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2012-04

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Aus dem Siegerland<br />

STADTLUFT MACHT FREI<br />

Autorenfotos<br />

Die Vorteile des Landlebens lagen damals für uns klar auf der Hand und ein Häuschen auf dem Dorf war bezahlbar<br />

Wer kennt diesen Spruch nicht? Wir benutzen ihn<br />

häufig, um auf die Qualitäten des Stadtlebens<br />

aufmerksam zu machen. Leicht dahingesagt<br />

drückt er aus, dass man mit dem städtischen Leben übereinstimmt.<br />

Dass es sich bei diesem Satz um einen Rechtsgrundsatz<br />

des Mittelalters handelt, ist nur wenigen Leuten<br />

bekannt. Leibeigene flohen im Mittelalter in die Städte, um<br />

ihren Herrschaften zu entkommen, denn dort gelang es oft,<br />

in der Masse der Bevölkerung unterzutauchen. Gelang diese<br />

Flucht damals länger als ein Jahr und einen Tag, so war<br />

der Leibeigene frei. Seine Herrschaft konnte danach den<br />

Flüchtigen nicht mehr zurückfordern.<br />

Es nun gut drei Jahrzehnte her, da zogen wir, wie viele<br />

junge Leute, die damals Familien gründeten, aufs Land.<br />

Die Vorteile des Landlebens lagen damals für uns klar auf<br />

der Hand: Die Ausgaben für das Häuschen auf dem Dorf<br />

waren leichter zu stemmen als in der Stadt. Hinzu lockten<br />

das ruhige Landleben und die gute Luft. Die Kinder konnten<br />

im eigenen Garten aufwachsen, der Sandkasten und<br />

die Schaukel im Garten waren stets unter Aufsicht. Ein Supermarkt<br />

am Ortsrand war mit dem Auto leicht erreichbar.<br />

Kindergarten und Grundschule waren von überschaubarer<br />

Größe und versprachen eine heile Welt. Zum Sportverein,<br />

zum Freibad oder zur Musikschule war es nicht allzu weit.<br />

Kutschierten die Ehefrau oder die Nachbarin noch anfangs<br />

die Kinder zu solchen Orten, so konnten sie bald selbst mit<br />

dem Rad die dörflichen Entfernungen zurücklegen.<br />

Zur Dorfbevölkerung selbst hatte man eher ein distanziertes<br />

Verhältnis. Das lag sicher an beiden Seiten. Von<br />

denen, die schon immer im Dorf wohnten, wurde man als<br />

Eindringling oder Fremder betrachtet, denn man gehörte ja<br />

nicht dazu. Selbst waren wir auch nicht an Nähe interessiert,<br />

da Sitten und Bräuche des Landlebens nicht unbedingt<br />

städtischen Gepflogenheiten entsprachen. Ich denke dabei<br />

an das samstägliche Kehren der Straße oder das ebenfalls an<br />

diesem Tag übliche Ritual des Autowaschens. Sicher wurde<br />

in den Jahren nachgefragt, ob nicht die Mitgliedschaft<br />

im Sport- oder Gesangverein erwünscht sei, doch da wiegelte<br />

man ab. Kulturellem Leben gingen wir in der nahen<br />

Stadt nach. So ein paar Kilometer oder Minuten waren kein<br />

Thema. Kein Thema war auch, dass die örtliche Kneipe<br />

ein Tabu war. So lebten Dörfler und Zugezogene nebeneinander<br />

her. Der freundliche Gruß auf der Straße drückte<br />

gegenseitige Akzeptanz aus, ohne dass daraus eine Nähe<br />

oder Verpflichtung entstand.<br />

42 durchblick 4/<strong>2012</strong>

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