2012-04
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Literatur<br />
GEDANKEN ZU HERMANN HESSE<br />
Solange Menschen ihre Gedanken in schriftlicher Form<br />
niedergelegt haben, haben sie sich mit dem Fehlerteufel<br />
in mannigfaltiger Form herumschlagen müssen.<br />
Von Anfang an müssen sie nach festgelegten Regeln formuliert<br />
haben, es müssen von Anfang an gewisse Gesetzmäßigkeiten<br />
vorgelegen haben, weil sonst eine Verständigung gar<br />
nicht möglich gewesen wäre. Und darum geht es, dass die<br />
Einhaltung dieser Regeln zwingend notwendig ist, gleichgültig,<br />
ob es die Interpunktion, die Orthographie oder die<br />
Syntax betrifft, deren Kenntnis man bei einem Poeten deutscher<br />
Sprache voraussetzen muss. Was ihn aber zum Künstler<br />
macht, sind die Ausdrucksfähigkeit, die Eleganz und die<br />
Tiefe der Gedanken. Sie sind die eigentlichen schöpferischen<br />
Elemente, die eine Sprache zum Kunstwerk erheben, denn<br />
dabei geht es immer nur um das Wie, nicht um das Was. Das<br />
macht die deutsche Sprache so schwierig für einen, der sie<br />
lernt, aber das macht auch ihre Schönheit aus. Und wer sich<br />
mit literarischen Texten beschäftigt, stellt schnell fest, ob er<br />
es mit einem Meister zu tun hat oder einem Autoren, der<br />
sich an Klischees, an längst Abgedroschenes hält und damit<br />
zu erkennen gibt, dass er nicht fähig ist, über das Epigonale<br />
hinauszuwachsen und zum Schöpfer zu werden, auch wenn<br />
er die Grammatik einwandfrei beherrscht. Andererseits wird<br />
man einem echten Könner Grammatikfehler nachsehen, die<br />
man uns Dilettanten nicht verzeiht. Schiller und Goethe, hört<br />
man immer wieder, hätten ihre eigene Grammatik gehabt.<br />
Aber wer will sich mit ihnen vergleichen, auch wenn sich<br />
heute niemand mehr nach dem Lesen von Werthers Leiden<br />
umbringen wird. Sie verstanden es, manchmal nur durch ein<br />
Wort ihren Text so zu verdichten, dass er zum Kunstwerk<br />
wurde.<br />
In einem kürzlich in Siegen von einem Hochschul-Literaten<br />
gehaltenen Seminar über Hermann Hesse wurde sein<br />
Loblied gesungen, seine Lebenszeit seziert und das Leben<br />
eines Literaten beschrieben, der sich seinen Beruf als Bestimmung<br />
ausgesucht hatte, nachdem er in verschiedenen Ansätzen<br />
bürgerlicher Existenz gescheitert war. Unbeirrt aber war er<br />
seinen Weg weitergegangen, bis er der gefeierte Autor seiner<br />
Werke war, die bis weit ins Ausland – und hier vor allem im<br />
amerikanischen und chinesischem Raum – wirkten.<br />
Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre waren seine Bücher<br />
fast zu Kultbüchern geworden, und auch ich habe sie als junger<br />
Mann bei meinen Umzügen mit mir getragen, und den<br />
„Knulp“ habe ich geliebt.<br />
Aber die Zeit hinterlässt ihre Spuren. Und so muss man<br />
nicht glauben, mit hoher Kunst bedient zu werden, nur weil<br />
der Autor einen berühmten Namen trägt. Man soll sich nicht<br />
täuschen und genau hinsehen, ob er noch die Stimmung der<br />
modernen Welt mit sich trägt.<br />
Der Name Hesse erschien in der letzten Zeit häufiger<br />
in der Öffentlichkeit, und vielleicht zeichnet sich so etwas<br />
wie eine Renaissance seiner Werke ab, der man durchaus<br />
in vielen Teilen folgen kann, weil in manchen Bereichen<br />
seine künstlerischen Qualitäten nicht zu übersehen sind, so<br />
dass Thomas Mann von in ihrer Reinheit und Interessantheit<br />
durchaus einzigartigen Dichtung spricht, ein Hessebiograph<br />
von schlackenreiner und einzigartiger Romandichtung.<br />
Was sein lyrisches Werk betrifft, muss man sehen, dass es<br />
nur als epigonal und sentimental behaucht angesehen werden<br />
kann. Im Gegensatz zu ihm selbst hat die Kritik seine Lyrik<br />
als peripher bezeichnet. Deschner bezeichnet sie als Herz- und<br />
Schmerz-Lyrik, nicht wert, gedruckt zu werden. Und wenn<br />
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52 durchblick 4/<strong>2012</strong>