Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
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2. Die gesetzlichen Regelungen zu Sanktionen …<br />
wurde, hat die Bundesagentur für Arbeit die Anweisung<br />
heraus gegeben, zuerst die Sanktion zu<br />
verhängen und erst danach den ersetzenden<br />
Verwaltungsakt vorzunehmen. 27<br />
Pflichtverletzungen aus „wichtigem Grund“<br />
dürfen <strong>nicht</strong> sanktioniert werden …<br />
Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II werden<br />
Pflichtverletzungen dann <strong>nicht</strong> sanktioniert,<br />
wenn Alg-II-Beziehende einen „wichtigen<br />
Grund“ für ihr Verhalten nachweisen.<br />
Aber sind alle Alg-II-Beziehenden tatsächlich<br />
in der Lage, ihren wichtigen Grund für ihr Verhalten<br />
nachzuweisen?<br />
Bei manchen sind die Gründe, warum sie trotz<br />
der Sanktionsdrohung ihren Pflichten <strong>nicht</strong> erfüllen<br />
(können), dieselben, die sie daran hindern,<br />
diesen Nachweis zu führen. Wir denken hier an<br />
jene, die auf Grund ernster psychischer Probleme<br />
oder einer Suchterkrankung <strong>nicht</strong> einmal in der<br />
Lage sind, ihre täglichen Anforderungen zu bewältigen.<br />
Oder an diejenigen, die <strong>nicht</strong> angemessen<br />
reagieren können, weil sie z.B. nach Schulabbruch<br />
und weiterer Frustrationen oder nach der<br />
Erfahrung von Mobbing<br />
und Kündigung<br />
apathisch und depressiv<br />
sind. Und wir denken<br />
an jene, die angesichts<br />
von Schicksalsschlägen<br />
auf Briefe<br />
vom JobCenter<br />
<strong>nicht</strong> reagieren, weil<br />
sie zeitweilig ihre ge-<br />
Auf die Frage: Was war für Sie persönlich<br />
das Schlimmste an der Sanktion?<br />
„Klar festzustellen, daß die gegen mich<br />
verhängte Sanktion klar rechtswidrig<br />
war, daß meine Einwände <strong>nicht</strong> von<br />
der Fallmanagerin ernst genommen<br />
wurden.“<br />
(aus den Fragebögen)<br />
samte Post <strong>nicht</strong> zur Kenntnis nehmen. Und was<br />
schließlich ist mit denen, die <strong>nicht</strong> in der Lage<br />
sind, die unverständlichen Bescheide zu verstehen?<br />
Ein Diktum des Bundesverfassungsgerichts<br />
lautet: „Der Staatsgewalt ist in allen ihren Erscheinungsformen<br />
die Verpflichtung auferlegt,<br />
27 Wörtlich heißt es: "Sollen bei Weigerung des Hilfebedürftigen<br />
eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen,<br />
die Regelungen durch Verwaltungsakt durchgesetzt<br />
werden (§ 15 Abs. 1 Satz 4), ist aus Gründen der Rechtssicherheit<br />
der Sanktionsbescheid zeitlich vor dem Erlaß<br />
des Verwaltungsaktes nach § 15 Abs. 1 Satz 4 zuzustellen."<br />
(DA zu § 31 Rz. 6a)<br />
die Würde des Menschen zu achten und sie zu<br />
schützen“ 28 Nur die Würde der Fähigen und<br />
Starken, die Würde derer, die sich wehren können?<br />
Der Begriff „wichtiger Grund“ ist im Gesetz<br />
unbestimmt. Hier könnte man meinen, dies wäre<br />
insofern positiv für Alg-II-Beziehende, als sie<br />
individuelle Besonderheiten geltend machen<br />
können. Im Einzelfall mag dies sein, grundsätzlich<br />
aber entsteht durch die Unbestimmtheit des<br />
Begriffs das Problem, daß die betroffenen BürgerInnen<br />
im Moment der Pflichtverletzung <strong>nicht</strong><br />
abschätzen können, ob ihr Grund für die Pflichtverletzung<br />
anerkannt werden wird, und welche<br />
Folgen somit ihr Handeln hat. In einem Rechtsstaat<br />
aber müssen Bürger grundsätzlich – aber<br />
ganz besonders bei folgenschweren Regelungen<br />
– vorher wenigstens ungefähr abschätzen können,<br />
welche Folgen ihr Handeln hat. 29<br />
Nach der geltenden Gesetzesregelung ist es<br />
(zunächst) dem Gutdünken der Fallmanager und<br />
Arbeitsvermittler überlassen, einen vorgebrachten<br />
wichtigen Grund als „wichtigen Grund“ anzuerkennen<br />
oder <strong>nicht</strong>. Wird die Anerkennung<br />
schub geleistet.<br />
verweigert, bleibt dem Sanktionierten<br />
nur der Widerspruch<br />
bzw. die Klage gegen<br />
die verhängte Sanktion.<br />
Durch die Unbestimmtheit<br />
und Intransparenz des Begriffs<br />
wird dem Machtungleichgewicht<br />
zwischen dem<br />
Sanktionierenden und dem<br />
Alg-II-Beziehenden Vor-<br />
… aber die Anerkennung eines „wichtigen<br />
Grundes“ soll die Ausnahme bleiben<br />
Die oben dargestellte Problematik wird dadurch<br />
verschärft, daß die Bundesagentur für Arbeit<br />
in ihren Dienstanweisungen enge Grenzen<br />
setzt, die sich so <strong>nicht</strong> dem Gesetz entnehmen<br />
28<br />
BVerfG-Urteil v. 21.06.1977, 1 BvL 14/76, Rand-Nr.<br />
143-144; BVerfGE 45, 187;<br />
http://www.hartzkampagne.de/urteile/43.htm<br />
mit Verweisen auf BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6); 30, 173<br />
(193); 32, 98 (108)<br />
29<br />
BVerfG-Beschluß v. 08.01.1981, 2 BvL 3/77, Rand-Nr.<br />
42; BVerfGE 56,1;<br />
http://www.hartzkampagne.de/urteile/63.htm<br />
www.hartzkampagne.de Online-Version 2<br />
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