2012-04
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Mensch kontra Natur?<br />
Um den für uns Menschen unauflöslichen Widerspruch<br />
zwischen einem gütigen Schöpfergott und dem grausamen<br />
Überlebenskampf in einer von ihm erschaffenen Welt, habe<br />
ich bewusst - in einer etwas längere Passage - die ausdrucksstarke<br />
und empfindsame Sprache dieses hochsensiblen Dichters<br />
gewählt. Ich denke, Reinhold Schneider hat mit Bedacht<br />
einige Beispiele aus der Welt der Insekten gewählt, um deutlich<br />
zu machen, dass alles Leben auf dieser Erde, ob im Wasser,<br />
zu Lande oder in der Luft, und sei es auch noch winzig<br />
klein, ein einziges, sich zerfleischendes Elend ist. Und in<br />
diesem grausamen Spiel der Lebensvernichtung hat der<br />
Mensch, mit Blick auf die weltweite Massentierhaltung und<br />
die Zerstörung von Lebensräumen anderer „Mitgeschöpfe“,<br />
inzwischen eine Spitzenposition erreicht. Ganz zu schweigen<br />
vom Ideenreichtum bei der Herstellung von Massenvernichtungswaffen,<br />
die alles Leben auf der Erde mit einem Schlag<br />
auslöschen können. Aber das Wesen des Menschen ist bekanntlich<br />
ambivalent, denn in all dem Lebenskampf, dem Inferno<br />
von „Leben zerstört Leben um zu leben“ in dem er sich<br />
befindet, erkennt er auch seine rätselhafte Existenz. Als ein<br />
für mich zutiefst sozial-religiöses Wesen ist er ausgestattet<br />
mit Sprache, Verstand und Vernunft. Die Sprache dient der<br />
Verständigung untereinander, mit seinem Verstand versucht<br />
er die Welt in all ihrer Komplexität zu erkennen, zu verstehen<br />
und sein von Angst durchtränktes Dasein zu sichern. Auf der<br />
Ebene der Vernunft aber sucht er nach dem Sinn des Lebens<br />
und stellt sich Fragen nach dem Woher und Wohin? Dabei<br />
trägt er die Sehnsucht nach Frieden, Liebe, Gerechtigkeit tief<br />
in seinem Herzen. Hohe ethische und moralischeWerte seiner<br />
Menschlichkeit, die er in der Natur, die ihm in ihrer „majestätischen<br />
Gleichgültigkeit“ gegenüber steht, nicht finden kann.<br />
Liegt in dieser Sehnsucht nach Geborgenheit und der Suche<br />
nach einem angstfreien Vertrauen, nicht der Schlüssel zur<br />
Religiosität des Menschen? Zeigt sich nicht an dieser evolutiv<br />
gewachsenen Schnittstelle zwischen Mensch und Natur,<br />
hier der Homo-sapiens-sapiens und seine hochentwickelte(n)<br />
Kultur(en), darunter die Fähigkeit zur Transzendenz, dort die<br />
Natur mit ihren kalten und gefühllosen Naturgesetzen, dass<br />
der Mensch in seinem tiefsten Wesen eine andere Bestimmung,<br />
eine andere Heimat hat, als die Natur, aus der er ohne<br />
Zweifel hervorgegangen ist? Außerdem, betrachtet man<br />
einmal die Milliarden Jahre Entwicklungszeit des Werdens<br />
unseres Planeten und projiziert die bis heute durchlaufende<br />
Weltzeitstrecke auf ein Jahr (Januar bis Dezember), dann ist<br />
das erste Leben auf der Erde im Mai aufgetaucht, die höheren<br />
pflanzlichen und<br />
tierischen Wesen haben<br />
sich in den folgenden<br />
Monaten entwickelt,<br />
der Mensch aber ist<br />
erst am 31.Dezember<br />
etwa nachmittags vier<br />
Uhr auf den Plan getreten.<br />
Wenn dem so ist, ist<br />
der Mensch die jüngste<br />
Nicht der Beweis<br />
sondern die Über<br />
ist heute die Positi<br />
des modernen<br />
um zum einen, die<br />
zum anderen, mora<br />
animalische Gattung<br />
auf unserem Planeten<br />
und, so wäre zu fragen,<br />
lässt sich daraus nicht<br />
die kosmo- und biohistorischeAnalogie ableiten, dass er sich<br />
im „nächsten Jahr“, sprich in den nächsten paar hunderttausend<br />
Jahren noch weiterentwickeln wird? Immerhin hat der<br />
Prozess der Vermenschlichung unserer Spezies aus dem Tierreich<br />
heraus bis heute (erst!) zwei bis vier Millionen Jahre<br />
gedauert. Oder sollte, so eine berechtigte Befürchtung, dem<br />
Wesen Mensch das gleiche Schicksal ereilen, wie vielen anderen<br />
Lebewesen, die nach Jahrtausenden ihrer Entstehung<br />
wieder von der Bildfläche verschwunden sind? Aber gegenüber<br />
allen anderen Lebewesen auf dieser Erde, die je gelebt<br />
haben und heute noch leben, sozusagen also einzigartig, hat<br />
der Mensch noch die schreckliche Option der totalen Selbstvernichtung<br />
mit seinen eigenen Waffen. Dabei stellt sich mir<br />
die Frage, ob die Natur im Eintrittsfall noch einmal einen<br />
Neuanfang wagt und das Experiment unternimmt, intelligente<br />
Lebensformen auf diesem Planeten hervorzubringen, die<br />
weniger gewalttätig sind, weil aus den Pflanzenfressern hervorgegangen?<br />
Genügend kosmo-biologische Zeit hätte sie.<br />
Wo aber bleibt bei alldem das jüdisch-christliche Weltbild<br />
von einem gütigen Schöpfergott, der den Menschen nach<br />
seinem Ebenbild geschaffen hat? „Der Gottesbegriff der<br />
Metaphysiker konfrontiert mit dem Weltbild der Physiker,<br />
erschafft einen bizarr anmutenden Kontrast.An diesem Kontrast<br />
aber zerbricht, wie wir sehen, mittlerweile der Glaube<br />
einer Generation von Gläubigen nach der anderen.“ 2) Und<br />
58 durchblick 4/<strong>2012</strong>