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Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV

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34<br />

te, die richtige Auskunft 73 zu erhalten, weder<br />

vom JobCenter noch von der Anwältin, gab er<br />

auf und fügte sich in das Vermittlungsschema<br />

des JobCenters: In seinem Fall nach Geschmack<br />

seines pAp: Zeitarbeit. Besonders gern schickt<br />

Herr Bauer ihm Elektro-Jobs, die er <strong>nicht</strong> kann<br />

und für die man bekanntlich eine Ausbildung<br />

braucht.<br />

In Zusammenhang mit diesen Zeitarbeitsvorschlägen<br />

erwischt es Sadi Bozkurt hier: Die klassische<br />

Sanktionsmaschinerie nach § 31 SGB II<br />

läuft an. Anlaß ist das Arbeitsangebot vom 3.12.,<br />

das er per Post erhält.<br />

Bozkurt verfährt mit diesem Vermittlungsvorschlag<br />

wie immer: sorgfältig und gewissenhaft.<br />

Er ruft die Zeitarbeitsfirma sofort an. Die Omega<br />

GmbH teilt mit, man habe <strong>kein</strong>en Bedarf mehr,<br />

und dies trägt er auf dem Vordruck ein, der jedem<br />

Vermittlungsvorschlag anhängt. Er schickt<br />

den ausgefüllten Vordruck per Post zurück ans<br />

73 Zum einen hätte das JobCenter die Hartz-<strong>IV</strong>-Leistung<br />

<strong>nicht</strong> einen Monat nach BAföG-Antragstellung einstellen<br />

dürfen, wie den beiden jungen Leuten das in Aussicht<br />

gestellt wurde: Das JobCenter hätte bis zur Entscheidung<br />

des BAföG-Amtes in Vorleistung gehen und<br />

die Leistung auf Darlehensbasis gewähren müssen, gem.<br />

§ 43 SGB I.<br />

Zum anderen konnte Herr Bozkurt <strong>nicht</strong> selbst einschätzen,<br />

ob er BAföG in existenzsichernder Höhe bekommen<br />

würde und ob er ergänzende Hartz-<strong>IV</strong>-Leistungen bekommen<br />

könnte.<br />

Bei unserer Recherche haben wir festgestellt, daß es<br />

komplizierte und umfangreiche Regelungen dazu gibt, in<br />

welchen Fällen und in welcher Höhe es zusätzlich zum<br />

BAföG ergänzende Hartz-<strong>IV</strong>-Leistungen gibt, wie hoch<br />

diese Leistungen sind und welcher Hartz-<strong>IV</strong>-Anspruch<br />

besteht, wenn bei einer Ausbildung <strong>kein</strong> BAföG gezahlt<br />

wird.<br />

Im Falle von Sadi Bozkurt verhält es sich so, daß ihm für<br />

den Hauptschulkurs vermutlich der maximal mögliche<br />

BAföG-Satz bewilligt worden wäre, denn das Einkommen<br />

seiner Eltern und seiner Ehefrau ist sehr niedrig und<br />

die Art der Ausbildung ist förderungsfähig – so unsere<br />

Information durch das BAföG-Amt. Weil das BAföG für<br />

Bozkurt aber <strong>nicht</strong> existenzsichernd gewesen wäre –<br />

denn für den Besuch des Hauptschulkurses wären maximal<br />

348 € für den Lebensunterhalt und 64 € Mietzuschuß<br />

gezahlt worden – hätte Bozkurt Anspruch auf ergänzende<br />

Hartz-<strong>IV</strong>-Leistungen gehabt, und zwar in<br />

Form eines Zuschusses zu seinen Wohnkosten.<br />

JobCenter, und damit sollte es eigentlich erledigt<br />

sein. 74<br />

Am 7. Januar, als Bozkurts Antwort Herrn<br />

Bauer längst erreicht haben müßte, schickt dieser<br />

ein Anhörungsschreiben los. Darin wird Herrn<br />

Bozkurt vorgeworfen, daß er seine Pflicht verletzt<br />

habe, eine Sanktion wird angekündigt, und<br />

er bekommt die Gelegenheit, sich zu dem Vorwurf<br />

zu äußern. Herr Bozkurt füllt das Formular<br />

aus, das am Anhörungsschreiben hängt, schreibt<br />

also im Grunde dasselbe noch mal wie im Vordruck<br />

des Vermittlungsvorschlags, und gibt<br />

diesmal persönlich ab.<br />

Herr Bauer akzeptiert, die Sanktion ist abgewendet.<br />

Drei Monate lang 30 % von 311 € Abzug<br />

abgewendet. Ein kurzes Aufatmen im Hartz-<br />

<strong>IV</strong>-Alltag. Wenigstens die im Bescheid gewährte<br />

Leistung ist für dieses Mal gesichert, mal sehen,<br />

was als nächstes kommt, denn, so Linda Bozkurt,<br />

„irgendwas ist immer.“<br />

Nachsatz: Es hat sich herausgestellt, daß der<br />

junge Mann <strong>nicht</strong> einfach Pech hatte mit seinem<br />

Arbeitsvermittler. Der nette Herr Zart, der dem<br />

gemeinen Herrn Bauer auf Sadi Bozkurts Bemühungen<br />

hin als sein pAp folgte, verhielt sich korrekt,<br />

<strong>kein</strong>e Boshaftigkeiten, <strong>kein</strong>e versteckten<br />

Beleidigungen, wie er es von Herrn Bauer kannte.<br />

Aber Herrn Zarts Politik war die gleiche,<br />

Zeitarbeitseinsätze abfordern statt die „Kunden“<br />

bei ihren Weiterbildungsbestrebungen zu fördern.<br />

Online-Version 2 www.hartzkampagne.de<br />

* * *<br />

74 Der Postweg ist aber unsicher, es ist ja <strong>kein</strong> Einschreiben<br />

mit Rückschein. Viele Hartz-<strong>IV</strong>-Empfänger können ein<br />

Lied davon singen, daß ihre Zusendungen ihr Ziel <strong>nicht</strong><br />

erreichen und angeblich verloren gehen. Hier hilft nur<br />

persönliches Abgeben am Empfang des JobCenters, wobei<br />

man sich auch auf die Kopie für die eigenen Unterlagen<br />

einen Eingangsstempel geben lassen muß.

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