11.04.2024 Aufrufe

2012-04

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mensch kontra Natur?<br />

Um den für uns Menschen unauflöslichen Widerspruch<br />

zwischen einem gütigen Schöpfergott und dem grausamen<br />

Überlebenskampf in einer von ihm erschaffenen Welt, habe<br />

ich bewusst - in einer etwas längere Passage - die ausdrucksstarke<br />

und empfindsame Sprache dieses hochsensiblen Dichters<br />

gewählt. Ich denke, Reinhold Schneider hat mit Bedacht<br />

einige Beispiele aus der Welt der Insekten gewählt, um deutlich<br />

zu machen, dass alles Leben auf dieser Erde, ob im Wasser,<br />

zu Lande oder in der Luft, und sei es auch noch winzig<br />

klein, ein einziges, sich zerfleischendes Elend ist. Und in<br />

diesem grausamen Spiel der Lebensvernichtung hat der<br />

Mensch, mit Blick auf die weltweite Massentierhaltung und<br />

die Zerstörung von Lebensräumen anderer „Mitgeschöpfe“,<br />

inzwischen eine Spitzenposition erreicht. Ganz zu schweigen<br />

vom Ideenreichtum bei der Herstellung von Massenvernichtungswaffen,<br />

die alles Leben auf der Erde mit einem Schlag<br />

auslöschen können. Aber das Wesen des Menschen ist bekanntlich<br />

ambivalent, denn in all dem Lebenskampf, dem Inferno<br />

von „Leben zerstört Leben um zu leben“ in dem er sich<br />

befindet, erkennt er auch seine rätselhafte Existenz. Als ein<br />

für mich zutiefst sozial-religiöses Wesen ist er ausgestattet<br />

mit Sprache, Verstand und Vernunft. Die Sprache dient der<br />

Verständigung untereinander, mit seinem Verstand versucht<br />

er die Welt in all ihrer Komplexität zu erkennen, zu verstehen<br />

und sein von Angst durchtränktes Dasein zu sichern. Auf der<br />

Ebene der Vernunft aber sucht er nach dem Sinn des Lebens<br />

und stellt sich Fragen nach dem Woher und Wohin? Dabei<br />

trägt er die Sehnsucht nach Frieden, Liebe, Gerechtigkeit tief<br />

in seinem Herzen. Hohe ethische und moralischeWerte seiner<br />

Menschlichkeit, die er in der Natur, die ihm in ihrer „majestätischen<br />

Gleichgültigkeit“ gegenüber steht, nicht finden kann.<br />

Liegt in dieser Sehnsucht nach Geborgenheit und der Suche<br />

nach einem angstfreien Vertrauen, nicht der Schlüssel zur<br />

Religiosität des Menschen? Zeigt sich nicht an dieser evolutiv<br />

gewachsenen Schnittstelle zwischen Mensch und Natur,<br />

hier der Homo-sapiens-sapiens und seine hochentwickelte(n)<br />

Kultur(en), darunter die Fähigkeit zur Transzendenz, dort die<br />

Natur mit ihren kalten und gefühllosen Naturgesetzen, dass<br />

der Mensch in seinem tiefsten Wesen eine andere Bestimmung,<br />

eine andere Heimat hat, als die Natur, aus der er ohne<br />

Zweifel hervorgegangen ist? Außerdem, betrachtet man<br />

einmal die Milliarden Jahre Entwicklungszeit des Werdens<br />

unseres Planeten und projiziert die bis heute durchlaufende<br />

Weltzeitstrecke auf ein Jahr (Januar bis Dezember), dann ist<br />

das erste Leben auf der Erde im Mai aufgetaucht, die höheren<br />

pflanzlichen und<br />

tierischen Wesen haben<br />

sich in den folgenden<br />

Monaten entwickelt,<br />

der Mensch aber ist<br />

erst am 31.Dezember<br />

etwa nachmittags vier<br />

Uhr auf den Plan getreten.<br />

Wenn dem so ist, ist<br />

der Mensch die jüngste<br />

Nicht der Beweis<br />

sondern die Über<br />

ist heute die Positi<br />

des modernen<br />

um zum einen, die<br />

zum anderen, mora<br />

animalische Gattung<br />

auf unserem Planeten<br />

und, so wäre zu fragen,<br />

lässt sich daraus nicht<br />

die kosmo- und biohistorischeAnalogie ableiten, dass er sich<br />

im „nächsten Jahr“, sprich in den nächsten paar hunderttausend<br />

Jahren noch weiterentwickeln wird? Immerhin hat der<br />

Prozess der Vermenschlichung unserer Spezies aus dem Tierreich<br />

heraus bis heute (erst!) zwei bis vier Millionen Jahre<br />

gedauert. Oder sollte, so eine berechtigte Befürchtung, dem<br />

Wesen Mensch das gleiche Schicksal ereilen, wie vielen anderen<br />

Lebewesen, die nach Jahrtausenden ihrer Entstehung<br />

wieder von der Bildfläche verschwunden sind? Aber gegenüber<br />

allen anderen Lebewesen auf dieser Erde, die je gelebt<br />

haben und heute noch leben, sozusagen also einzigartig, hat<br />

der Mensch noch die schreckliche Option der totalen Selbstvernichtung<br />

mit seinen eigenen Waffen. Dabei stellt sich mir<br />

die Frage, ob die Natur im Eintrittsfall noch einmal einen<br />

Neuanfang wagt und das Experiment unternimmt, intelligente<br />

Lebensformen auf diesem Planeten hervorzubringen, die<br />

weniger gewalttätig sind, weil aus den Pflanzenfressern hervorgegangen?<br />

Genügend kosmo-biologische Zeit hätte sie.<br />

Wo aber bleibt bei alldem das jüdisch-christliche Weltbild<br />

von einem gütigen Schöpfergott, der den Menschen nach<br />

seinem Ebenbild geschaffen hat? „Der Gottesbegriff der<br />

Metaphysiker konfrontiert mit dem Weltbild der Physiker,<br />

erschafft einen bizarr anmutenden Kontrast.An diesem Kontrast<br />

aber zerbricht, wie wir sehen, mittlerweile der Glaube<br />

einer Generation von Gläubigen nach der anderen.“ 2) Und<br />

58 durchblick 4/<strong>2012</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!