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2012-04

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UND COFFEE TO GO<br />

Foto: wikipedia.de<br />

Das Café Hawelka (Bild oben) in Wien ist immer noch<br />

das Kaffeehaus schlechthin: Ein Platz zum Wohlfühlen,<br />

zumAlleinsein, um gemütlich die Zeitungen<br />

der Welt durchzuschauen. Oder: Ein Treffpunkt zum Diskutieren<br />

oder zum Flirten und zum Klatschen. Natürlich werden<br />

hier auch Geschäfte angebahnt. Der Ober, Herr Eduard<br />

– oder sein Nachfolger- kennt die Wünsche seiner Gäste und<br />

stellt neben den kleinen Braunen (ein schwarzer Kaffee mit<br />

einem Schuss Milch) immer wieder ein Glas Wasser. Die<br />

Ober servieren den Kaffee noch immer auf einem Silbertablett,<br />

tragen einen schwarzenAnzug, ein weißes Hemd und<br />

ein „Mascherl“ also eine Fliege. Gern ließ man sich in der<br />

noch handylosen Zeit im Kaffeehaus an- und durch den Ober<br />

ausrufen. Der Hausherr und „Erfinder“ Leopold Hawelka ist<br />

im Dezember 2011 fast hundertjährig verstorben und seiner<br />

Frau Josefa gefolgt. Sie war jahrzehntelang der gute oder<br />

auch mal resolute Geist des Kaffees und servierte ihren Gästen<br />

gegen Mitternacht frisch gemachte, köstliche Buchteln.<br />

Jahrzehntelang war das kleine Café in der Dorotheergasse ein<br />

Treffpunkt für Künstler, Literaten, Studenten und Lebenskünstler<br />

aller Art. Heute ist „das Hawelka“ kein Geheimtipp<br />

mehr, es wird auch viel von Touristen besucht, die an den<br />

Wänden die einzigartige Bildersammlung der Hawelkas bewundern.<br />

Denn in den 60-iger und 70-iger Jahren konnte<br />

Auch heute sind Cafés immer noch beliebter Treffpunkt für Jung und Alt<br />

manch noch unentdeckter Maler hier mit seinen Bildern bezahlen.<br />

Die Enkel führen heute die „Institution Hawelka“ in<br />

der Tradition der Familie weiter. Man spürt immer noch den<br />

künstlerischen, inspirierenden und literarischen Geist.<br />

Unvergessen sind die Anekdoten über das Wiener Kaffeehaus<br />

von Friedrich Torberg in seiner Geschichtensammlung<br />

„Die Tante Jolesch“ (1975). Er erzählt von Originalen<br />

und Querulanten, zerstreuten Professoren undAdabeis (den<br />

Neugierigen in der zweiten Reihe). Von Tarock-Spielern<br />

im Hinterzimmer und Kiebitzen, die hinter den Spielern<br />

stehen, ihnen in die Karten schauen und das Spiel kommentieren.<br />

Von ewig klammen Dichtern wie Peter Altenberg<br />

und seinen amourösen Abenteuern, der immer nur die ganz<br />

jungen Mädchen verführte. So wundert es nicht, dass die<br />

alten Wiener Kaffeehäuser seit 2011 von der Unesco als<br />

„immaterielles Kulturerbe“ anerkannt wurden. In Wien gibt<br />

es noch immer zahlreiche Cafés mit dem typischen Flair:<br />

ein eher plüschiger, manchmal abgenutzter Charakter mit<br />

Logen, Marmortischen und Bugholzstühlen und mit den<br />

Ständern, wo die „eingespannten“ Tageszeitungen auf die<br />

Leser warten. Und bis heute haben verschiedene Berufsgruppen<br />

ihr Stammcafé: Techniker, Politiker, Rechtsanwälte,<br />

Mediziner, Studenten, Schauspieler und und und...<br />

Auch in Siegen gab es in den 50-iger und 60-iger Jahren<br />

einen Hotspot: das Café Ehlen am Bahnhof,<br />

eine Milchbar und Café. Die Schüler und Lehrlinge<br />

konnten sich hier schick im Anzug mit<br />

Krawatte und Pomade im Haar, die Mädchen<br />

in Stöckelschuhen, Kleid mit Petticoat, mit<br />

Lidstrich, Lippenstift und Nagellack zurechtgemacht<br />

am Wochenende zum Rendezvous<br />

treffen. Später am Tag war oft das Handwerkerhaus<br />

das Ziel, wo sie sich zu amerikanischer<br />

Musik bei Boogie Woogie und Rock´n<br />

Roll austoben konnten. Christiane Luke fängt<br />

in ihrem Artikel „Café Ehlen am Siegener<br />

Bahnhof – Die erste Milchbar in Siegen“<br />

diesen Aufbruchsgeist der Jugend wunderbar<br />

ein. Das Lieblingsgetränk war seinerzeit wohl<br />

eher ein Milchshake als ein Kaffee.<br />

34 durchblick 4/<strong>2012</strong><br />

Foto: Hartmut Reeh

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