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2012-04

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ausgeschlagene Schneidezähne. Der Volkszorn ist<br />

beträchtlich, die drei durch hastig übergestreifte<br />

weiße Binden kenntlich gemachten Platzordner<br />

und die einheimischen Spieler haben alle Mühe die<br />

Eindringlinge von der Sportstätte zu weisen, nach<br />

einigen Minuten ist das Werk jedoch vollbracht.<br />

Walter Müller, langjährige Torhüterlegende des<br />

SVAnzhausen, geht zu Klaas und bittet ihn in kollegialer<br />

Freundschaft, doch zuzugeben, dass der Ball<br />

im Tor gewesen sei. Er sähe doch wohl nun, was<br />

für Folgen seine unsportliche Aktion gehabt habe.<br />

Klaas aber mag jetzt nicht mehr. Immerhin gab es<br />

vor dem Spiel die Nachricht von dem geplanten<br />

Platzverweis für ihn, nun auch noch die durch<br />

Anzhausener Zuschauer ausgelöste Schlägerei,<br />

nein, er gibt nicht zu, dass es ein Tor war.<br />

Zur Spruchkammerverhandlung ist Lothar Klaas nicht<br />

gekommen. Seine Firma hat ihm auf seinen Wunsch hin<br />

eine Bescheinigung ausgestellt, dass er unabkömmlich sei<br />

wegen dringend zu erledigender Aufträge. „Ich wollte die<br />

Emotionen nicht noch mehr anheizen“, sagt er im Nachhinein.<br />

Er hat in Anzhausen einige Verwandte und eine Menge<br />

Bekannte und viele sprechen seit jenem Tag nicht mehr<br />

mit ihm, ignorieren ihn völlig. Sein Schwiegervater, vor<br />

dem ersten Weltkrieg einer der Gründer des SVAnzhausen,<br />

hat danach das Sportplatzgelände nie mehr betreten.<br />

Auf dem Platz befinden sich nur noch die Akteure, die<br />

auch dorthin gehören. Eigentlich könnte es weitergehen,<br />

aber Schiedsrichter Gladen, der nicht angegriffen wurde,<br />

ruft die Spielführer der beiden Mannschaften zu sich und<br />

erklärt, dass er die Partie auf der Stelle abbreche.<br />

Die Herren der Rechtsprechung wissen nun alles. Bevor<br />

sie sich zur Urteilsfindung zurückziehen, unterhalten sie<br />

sich leise am Richtertisch über eventuell noch zu erörternde<br />

Unklarheiten. Beisitzer Roth erhebt sich derweil und sucht<br />

die Toilette auf. Es gab Anwesende, die hinterher beschwören<br />

wollten, dass genau zu diesem Zeitpunkt auch zwei Mitglieder<br />

des Schiedsrichterausschusses in Richtung Toilette<br />

gegangen seien. Eine große Beachtung findet dies nicht.<br />

Schließlich hatte die Verhandlung schon mehr als drei Stunden<br />

gedauert, alle Zeugen waren zu Wort gekommen und<br />

alle Fakten lagen auf dem Tisch.<br />

Doch die Sensation sollte noch kommen!<br />

Beisitzer Roth hat nach seiner Rückkehr noch eine Frage<br />

an seinen Vereinskameraden Gladen. Ob denn der Freistoß,<br />

der dem nicht gegebenen Tor vorausging, wirklich ein<br />

direkter oder nicht vielleicht ein indirekter Freistoß gewesen<br />

sei. Der Angesprochene wirkt verblüfft, erkennt dann<br />

aber nach der ersten Überraschung doch noch blitzschnell<br />

seine Chance: „Für mich war das kein direkter Freistoß.“ Ja,<br />

dann hätte es doch überhaupt keine Rolle gespielt, ob der<br />

Ball nun ins Tor oder ans Außennetz gegangen sei, da ein<br />

indirekter Freistoß, wenn er direkt verwandelt wird, einen<br />

Torabstoß als Spielfortsetzung zur Folge hat. Gladen nickt<br />

heftig mit dem Kopf und wiederholt: „Für mich war das<br />

kein direkter Freistoß.“<br />

Alle gegenteiligen Beteuerungen nützen nun nichts<br />

mehr. Der Schiedsrichter war zwar mehr oder weniger<br />

Foto: Archiv Ulli Weber<br />

Der VfB Burbach anno 1955; 2. von links: Lothar Klaas.<br />

stark betrunken, aber seine Entscheidung war die einzig<br />

richtige. Warum er nicht gleich zu Beginn diesen Sachverhalt<br />

klargestellt hat und damit allen Beteiligten wenigstens<br />

zweieinhalb Stunden an Verhandlungsdauer ersparte, fragt<br />

den Schiedsrichter niemand. Kein Einziger aus der Kammer<br />

erkundigt sich, ob er, wie es die Regel bei einem indirekten<br />

Freistoß vorsieht, den Arm über den Kopf gehoben<br />

habe. Natürlich will nun keiner mehr wissen, warum er für<br />

ein grobes Foul einen indirekten Freistoß gab. Es interessiert<br />

auch niemanden mehr, warum er bei einem indirekten<br />

Freistoß einen direkt verwandelten Ball als Tor anerkannte.<br />

Dank der glücklichen Wendung benötigt die Spruchkammer<br />

nun nur noch eine ganz kurze Beratung für ein gerechtes<br />

Urteil. Der Verein Adler Burbach kommt dabei am<br />

Besten weg und erhält die beiden Punkte. Ihrem Torhüter<br />

Klaas darf nun niemand mehr ein unsportliches Verhalten<br />

nachsagen. Er hat dadurch, dass er sich den Ball in der betreffenden<br />

Szene zum Abstoß parat legte, sogar sportliches<br />

Unrecht verhindert. Die Anzhausener erhalten wegen ihrer<br />

unbeherrschten Zuschauer eine vierwöchige Platzsperre.<br />

Das tut ihnen trotz einer misslichen Tabellenlage nicht sehr<br />

weh, denn wegen der Einführung einer dritten Staffel der<br />

1. Kreisklasse ist für das laufende Spieljahr der Abstieg<br />

ausgesetzt. Dass Schiri Gladen mit einem strengen Verweis<br />

für seinen Bierkonsum das Sitzungszimmer verlassen darf,<br />

tut auch ihm nicht weh. Er darf am nächsten Sonntag wieder<br />

mit der Trillerpfeife seine Pflicht erfüllen. Ulli Weber<br />

Rechtsanwaltskanzlei<br />

Dr. Buß & Coll.<br />

Dr. jur. Annette Buß<br />

Tätigkeitsschwerpunkt<br />

- Erbrecht<br />

- Familienrecht<br />

- Erstellung von<br />

Patientenverfügungen<br />

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durchblick 4/<strong>2012</strong> 31

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