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reisen EXCLUSIV Frühjahr 2024

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ASIEN | Okinawa<br />

Mission inmitten des Yanbaru Forest erfüllt. Serviert<br />

wird: Pizza Margherita. Kein Scherz, an einem der abgelegensten<br />

Orte in Japan, aus dem eigenen Holzkohleofen.<br />

Das sei einfacher vorzubereiten, nennt Emiko einen<br />

simplen Grund, denn sie führt das Restaurant an manchen<br />

Tagen allein. Heute helfen allerdings ihre Töchter<br />

und ihre Schwiegertochter. Die Pizza schmeckt köstlich –<br />

alle Zutaten kommen gleich hier aus dem Kräutergarten<br />

von Emikos Farm. Als besonderes Topping kommt noch<br />

etwas Fuchiba on top. Bei uns Beifuß genannt, ist in Okinawa<br />

sehr beliebt. Sowieso: Wildkräuter und Gemüse<br />

spielen eine zentrale Rolle in der Kulinarik der Inseln<br />

und fast in jedem Garten wuchert ein natürlicher Kräuter-<br />

und Gemüsegarten, der Hauptbestandteil der hiesigen<br />

Küche. Ein Schlüssel für das lange Leben, das die<br />

Menschen in Okinawa führen. Lange winken uns die vier<br />

Frauen hinterher, als wir uns wieder auf unsere Räder<br />

schwingen. Noch Kilometer später denke ich an die Begegnung<br />

mit Emiko und diese wunderschöne Oase, die<br />

sie erschaffen hat.<br />

In Okinawa werden die Menschen so alt wie kaum<br />

anderswo auf der Welt. Fünf solcher als »Blue Zones«<br />

deklarierten Gebiete verteilen sich auf der ganzen Welt.<br />

Und hier in den Dörfern im einsamen Norden von Okinawa<br />

Hont leben besonders viele Menschen überdurchschnittlich<br />

lang, Frauen über 87 Jahre – im Durchschnitt!<br />

Für die kommenden Tage habe ich die Ehre, in einem<br />

kleinen Dorf zwischen Hügeln und Meer in einem wunderschönen<br />

traditionellen Holzhaus mit den Mitgliedern<br />

des Dorfs zu residieren. Beim Kochen mitzuerleben, wie<br />

besonders und gemüsereich die Küche hier ist. Pflanzen<br />

zu schnippeln und zu probieren, die ich noch nie gehört<br />

habe. Zum Sonnenaufgang am Strand Achtzigjährige<br />

beim Joggen zu treffen. Auf Tatami-Matten zu schlafen.<br />

Der täglichen gemeinsamen morgendlichen Stretchroutine<br />

auf dem Gemeindeplatz beizuwohnen, die ein weiterer<br />

Grund für das lange Leben der Menschen in Okinawa<br />

sein soll.<br />

Auch nach den Tagen kann ich nicht sicher sagen,<br />

dass das Glück des langen Lebens der hiesigen Menschen<br />

ausschließlich in der Ernährung, der umgebenden Natur,<br />

der Bewegung und der sozialen Integration liegt. Der<br />

Wald, die Hügel und das Meer im Norden von Okinawa<br />

Hont strahlen eine Ruhe und Genügsamkeit aus, wie ich<br />

sie noch nirgends sonst gespürt habe.<br />

Die Zeit im Yanbaru Forest hat mich beseelt. Fast bin<br />

ich nicht bereit, wieder in die Stadt zurückzukehren. Und<br />

dann gleich mit einem brutalen Kontrastprogramm konfrontiert<br />

zu werden: Wir sind zurück im Süden der Insel,<br />

in Kin Town, und brechen auf zu einer Kneipentour. Als<br />

unser Guide Ritsuko uns nach dem Dinner – okinawanisches<br />

Agu-Schwein in Shabu-Shabu-Style, dem geselligen<br />

japanischen Feuertopf –mit hörbar amerikanischem<br />

Akzent zur Bar-Tour motiviert und meint, dass Kin Town<br />

»very different« sei, »youll see«, war klar, dass das Ausgehen<br />

in Kin Town ebenso nicht der typischen Japan-Erfahrung<br />

gleichkommt.<br />

Wir betreten den ersten Pub durch eine Saloon-<br />

Schwingtür, wie man sie aus amerikanischen Western<br />

kennt. Ritsukos Mutter hat sie vor Jahrzehnten eröffnet.<br />

Mir fällt die Kinnlade herunter: Mitten in der Bar, in der<br />

sich ausschließlich jugendliche Amerikaner tummeln,<br />

steht ein Rodeo-Bulle. Ein kahl rasierter junger Typ mit<br />

Cowboyhut hält sich laut grölend mit einer Hand an den<br />

Hörnern fest, in der anderen ein Bier. Tosender Beifall<br />

ertönt auf die absehbare Bierdusche, als er schließlich<br />

beim nächsten Level in das Luftkissen plumpst. Es folgt<br />

ein Countrysong, die Boots der Anwesenden setzen zum<br />

Linedance an, der den Boden beben lässt.<br />

Es dauert keine fünf Minuten und ich habe ein frisch<br />

gezapftes Bud Light in der Hand und bin schon mitten<br />

im Gespräch. Schnell erfahre ich In Kin Town befindet<br />

sich das Camp Hansen, eine der 33 amerikanischen Militärbasen<br />

auf Okinawa, das über die Hälfte des Stadtgebiets<br />

einnimmt. Zehntausende amerikanische Soldaten<br />

sind hier stationiert. Fast 20 Prozent der Fläche Okinawas<br />

werden als US-Militärbasen genutzt. In Kin Town befinden<br />

sich die frisch rekrutierten Marines, die hier ihre Laufbahn<br />

beginnen. Hailey aus Texas, die vor allem Militärfahrzeuge<br />

fährt, hat erst vor Kurzem ihren Highschool-Abschluss<br />

gemacht. Okinawa und Kin Town seien »alright«,<br />

aber hier in der Bar The Saloon kann sie eben so richtig<br />

abschalten und sich ein bisschen wie zu Hause fühlen.<br />

Durchschnittlich drei bis vier Jahre bleiben die meisten<br />

Army-Mitglieder in Okinawa, danach geht es für sie<br />

zu anderen Militärbasen. In der Bar wird mit Dollar bezahlt.<br />

Auch in der nächsten Bar und in der danach treffen<br />

wir ausschließlich Amerikaner, bis auf die Bedienungen.<br />

Diese begrüßen uns herzlichen mit perfektem amerikanischem<br />

Englisch und scheinen auf den ersten Blick kein<br />

Problem mit den jungen Amerikanern zu haben, die ihre<br />

Woche feuchtfröhlich ausklingen lassen. Und wie es so<br />

kommt, werde ich schließlich auf einen Schnaps eingeladen.<br />

Nicht irgendeinen, sondern Habushu – den okinawanischen<br />

Schlangenreiswein aus der Habu-Schlange.<br />

Sie füllt fast das ganze Glas aus, der Mund weit geöffnet.<br />

»Keine Sorge«, Nobuo beruhigt mich und grinst breit.<br />

»Der Alkohol des Sake hat das Gift aufgelöst.« Und zack,<br />

ist sein klarer Schnaps geleert. Brian, ein junger Marinesoldat<br />

neben ihm, tut es ihm gleich. Man ist nur einmal<br />

hier, sage ich mir, und ohne großes Nachdenken ist auch<br />

mein Habu-Sake heruntergeschluckt.<br />

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