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Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV

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ständlicher Text genügt dieser Regelung <strong>nicht</strong>.<br />

Was wir als Selbstverständlichkeiten bezeichnen,<br />

ist also <strong>nicht</strong>s anderes als die Forderung nach<br />

Einhaltung der gesetzlichen Regelungen.<br />

Manche Antworten bzw. Vorschläge lassen erahnen,<br />

welche massiven Beeinträchtigungen und<br />

Notlagen Sanktionen für die <strong>Betroffene</strong>n mit sich<br />

bringen. Eine Beraterin kritisiert, daß „über die<br />

Möglichkeit der Lebensmittelgutscheine <strong>nicht</strong><br />

aufgeklärt“ wird und daß es infolge von Sanktionen<br />

zu Strom-Abschaltungen kommt (Nr. 14).<br />

Es müßten „Sachleistungen gewährt werden,<br />

zum Beispiel in Form von Fahrkarten, denn<br />

Schwarzfahren schafft neue Probleme: Schulden,<br />

und wie soll zum Beispiel zu Bewerbungsgesprächen<br />

gefahren werden?“ (ebd.) 152<br />

Die folgenden Verbesserungsvorschläge sind<br />

den gesetzlich zu knapp bemessenen Alg-II-<br />

Leistungen geschuldet. Sie müßten aber in einem<br />

Sozialstaat, dem diese Bezeichnung noch gebührt,<br />

gleichermaßen selbstverständlich sein, erst<br />

recht, wenn z.B. die Anzeichen von Kinderarmut<br />

immer deutlicher zutage treten.<br />

„Es müßte eine Einschulungspauschale und<br />

regelmäßig halbjährliche Schulpauschalen geben“,<br />

so eine Beraterin, und „das Schul- und Kita-Essen<br />

müßte kostenlos sein“ (Nr. 18). „Einmalige<br />

Leistungen müßten verstärkt möglich und<br />

flexibler am Bedarf ausgerichtet sein, Beispiel:<br />

Schulbedarf – für Einschulung gibt’s zum Beispiel<br />

NICHTS“ (Nr. 12).<br />

Eine andere Beraterin sieht die Notwendigkeit,<br />

für Kinder eine „Bekleidungsbeihilfe und andere<br />

Fördermöglichkeiten bezogen auf Vereine, Musikinstrumente<br />

und Ähnliches“ (Nr. 25) einzuführen.<br />

Außerdem wurden die Erhöhung des Regelsatzes<br />

und die Nicht-Anrechnung des Kindergeldes<br />

gefordert (Nr. 18).<br />

Diese zuletzt genannten Forderungen sind eher<br />

gegen die mit Hartz <strong>IV</strong> gewachsene Kinderarmut<br />

gerichtet. Sie „sprudelten“ aus einigen BeraterInnen<br />

heraus 153 , ohne daß sie den fehlenden Be-<br />

152 Welche Regelungen für Sachleistungen derzeit im SGB<br />

II enthalten sind, ist in Kap. 2 nachzulesen.<br />

153 Möglicherweise hatten die BeraterInnen dabei die frühere<br />

Sozialhilferegelung im Sinn, nach der Sachleistungen<br />

für unterschiedliche Bedarfe beantragt werden konnten.<br />

Mit Einführung von Hartz <strong>IV</strong> wurde diese Möglichkeit<br />

abgeschafft; theoretisch sollen vom Regelsatz Anspa-<br />

zug zu Sanktionen bemerkten. Die Forderungen<br />

verweisen auf die Entbehrungen vieler Hartz-<strong>IV</strong>-<br />

Familien. Entbehrungen, die besonders Kinder<br />

und Jugendliche treffen, wenn sie wegen <strong>Geld</strong>mangels<br />

faktisch von zahlreichen Aktivitäten ihrer<br />

Altersgruppe ausgeschlossen und in ihren<br />

Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten sind.<br />

Diese Entbehrungen werden allerdings besonders<br />

kraß oder sogar existentiell, wenn ein Mitglied<br />

einer Mehr-Personen-Bedarfsgemeinschaft sanktioniert<br />

wird und die Leistungen reduziert oder<br />

gestrichen werden. Denn die Kürzung trifft alle.<br />

Schließlich wird wohl kaum jemand vom gemeinsamen<br />

Essen ausgeschlossen. Und – wenn<br />

obendrein die Wohnkosten gekürzt wurden –<br />

müssen sich alle das fehlende <strong>Geld</strong> vom Mund<br />

absparen, damit die Miete bezahlt werden kann.<br />

Eine Beraterin brachte es auf den Punkt, sie<br />

sprach von „Sippenhaftung bei Sanktionen – das<br />

jedenfalls ist die Folge.“ 154 (Nr. 14)<br />

Sanktionen sind unsinnig, unverhältnismäßig,<br />

unmenschlich<br />

Oben wurde das Problem angesprochen, daß<br />

die JobCenter häufig unpassende oder falsche<br />

Maßnahmen zuweisen.<br />

<strong>Wer</strong> eine solche unpassende oder falsche Maßnahme<br />

<strong>nicht</strong> antritt oder abbricht, muß mit einer<br />

Sanktion rechnen. Ohne Folgen bleibt es für diejenigen,<br />

die solche Zuweisungen vornehmen. 155<br />

Eine Beraterin, die in diesem Zusammenhang<br />

betont hatte, bei JobCenter-Angeboten müßten<br />

die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der<br />

Alg-II-Bezieher berücksichtigt werden, bemerkte<br />

gleich im Anschluß: „Sanktionen machen nur<br />

Sinn, wenn man den Leuten hinterher was Vernünftiges<br />

anbietet, zum Beispiel eine Stelle im<br />

ÖBS, eine passende Ausbildung oder sinnvolle<br />

rungen vorgenommen werden, ob für den Ersatz von<br />

<strong>nicht</strong> mehr funktionstüchtigen Geräten (Waschmaschine,<br />

PC), für andere notwendige Anschaffungen (Schuhe,<br />

Wintermantel), für Renovierungsarbeiten, etc. etc.<br />

154 Diese fatale Folge wurde von den Bundestagsabgeordneten<br />

<strong>nicht</strong> einmal (korrekt) wahrgenommen, als sie im Juli<br />

2006 der Verschärfung des Sanktionsparagraphen zustimmten.<br />

Siehe Auszug aus dem Bundestagsprotokoll<br />

im Anhang Seite 93<br />

155 Ebenso wenig werden Träger zur Verantwortung gezogen,<br />

die sehenden Auges unsinnige und unpassende<br />

Maßnahmen durchführen. Im Gegenteil – sie werden mit<br />

weiteren Zuweisungen belohnt.<br />

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