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2012-04

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Aus dem Siegerland<br />

Mitgliedschaften bei Borussia Salchendorf (wo er elf Jahre<br />

lang Vorsitzender war) und dem VfB Unterwilden immerhin<br />

zu zwei Drittel neutral ist. Roth wird zum Ende der Verhandlung<br />

noch eine nicht unwichtige Rolle spielen. Weitere<br />

Beisitzer sind Robert Korstian, Geschäftsführer beim SV<br />

Netphen, und Willi Alers, Chef des Lokalsports bei der<br />

Westfälischen Rundschau und ehemaliger Vorsitzender des<br />

SuS Niederschelden. Ganz ohne Frage sitzt auf der Richterseite<br />

ein im Siegerland hoch geachtetes Quartett.<br />

Gegenüber den Gewaltigen der Rechtsprechung haben<br />

im erst zwei Jahre zuvor eröffneten Weidenauer Kreisjugendheim<br />

die Vertreter der Vereine Platz genommen. Für<br />

des SV Anzhausen sind dies die Sportkameraden Walter<br />

Müller und Horst Kölsch, für Adler Burbach der Sportkamerad<br />

Rudolf Müller. Eine der beiden Hauptpersonen der<br />

fatalen Geschehnisse, Schiedsrichter Gladen aus Neunkirchen,<br />

ist ebenfalls anwesend. Über die zweite Schlüsselfigur<br />

wird noch zu reden sein. Dazu wollen neben einer<br />

starken Abordnung des Schiedsrichterausschusses viele<br />

weitere Zuschauer den Streitfall beobachten. Die Zeugen<br />

werden hinsichtlich ihrer Pflichten belehrt und müssen<br />

draußen bis zu ihrer Aussage warten, der Rest der Anwesenden<br />

setzt sich so bequem wie möglich, es wird länger<br />

dauern, so viel scheint gewiss.<br />

Zu Beginn der Verhandlung muss Vorsitzender Pheiffer<br />

leider feststellen, dass die Zahl der Spielabbrüche in<br />

den Kreisklassen erschreckend zugenommen hat. Es gab<br />

in einem Jahr so viele wie sonst kaum in zwei Jahren. Natürlich<br />

ist jeder Fall für sich zu betrachten und zu behandeln,<br />

er will nicht voreingenommen sein. Der anstehende<br />

Fall hat schon zu viel Staub aufgewirbelt. Und anders als<br />

bei üblichen Spielabbrüchen scheine es diesmal schon im<br />

Vorfeld nicht alltägliche Ereignisse gegeben zu haben. Wie<br />

denn der Tag bis zum Spielbeginn verlaufen sei, wäre daher<br />

zunächst zu klären.<br />

Schiedsrichter Gladen wird gefragt, seine Antworten<br />

kommen stockend, er fühlt sich sichtlich in seiner Haut<br />

nicht recht wohl. Am Spieltag hat er zunächst gefrühstückt,<br />

bis halb zehn etwa, daraufhin seine Tasche gepackt und sich<br />

anschließend von einem Bekannten zum Gasthof Kölsch<br />

nach Wilnsdorf fahren lassen. Dieser öffnet um zehn Uhr,<br />

früher kann er dort also nicht an der Theke gewesen sein.<br />

Ja, gewiss, er hat sich Bier bestellt, warum auch nicht? „Ich<br />

trinke jeden Tag Bier, das macht mir wirklich nichts aus“,<br />

notiert der Protokollführer dieAussage des Schiedsrichters.<br />

Nach 45 Minuten Aufenthalt im Gasthof Kölsch telefoniert<br />

er mit dem Vereinslokal Heupel in Anzhausen, bittet, dass<br />

man ihm jemand schicke, der ihn in Wilnsdorf abhole, da<br />

er keine Fahrtmöglichkeit habe. Sogleich findet sich ein<br />

Fahrer, schließlich kann das nur von Vorteil für das Spiel<br />

am Nachmittag sein, und wenn niemand fährt, lässt er sich<br />

am Ende noch von den Burbachern mitnehmen.<br />

Bevor der Fahrer eintrifft bezahlt Schiri Gladen seinen<br />

Deckel mit vier Strichen. Von diesen, so sagt er, seien<br />

aber die drei ersten für Malzbier gewesen. Der Chauffeur<br />

Foto: Archiv Ulli Weber<br />

Nach Möglichkeit immer auf Ballhöhe:<br />

Der Schiedsrichter<br />

muss warten, Gladen trinkt noch zwei weitere Glas Bier;<br />

man fährt los, um in Wilgersdorf auf Bitten des Schiedsrichters<br />

eine Rast einzulegen. Im Gasthof Brücher werden<br />

abermals zwei „Helle“ verkonsumiert, anschließend geht<br />

es nach Anzhausen, wo im Vereinslokal selbstredend Bier<br />

bestellt wird. Bis zum Spielbeginn sind es noch beinahe<br />

drei Stunden, es wird über die bevorstehende Begegnung<br />

gesprochen, dem Vernehmen nach gehören die Burbacher<br />

nicht zu seinen Freunden.<br />

Deren Torhüter Lothar Klaas hält sich an diesem Tag<br />

schon seit dem Vormittag in Anzhausen auf. Hier sind<br />

seine Schwiegereltern daheim und bei diesen ist er zum<br />

Essen eingeladen. Das macht man immer so, wenn dort<br />

ein Spiel ansteht. An diesem Mittag hört Klaas Überraschendes,<br />

als sein Schwager vom Frühschoppen aus dem<br />

Gasthaus Heupel kommt und erzählt, dass der Schiedsrichter<br />

des nachmittäglichen Spiels dort betrunken säße.<br />

Dieser hätte lautstark empfohlen, dass die Anzhausener<br />

Spieler ihn, Klaas, etwas reizen sollten. Wenn er, Klaas,<br />

dann entsprechend reagiere, dann habe er einen triftigen<br />

Grund für einen Platzverweis. Auf jeden Fall habe der<br />

Schiedsrichter es auf ihn abgesehen.<br />

Bis halb drei sitzt Sportkamerad Gladen im Vereinslokal,<br />

gegessen hat er seit dem Frühstück nichts mehr, wie viele<br />

Gläser Bier er insgesamt getrunken hat, weiß er auch nicht<br />

mehr, immerhin ist er bereit zuzugeben, dass es mindestens<br />

acht gewesen sein könnten. Die Herren der Rechtsprechung<br />

schauen sich an, schütteln die Köpfe und sind sichtlich aus<br />

der Fassung gebracht. Allerdings wird wohlwollen zur<br />

Kenntnis genommen und in den Protokollnotizen als Gedächtnisstütze<br />

aufgeschrieben, dass Gladen während der<br />

Verhandlung dunkles Bier bestellt und trinkt. !<br />

durchblick 4/<strong>2012</strong> 29

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