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reisen EXCLUSIV Frühjahr 2024

“Das Weite suchen" Mittelmeer Hotels Asien Kreuzfahrt Skandinavien Istanbul und vieles mehr

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Wäre ich ein spöttischer Mensch, würde ich sagen Eine<br />

Reise nach Capri dürfte für Senioren über 0 Jahren das<br />

sein, was sportliche 30-Jährige sich von einem Trek ins<br />

Basislager des Mount Everest versprechen. Eine mentale<br />

und körperliche Herausforderung nämlich, die sich aber<br />

umso mehr auszahlt, wenn man die Mühsal eines solchen<br />

Trips erst einmal bewältigt hat. Natürlich übertreibe ich<br />

ein wenig, was Capri angeht, aber hey Das machen doch<br />

schließlich alle. Dafür, dass die Felseninsel aus Kalkstein<br />

an der Amalfiküste nur knapp 10, uadratkilometer<br />

groß ist, wird ganz schön Heckmeck um sie gemacht. Vor<br />

allem von allerlei Literaten und sonstigen Bewahrern der<br />

abendländischen Kultur. »Capri treibt geheimnisvoll auf<br />

den durchsichtigen Wassern«, raunte etwa Andre Gide,<br />

ein französischer Literaturnobelpreisträger. Der englische<br />

Romancier und später auch Maler D. H. Lawrence<br />

adelte Capri gleich zu »einem der schönsten Orte der<br />

Welt«. Da mochte Jahrzehnte später auch der deutsche<br />

Schlagersänger Rudi Schuricke nicht zurückstehen. Mit<br />

dem Hit »Capri Fischer« sicherte sich der Musikant aus<br />

Brandenburg an der Havel ab 194 ein solides Auskommen<br />

auf deutschen Tanzbühnen, unvergessen bis heute<br />

die berühmte Zeile »Wenn bei Capri die rote Sonne im<br />

Meer versinkt«. Refrain »Bella, bella, bella, Marie«<br />

Mein erster Eindruck von Capri allerdings ist nicht<br />

rot, sondern pink. Das schweinchenfarbene Cabrio-Taxi,<br />

das mich an der Marina Grande nach knapp einstündiger<br />

Fahrt mit der Fähre einlädt, wirkt auf gut gelaunte Weise<br />

so albern wie das Gefährt einer Horde Junggesellen auf<br />

der Hamburger Reeperbahn. Am Hafen selbst brodelt es.<br />

Überall Tagesgäste, die entweder ab<strong>reisen</strong>, ankommen<br />

oder nicht so genau zu wissen scheinen, in welche Richtung<br />

sie eigentlich wollen. Kunterbuntes Durcheinander<br />

wäre untertrieben. Capri mag ein besonders mondäner<br />

Ort sein und viele seiner Übernachtungsgäste überwiegend<br />

distinguiert, aber wir reden hier immer noch von<br />

Italien. Da gehört Chaos halt mit zum Straßenbild. Was<br />

bei der Fahrt vom Hafen hoch hinauf zu Capri-Stadt folgt,<br />

sind Nahtodmomente im 30-Sekunden-Rhythmus. So<br />

lange dauert es auf den engen Gassen, von einer schlecht<br />

einsehbaren Kurve zur anderen zu gelangen und dabei<br />

nicht mit dem Gegenverkehr zu kollidieren. Mein Taxi<br />

ist nicht nur pink und ohne Dach, sondern auch eigentümlich<br />

lang gezogen. Die bizarre Stretchlimo hat gleich<br />

zwei Rückbänke. So sehen Autos auf dem Festland nicht<br />

aus. Der Grund Auf der ,3 Kilometer langen und nur<br />

2, Kilometer breiten Insel werden Fiat Scudos oder Nissan<br />

Evalias in einer zweckdienlich umgebauten Variante<br />

genutzt. Es geht schließlich darum, die kuriosen Kisten<br />

möglichst effektiv zu besetzen. Autoverkehr ist auf Capri<br />

eine Disziplin für Lenkradkünstler mit Geduld. Kommt<br />

auf der Fahrt einer der kurios geschrumpften Inselbusse<br />

entgegen, ist Millimeterarbeit in Schrittgeschwindigkeit<br />

gefragt. Für Menschen, die zu Nervenzusammenbrüchen<br />

neigen, empfehle ich stattdessen die Fahrt mit der Funicolare.<br />

Das ist die Seilbahn auf Capri. Die verbindet den<br />

Hafen mit der Piazza Umberto I im Zentrum von Capri-<br />

Stadt. Die Option, die Strecke vom Hafen zur Stadt zu<br />

Fuß zu gehen, ist theoretisch zwar auch möglich. Wäre<br />

aber sehr verrückt, gleich aus zwei Gründen Zu steil. Zu<br />

eng. Sucht euch was aus.<br />

Der Eindruck, dass es sich bei Capri um eine sehr<br />

kleine, sehr enge und sehr steile Insel handelt, dürfte bereits<br />

vermittelt worden sein. Das hat zwei Effekte. Zum<br />

einen genießt man schon nach kurzer Fahrt grandiose<br />

Aussichten auf die abwechslungsreiche Amalfiküste. Zu<br />

den gängigen Capri-Motiven gehören ja bekanntlich die<br />

bunten, in Terrassen angelegten Häuser, die sehr eng an<br />

steilen Bergen kleben – aber eben auch diese Fotos vom<br />

tiefblauen Thyrrhenischen Meer in den Buchten Capris<br />

am felsigen Strand. Dass Capri auch die »blaue Insel« genannt<br />

wird, hängt also nicht nur mit der »Blauen Grotte«<br />

zusammen. Wobei die Grotte wohl die beliebteste Sehenswürdigkeit<br />

Capris sein dürfte.<br />

Kleiner historischer Einschub Der Dichter und Maler<br />

August Kopisch entdeckte die berühmte Höhle, die man<br />

nur schwimmend oder mit dem Boot erreichen kann, am<br />

1. August 12. Er notierte seine Begeisterung über die<br />

»himmelblaue Grotte« noch am selben Tag im Gästebuch<br />

seiner Pension, veröffentlichte eine Reportage darüber<br />

allerdings erst Jahre später. Fun Fact Die Höhle hieß bei<br />

den Einheimischen zuerst noch »Teufelshöhle«, bevor sie<br />

zur »Blauen Grotte« wurde. Warum das Ganz einfach<br />

– der römische Kaiser Tiberius soll zu seiner Zeit darin<br />

seine Sklavinnen eingekerkert haben. Jedenfalls löste Kopischs<br />

schwärmerische Reportage einen Touristenboom<br />

auf Capri aus. Alle wollten diesen Ort, der ȟber die Far-<br />

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