Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
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36<br />
Nach Ablauf von sechs Monaten bot der gleiche<br />
Vermittler Herrn Bärmann exakt dieselbe<br />
Stelle noch einmal an. Dieser mußte sich wieder<br />
beim ABM-Träger vorstellen und natürlich lehnte<br />
der ihn wieder ab. Diesmal folgte <strong>kein</strong>e Sanktionsdrohung,<br />
sondern ein anderes Vermittlungsangebot<br />
– als Lagerarbeiter. Schon wieder mußte<br />
Herr Bärmann dem JobCenter-Mitarbeiter seine<br />
gesundheitlichen Einschränkungen erklären. Als<br />
Herzkranker darf er <strong>kein</strong>e schweren Lasten tragen.<br />
Nach diesen Erfahrungen mit dem offensichtlich<br />
überforderten Mitarbeiter bekam Herr Bärmann<br />
einen anderen Betreuer im JobCenter. Er<br />
erfuhr auch, daß sein früherer Vermittler <strong>nicht</strong><br />
mehr im Publikumsverkehr eingesetzt wurde.<br />
Hatte sich die ganze Aufregung etwa doch gelohnt?<br />
Günther Bärmann schöpfte neue Hoffnung<br />
und glaubte, nun eine Stelle angeboten zu<br />
bekommen, die er auch ausüben könne.<br />
Beim ersten Gespräch jedoch eröffnete ihm der<br />
neue Sachbearbeiter, in seinem PC stehe, daß es<br />
wohl vor einiger Zeit einen „Zwischenfall" gegeben<br />
habe. So stellte sich heraus, daß seine damalige,<br />
wütend-hilflose Überreaktion in seiner<br />
PC-Akte eingetragen ist.<br />
Krankheiten werden <strong>nicht</strong> ernst genommen<br />
2006 wurde Herrn Bärmann eine weitere ABM<br />
vorgeschlagen, diesmal als Hausmeister. Das war<br />
genau das Richtige für ihn. Er wurde eingestellt<br />
und hoffte auf Übernahme in eine feste Stelle.<br />
Dazu habe der Arbeitgeber jedoch <strong>kein</strong> <strong>Geld</strong>,<br />
wurde ihm gesagt.<br />
Nach Ende der ABM beschloß das JobCenter,<br />
Günther Bärmann mit Ende 50 zu einer Bürotätigkeit<br />
umzuschulen. Wie immer befolgte Herr<br />
Bärmann die Anweisungen des JobCenters und<br />
absolvierte einen Anfängerkurs. Diesem sollte<br />
ein weiterer folgen, den Herr Bärmann wiederum<br />
pflichtgemäß antrat. Er war zu allem bereit, um<br />
<strong>nicht</strong> zur Untätigkeit verdammt zu sein.<br />
Beim zweiten Kurs stellte sich jedoch heraus,<br />
daß er zu Fuß mehrere Stockwerke zum Kursraum<br />
hoch laufen mußte - für einen schwer herzkranken<br />
Menschen eine anstrengende und gefährliche<br />
Angelegenheit, die der Arzt ihm aus<br />
guten Gründen verboten hatte. Damit <strong>nicht</strong> genug:<br />
Alle Kursteilnehmer sollten das Gebäude in<br />
der Pause verlassen, weil der Raum abgeschlossen<br />
werden müsse. Also noch einmal Treppen<br />
steigen und dazu langes Stehen in der Pause, das<br />
war erst recht zu viel. Nachdrücklich verlangte<br />
Herr Bärmann für die Pausen einen Stuhl auf<br />
dem Flur. Bis heute kann er es <strong>nicht</strong> fassen, daß<br />
diese Forderung ihm vom Bildungsträger verwehrt<br />
wurde. Was blieb ihm anderes übrig, als<br />
die Fortbildung abzubrechen? Es würde sicher<br />
eine Möglichkeit geben, einen anderen Kurs zu<br />
belegen. Wieder einmal brachte er dem JobCenter<br />
persönlich ein ärztliches Attest.<br />
Auch diesmal sollte es <strong>nicht</strong> ausreichen, daß<br />
seine Gesundheit gefährdet war. Kurze Zeit später<br />
teilte das JobCenter ihm schriftlich mit, daß<br />
wegen Abbruchs der Fortbildung gegen ihn in 14<br />
Tagen eine 30%ige Sanktion verhängt würde. Er<br />
bekam Angst: Wie sollte er den nächsten Monat<br />
über die Runden kommen? Wovon seine Medikamente<br />
bezahlen?<br />
Als ob dies <strong>nicht</strong> schon genug Belastung für<br />
einen Herzkranken wäre, mußte auch seine Frau<br />
sich zur gleichen Zeit mit einer Sanktionsandrohung<br />
auseinandersetzen. Karin Bärmann sollte<br />
am selben PC-Kurs teilnehmen wie ihr Mann. Es<br />
war für sie auch selbstverständlich, das zu tun:<br />
„Ich würde nie sagen, ich mache das <strong>nicht</strong>, wenn<br />
das JobCenter etwas von mir fordert“, erklärt<br />
sie. Aber ihre angeschlagene Gesundheit erlaubte<br />
ihr zu dieser Zeit <strong>nicht</strong>, den Kurs zu besuchen.<br />
Wegen ihres offenen Beines konnte sie nur mit<br />
Krücken auf einem Bein humpeln. Allein mehrere<br />
Stockwerke bis zur Haustür zu steigen, war<br />
schon eine Qual. Zusätzlich war sie an einem<br />
grauen Star erkrankt, der ihr die Arbeit am PC<br />
unmöglich machte. Dem JobCenter lagen die<br />
entsprechenden Krankschreibungen bereits vor,<br />
als es Frau Bärmann zum PC-Kurs aufforderte.<br />
Frau Bärmann war so pflichtbewußt, daß sie<br />
selbst auf Krücken zum vorgeschriebenen Anmeldetermin<br />
beim Maßnahmeträger ging, um<br />
ihm mitzuteilen, daß ihr die Teilnahme <strong>nicht</strong><br />
möglich war.<br />
Nichtsdestotrotz fand auch Frau Bärmann kurz<br />
darauf eine 30%ige Sanktionsdrohung in ihrem<br />
Briefkasten. Das JobCenter warf ihr vor, die<br />
Maßnahme ohne Grund zu verweigern. Jetzt war<br />
auch Frau Bärmann, die bisher trotz der eigenen<br />
Krankheit immer noch ihren Mann gestützt hatte,<br />
mit ihren Nerven am Ende.<br />
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