2012-04
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Unterhaltung<br />
DIE SCHLAUE MAUS<br />
Vor einigen Wochen las ich nachts im Wohnzimmer<br />
die Zeitung, weil ich nicht schlafen konnte. Aus den<br />
Augenwinkeln heraus bemerkte ich einen Schatten,<br />
der aber immer wieder verschwand.<br />
Das irritierte mich sehr, und ich dachte<br />
schon, dass etwas mit meinen Augen<br />
nicht in Ordnung sei. Der Schatten kam<br />
wieder, und dann sah ich sie – die Maus.<br />
Wir blickten uns an, ich stand auf, und<br />
sie huschte in ein anderes Zimmer, wo<br />
sie hinter einem Bilderrahmen, den ich<br />
auf dem Boden abgestellt hatte, verschwand.<br />
Ich hob den Rahmen hoch,<br />
die Maus rannte weiter und verschwand<br />
dann hinter den Spielzeugkisten meiner<br />
Enkel. Die weitere Suche blieb erfolglos.<br />
Tagsüber war nichts zu sehen, und<br />
ich überlegte, wie sie wohl in unsere<br />
Wohnung gekommen sein könnte, die<br />
immerhin im ersten Stock liegt. Ich erzählte<br />
es meinem Mann, der mir ungläubig<br />
zuhörte und wohl dachte: Mein Gott, jetzt sieht sie auch<br />
schon Mäuse. Nur, die Maus war nicht weiß, sondern braun<br />
und hatte niedliche Öhrchen.<br />
Am nächstenAbend war ich allein im Wohnzimmer und der<br />
süße Nager traute sich bis vor die Couch, auf der ich gemütlich<br />
einen Krimi schaute. Neugierig sah sie mich an. Erst als ich mich<br />
bewegte, ergriff sie die Flucht! Dann machte ich mir in meiner<br />
unendlichen Tierliebe Gedanken, ob sie vielleicht Hunger und<br />
Durst haben könnte. Sie sollte ja nicht elendig verenden und gar<br />
hinter einem Schrank oder in irgendeiner Ecke liegen bleiben,<br />
das arme Tier! So stellte ich ihr Haferflocken und Wasser hin.<br />
Morgens konnte ich dann immer sehen, dass sie noch lebte, weil<br />
Futter und Wasser stets verputzt worden waren. Irgendwie war<br />
es mir schon ans Herz gewachsen, das Mäuschen, und ich hatte<br />
ihm sogar schon einen Namen gegeben, „Minchen“.<br />
An einem Morgen hörte ich in der Frühe Schabegeräusche<br />
aus einer Nische, in der ich Styroporplatten und<br />
Bilderrahmen abgestellt hatte. Minchen war sehr fleißig gewesen,<br />
ich musste unendlich viele Styroporkügelchen<br />
entfernen.Am nächsten Tag hatte<br />
sie wohl mehr Appetit auf Spülschwämme!<br />
Reste davon fand ich noch im Spülschrank.<br />
Zwischendurch sah ich sie in der Küche. Im<br />
Schubkasten unter dem Herd hatte sie es<br />
sich mit Fetzen von Küchenrollen gemütlich<br />
gemacht. Unter dem Backofen kann es ganz<br />
schön heiß werden. Das hätte Minchen nicht<br />
aushalten können, sorgte ich mich.Aber wie<br />
erzieht man eine Maus? Ich versuchte es mit<br />
einer Mausefalle, einer Lebendfalle natürlich,<br />
die nur zuschnappt und die Tiere dabei<br />
nicht verletzt. Minchen wollte ich dann sanft<br />
auf der Wiese vor unserem Haus aussetzen.<br />
Autorenfoto<br />
Es war schon Frühling, und sie würde nicht<br />
frieren, beruhigte ich mich. Auch an Futter<br />
würde es ihr nicht mangeln, weil die Nachbarn<br />
von ihren Balkonen genügend Brot den Enten hinaus<br />
warfen. Ich stellte also die Falle in der Wohnung auf und wartete<br />
ab... Es war meinem Minchen immer wieder gelungen,<br />
die Köder zu fressen, ohne dass die Falle zuschnappte! Was<br />
immer ich auch hinein legte, Wurstreste, Speckstücke, Käse<br />
oder auch Schokolade, die Falle schnappte nicht zu.<br />
Und dann war Minchen ganz plötzlich verschwunden, ich<br />
sah und hörte nichts mehr von ihr. Meine Suche blieb ergebnislos!<br />
Viel später fiel mir auf, dass ein durch die Besenkammer<br />
verlaufendes Wasserrohr nicht richtig abgedichtet war.<br />
Durch dieses Loch wird die Maus wohl den Weg zu unserer<br />
Wohnung gefunden haben.<br />
Einige Wochen später habe ich sie noch einmal gesehen,<br />
sie huschte über die Wiese hinter dem Haus – wenn es denn<br />
mein Minchen gewesen sein sollte. Brigitte Lanko<br />
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durchblick 4/<strong>2012</strong> 47