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2012-04

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Reisen<br />

Unsere Reisegruppe lauscht gespannt den Ausführungen<br />

unseres polnischen Reisleiters in Kolberg<br />

versteht man in der polnischen Touristik unter einem „Bauernabend“?<br />

Man karrt eine Gruppe deutscher Touristen<br />

viele Kilometer weit zu einem Restaurant, dass mit Strohballen<br />

„bäuerlich“ dekoriert ist, serviert einige polnische<br />

Spezialitäten (lecker!), die Getränke sind frei (haben wir<br />

natürlich mit dem Kauf unserer Karte bezahlt), ebenso das<br />

rituell ausgebaute Verkosten verschiedener Sorten Wodka.<br />

Am Eingang wird man von einem Herrn stämmiger Statur<br />

in Tracht, mit Ziehharmonika empfangen. Er wird uns vom<br />

Reiseleiter als echter Kaschube vorgestellt, der uns später<br />

auch mit einem kaschubischen Lied unterhalten wird.<br />

Na, dann schaun wir mal. Die Sprache war von einem (!)<br />

kaschubischen Lied, was aber sonst musikalisch losging,<br />

war reinste deutsche Bierzeltunterhaltung, inklusive preußischem<br />

Befehlston: „Jetzt alle mitsingen!“ Oh Gott! Meine<br />

Freundin lachte: „Du gehst wohl nie ins Zelt?“ Nee, nicht<br />

meine Welt. Was mach’ich nun? Ich sitze hier fest zwischen<br />

all den Leuten, die scheinbar ihren Spaß dabei haben, in<br />

Polen!!! Es hat aber nicht lange gedauert, nach dem dritten<br />

Autorenfoto<br />

Wodka konnte ich die Sache ganz locker<br />

nehmen und mich beim Spielen sogar<br />

einbringen. Dabei ging mir die Frage<br />

nicht aus dem Kopf: Was denken wohl<br />

die Polen über uns deutsche Touristen?<br />

Meine Frage hat unser polnischen<br />

Reiseleiter auf der Fahrt nach Kolberg<br />

so beantwortet:<br />

„Was hat für ausländische Touristen<br />

Priorität?<br />

• Für die Engländer ist es wichtig,<br />

dass sie ganz viel zu sehen bekommen.<br />

• Für die Franzosen ist es wichtig,<br />

dass sie sich gut amüsieren können.<br />

• Für die Japaner ist es wichtig,<br />

dass sie ganz viel fotografieren<br />

können.<br />

• Für die Deutschen ist es wichtig,<br />

dass das Preis-Leistungsverhältnis<br />

stimmt.“<br />

Auch die beiden Tanzabende wurden ganz dem vermeintlichen<br />

Musikgeschmack der deutschen „Ü-50-Jährigen“<br />

angepasst. Da musst du dann durch, „pauschal und<br />

‚all inclusive“‘ eben.<br />

Immerhin! Es war erstaunlich, wie beim Tanzen plötzlich<br />

die alten Paare wieder jung und flott wurden. Da war<br />

auch nichts „vergessen“! Sonst eher apathisch wirkende alte<br />

Herrschaften waren plötzlich „voll da“ und über 80-Jährige<br />

legten eine „flotte Sohle“ hin, unglaublich. Es hat<br />

mich insgesamt sehr beeindruckt, wie die alten Ehepaare<br />

ihre jeweiligen Einschränkungen miteinander bewältigten:<br />

Persönliche Defizite waren kein Thema im Urlaub, wichtig<br />

war nur, was noch ging.<br />

Die verbilligte Pauschalreise für Leute Ü-50 wird sicher<br />

nicht meine bevorzugte Art zu reisen, aber es war<br />

eine neue und gute Erfahrung, und ich muss sagen: Das<br />

Preis-Leistungsverhältnis hat bei dieser Reise durchaus<br />

gestimmt!<br />

Anne Alhäuser<br />

46 durchblick 4/<strong>2012</strong>

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