heute. Der zweite Effekt, der sich schon nach wenigen Stunden auf Capri einstellt, ist Kurzatmigkeit. Jedenfalls bei Menschen, die nicht täglich für einen Triathlon trainieren. Wer auf Capri ein paar Minuten zu Fuß geht – und das muss man, weil das Zentrum Capris mit seinen verwinkelten Gassen viel zu eng für den Autoverkehr wird –, dürfte gehörig ins Schwitzen kommen. Und das hat nichts mit dem mediterranen Klima und den 300 Sonnentagen im Jahr zu tun, mit denen man auf Capri rechnen darf. Spaziergänge auf der dicht bebauten Insel werden schnell zu Treppenmärschen. Dabei lohnen sich diese Exkursionen. Capri ist voller Sehenswürdigkeiten, die sich aufgrund der überschaubaren räumlichen Möglichkeiten meist recht nah beieinander befinden. Man muss halt Treppensteigen mögen. Allerdings haben die italienischen Behörden Sinn für Humor An einigen der anstrengendsten Anhöhen haben sie Defibrillatoren gut einsehbar am Wegesrand installiert. Nur für den Fall. Zu den Orten, die man trotz anstrengender Wegstrecken unbedingt anschauen sollte, gehört der reizende Giardini di Augusto – ein botanischer Garten, von dem aus man einen wundervollen Blick über die üppigen Landschaften Capris genießt. Bekannt ist der Ort auch unter dem Begriff »Krupp Garden« – angelegt wurde er nämlich um 1900 herum vom Essener Waffenfabrikanten Friedrich Alfred Krupp. Jener floh auf Capri häufig vor seinen familiären Pflichten im Ruhrpott, weil er seine homosexuellen Neigungen in Italien – und wie man hört, grandios ausschweifend – ausleben konnte. Krupp war kein Einzelfall. Capri entwickelte sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Schauplatz von Kultur, Glamour und Hochfinanz. Eine Schlenderei durch die engen Gassen Capris spricht Bände Juweliere und Modeboutiuen der edleren Art reihen sich hier Tür an Tür. Tagesausflügler, die auf Capri den überwiegenden Anteil der Besucher ausmachen, dürften über die kreativen Preisideen der internationalen Nobelläden staunen. Dementsprechend mondän stellt sich auch der größere Teil der hiesigen Hotellerie auf. Platz ist Mangelware auf Capri und dementsprechend teuer. Ich steige für zwei Nächte im Capri Tiberio Palace ab. Das Hotel liegt nur zwei Fußminuten von der berühmten Piazzetta entfernt – oder wie sie oziell heißt, der Piazza Umberto I. Es verfügt über 4 individuell eingerichtete Zimmer und repräsentiert mit seiner gediegenen Old-Money-Noblesse das Gros der Premiumhotels auf der Insel. Hoteldirektor Oliver Hutten erklärt, dass ihn anonymer Luxus nicht interessiert. Er möchte sein Haus zwar komfortabel, aber lässig. Elegant, aber unaufdringlich und subtil »Das Capri Tiberio Palace soll den Eindruck machen, als habe ein kultivierter Mensch die ganze Welt bereist und von überallher einige kostbare, charmante Erinnerungsstücke mit zurück nach Hause gebracht.« Dass der Globus in all seinen kunstvollen Formen und Farben ein zentrales Dekoelement ist und darüber hinaus elegante Hollywoodmotive der 190erund 0er-Jahre beim kulturanen Publikum für Beifall bürgen, dürfte bei dieser Konzeption nicht verwundern. Das Capri Tiberio Palace hat Stil und Persönlichkeit, ohne sich wichtig zu machen. Wer seinen Capri-Besuch von charmanter Herzlichkeit einrahmen lassen möchte, kann hier unbesorgt einchecken. Er sollte allerdings nicht einmal einen Gedanken an den Zimmerpreis verschwenden müssen. Ein Tipp, der auch für vergleichbare Hotels auf der Insel gilt. Gut, Capri ist mondän, exklusiv und teuer. Es verlangt vom durchweg mittelalten Publikum – denn für Familien mit Kindern ist der Besuch wohl genauso mühsam wie für Senioren mit Energiedefiziten – durch sein stetes landschaftliches Auf und Ab einen gewissen sportlichen Ehrgeiz. Aber Capri belohnt Besucher dafür auch mit magischen Orten wie der »Blauen Grotte«, dem Blick auf die Steilküste an der Piccolo Marina. Auch schön sind die skulpturalen Faraglioni-Felsen, die knapp 100 Meter aus dem Meer ragen und zu den signifikantesten Motiven Capris gehören. Allein in der noblen Via Vittorio Emanuele und der nicht minder extravaganten Via Camerelle werden täglich Umsätze generiert, über die sich Berliner Einkaufszentrum freuen würde. Auf dem Weg von Capri nach Anacapri den einzigen beiden Orten auf der Insel liegt zudem die Villa San Michele, eine weiße Villa im sarazenisch-romanischen Stil. Sie gehörte einst dem Leibarzt der Königin von Schweden und ist heute als Museum eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Insel. Allein die Lage der Villa an der Steilküste ist einen Besuch wert. Auch hier bietet sich wieder einer der spektakulären Panoramablicke, mit denen Capri so verschwenderisch hausiert. Beneidenswert, das alles, klar. Dass Capri aber dank des römischen Kaisers Tiberius von 2 bis 3 n. Chr. elf Jahre lang der ozielle Mittelpunkt der Welt gewesen sein soll, erstaunt dann doch ein wenig. Ernsthaft Eine zehn uadratkilometer große, zugegeben recht schicke Insel das Zentrum der westlichen Welt Wäre ich ein spöttischer Mensch, würde ich sagen Die spinnen, diese römischen Kaiser. INFO ANREISE Capri ist ausschließlich mit der Fähre erreichbar. Das ganze Jahr über gibt es mehrere Verbindungen ab Neapel, Sorrent, der Amalfiküste und Ischia. Capri Tiberio Palace, Via Croce 11-15, 80073 Capri. Eine Nacht für zwei Personen ab € 635. www.capritiberiopalace.it frühjahr <strong>2024</strong> <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> 53