Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
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5. <strong>Wer</strong> <strong>nicht</strong> <strong>spurt</strong> … – Erfahrungen mit Sanktionen<br />
Gedrängten nach sechs oder weniger Monaten<br />
wieder Alg II beantragen müssen. Hier wird<br />
deutlich, was unter der viel zitierten Aktivierung<br />
von Erwerbslosen zu verstehen ist: Eigeninitiativen<br />
sind nur dann erwünscht, wenn sie in die<br />
Strategien der kurzfristigen Statistikbereinigung<br />
passen und kurzfristige Einspareffekte zu erwarten<br />
sind.<br />
Ganz übersehen – vielleicht aber auch bewußt<br />
in Kauf genommen – wird, daß der entmündigende<br />
Aktivierungswahn langfristig zur Dequalifizierung<br />
führt und zum Verlust von Selbstvertrauen<br />
und Eigeninitiative.<br />
Aktivierungswahn statt Förderpolitik<br />
Frigga Haug hat schon früh darauf hingewiesen,<br />
daß mit den Hartz-Gesetzen eine „Umwertung<br />
der <strong>Wer</strong>te“ und eine „neue politische Kultur“<br />
angestrebt werde. 172 Sie hatte aufmerksam<br />
Peter Hartz’ Buch ‚Job Revolution’ 172a gelesen,<br />
in dem dieser für alle nachlesbar ausführte, wie<br />
man sich die neue „Aktivierungs-“ und „Zumutbarkeitspolitik“<br />
vorzustellen habe. Haug zeigte<br />
auf, daß das Hartz-Projekt „zugleich ein Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />
für diejenigen (ist), die<br />
ausgemustert werden oder es bereits sind“<br />
(Haug, S. 610). Sie zitierte ausführlich Hartz und<br />
machte – wie dieser selbst – anschaulich, wer<br />
Verlierer sein wird und wie der neue Menschentyp<br />
aussehen wird, der unter das Diktat geworfen<br />
ist, jederzeit an jedem Ort einsetzbar zu sein.<br />
Beschäftigungsfähigkeit wird zum entscheidenden<br />
Schlüsselwort: Ja, „als innere Tugend<br />
und verantwortliche Potenz taucht auf, dass man<br />
am Markt verkäuflich ist“ (ebd.). In Sachen Zumutbarkeit<br />
sind der Phantasie <strong>kein</strong>e Grenzen gesetzt<br />
– Peter Hartz: „»Zumutbar ist es, sich selbst<br />
172<br />
Haug, Frigga (2003): „Schaffen wir einen neuen Menschentyp“<br />
– Von Henry Ford zu Peter Hartz, in: DAS<br />
ARGUMENT, Nr. 252, S. 606 – 617; S. 607, 613<br />
172a<br />
Hartz, Peter (2001): “Job Revolution. Wie wir neue Arbeitsplätze<br />
gewinnen können.“ Frankfurter Allgemeine<br />
Buch (Hardcover mit CD-Rom)<br />
172b<br />
Haug, S. 613, zitiert hier Peter Hartz, S. 52; zur Unterscheidung<br />
von seinen Zitaten und denen von Frigga<br />
Haug geben wir nur die Zitate von F. Haug in Kursivschrift<br />
und gewöhnlichen Anführungsstrichen wieder<br />
172c<br />
Peter Hartz, S. 51, zit. nach Haug, S. 612<br />
172d<br />
Peter Hartz, S. 10, zit. nach Haug, S. 610<br />
172e<br />
Peter Hartz, S. 52, zit. nach Haug, S. 612<br />
Sprachen anzueignen, IT-fit zu werden, sich im<br />
Internet bewegen zu lernen, fachlichen Anschluss<br />
zu halten, mobil zu bleiben und den<br />
Blick für Perspektiven zu schärfen«, sonst ist<br />
man »Analphabet«.“ 172b<br />
Hartz selbst hatte ausgeführt, daß „<strong>kein</strong>er mehr<br />
die »Nibelungentreue der Solidargemeinschaft<br />
erwarten« kann“. 172c Was inzwischen bittere Erfahrung<br />
Tausender geworden ist, klang schon bei<br />
Peter Hartz wie „eine Drohung: »Die Job-<br />
Revolution […] wird <strong>kein</strong>e betuliche Entwicklung,<br />
die Job-Inhaber aus geschützten Positionen<br />
überleben könnten. Dramatisch wird sie für jeden,<br />
dessen persönliche Lerngeschwindigkeit<br />
und Beschäftigungsfähigkeit mit der Dynamik<br />
[…] <strong>nicht</strong> mehr Schritt hält.«“ 172d Und: „»Lernkurven<br />
werden steiler, Qualifikationen verfallen<br />
schneller, Anreize greifen seltener, Physis und<br />
Psyche halten irgendwann <strong>nicht</strong> mehr mit. (…)<br />
Ein Teil des Nachwuchses findet erst gar <strong>kein</strong>en<br />
Anschluss – seine Grundgeschwindigkeit bleibt<br />
unter der Schwelle zum Take-off.«“ 172e<br />
Überfordernde Eingliederungsvereinbarungen<br />
als Sanktionsgrundlage<br />
Welche Bedeutung der Eingliederungsvereinbarung<br />
für die Politik des Forderns zukommt,<br />
haben vor allem die Aussagen zahlreicher BeraterInnen<br />
und einzelner Porträtierter vor Augen<br />
geführt. Den Fallmanagern und persönlichen Ansprechpartnern<br />
ist mit der Eingliederungsvereinbarung,<br />
genauer: durch ihre Verknüpfung mit<br />
dem Sanktionsparagraphen, ein Machtinstrument<br />
an die Hand gegeben, das unter Umständen dazu<br />
genutzt wird, Hartz-<strong>IV</strong>-„Untergebene“ in einen<br />
schikanösen Aktivierungstrab zu versetzen (unsinnig<br />
viele Bewerbungen, die Verpflichtung,<br />
ganz bestimmte Maßnahmen zu absolvieren<br />
etc.).<br />
Die Ausführungen der BeraterInnen lassen den<br />
Widersinn und die Unangemessenheit von Sanktionen<br />
erkennen und die bereits im Sanktionsparagraphen<br />
angelegte Unmenschlichkeit des Gesetzes;<br />
denn entscheidende Dinge sind <strong>nicht</strong> berücksichtigt:<br />
<strong>Wer</strong> den Anforderungen, oft ein<br />
Katalog an Vorgaben, aufgrund psychischer Angeschlagenheit<br />
oder widriger Lebensumstände<br />
<strong>nicht</strong> nachkommen konnte, hat die Eingliederungsvereinbarung<br />
<strong>nicht</strong> eingehalten. Daß die<br />
Betreffenden mitunter aus denselben Gründen<br />
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