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Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV

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5. <strong>Wer</strong> <strong>nicht</strong> <strong>spurt</strong> … – Erfahrungen mit Sanktionen<br />

schäftigt. Und immer, wenn sie in die Akten<br />

schaute, kamen ihr die Erlebnisse der letzten<br />

Wochen wieder hoch. Es war kaum auszuhalten<br />

für sie.<br />

Dazu kam, daß sie in ihrer eigenen Angelegenheit<br />

Probleme mit dem JobCenter hatte. „An mir<br />

wurde selbst gezerrt“, sagte sie. So hat das Job-<br />

Center darauf bestanden, daß sie zur Kur fährt,<br />

obwohl sie sich außerstande sah, ihre Familie mit<br />

all den Problemen allein zu lassen. "Wir können<br />

Sie auch zwingen", wurde ihr von der Arbeitsvermittlerin<br />

entgegnet.<br />

Frau Schäfer ist diejenige, die für alle in der<br />

Familie die Bürokratie mit dem JobCenter erledigen<br />

muß. Ihrem Mann liegt das <strong>nicht</strong>, er ist<br />

mehr ein Mensch fürs Praktische, ihr Sohn ist<br />

damit ohnehin überfordert. "Sie wissen <strong>nicht</strong>,<br />

was das für ein Kraftaufwand ist.“<br />

Ihr Mann kümmert sich dafür um Arbeit für<br />

beide. Er ist dabei, eine Selbständigkeit aufzubauen,<br />

mit der beide Arbeit und Auskommen<br />

hätten, wenn es gelingt. Er steht seiner Frau beruhigend<br />

zur Seite, obwohl auch er sehr belastet<br />

ist. Es fällt ihm sichtlich schwer, das Leid seiner<br />

Frau mit anzusehen. Er wirkt <strong>nicht</strong> so getrieben<br />

und verzweifelt wie seine Frau, aber auch aus<br />

ihm prasselt es heraus, wenn er von den belastenden<br />

Erlebnissen in den letzten Wochen berichtet.<br />

Dabei müßte er sich ganz auf den Aufbau<br />

der Selbständigkeit konzentrieren, dafür bräuchte<br />

er einen freien Kopf. Wie soll das sonst gelingen?<br />

In der Folgezeit geht es Frau Schäfer immer<br />

schlechter. Sie ist ohnehin schwer krank und inzwischen<br />

mit den Nerven am Ende. Bei einem<br />

Telefonat erzählt sie: „Ich müßte spazieren gehen,<br />

aber ich sehe nur noch die Akten.“ Ihr<br />

Mann berichtet bei einem Telefonat ein paar<br />

Wochen später, daß Frau Schäfer noch immer<br />

<strong>nicht</strong> die Unterlagen vollständig beieinander hat,<br />

die die Anwältin benötigt. Es sind viele Unterlagen,<br />

bei der langen Krankengeschichte von Florian<br />

Schäfer. Er deutet die Zusammenbrüche seiner<br />

Frau in der Zwischenzeit nur an. Er sagt, daß<br />

sie eine Pause machen mußte mit den Akten.<br />

Und daß er sie <strong>nicht</strong> drängeln will. Er sagt, daß<br />

er sie abschirmen muß vor allem, was sonst endgültig<br />

zuviel wäre.<br />

Das war im letzten Gespräch mit einem von<br />

den Schäfers. Es ist also unklar, ob Frau Schäfer<br />

es geschafft hat oder schaffen wird, die nötigen<br />

Unterlagen für die Auseinandersetzung mit dem<br />

JobCenter zusammenzustellen und was die Anwältin<br />

ggf. ohne diese Unterlagen erreichen<br />

kann.<br />

Wir wissen <strong>nicht</strong>, ob die Familie die Kraft finden<br />

wird, das Gerichtsverfahren durchzustehen.<br />

Überhaupt ist fraglich, wie lange insbesondere<br />

Frau Schäfer den Belastungen noch standhält.<br />

Selbst wenn es bei Gericht zu einem Urteil<br />

kommt, in dem die Sanktionen gegen Florian<br />

Schäfer aufgehoben werden: Die Nachzahlung<br />

des <strong>Geld</strong>es wird in <strong>kein</strong>er Weise das Leid aufheben,<br />

das diese Sanktionen über die ganze Familie<br />

gebracht haben.<br />

Frau Schäfer kann <strong>nicht</strong> begreifen, wie das alles<br />

möglich war, obwohl doch das JobCenter von<br />

den Einschränkungen ihres Sohnes wußte.<br />

Was die Folgen für Florian Schäfer betrifft,<br />

sagte seine Mutter in einem Gespräch: „Mein<br />

Sohn hat <strong>kein</strong> Vertrauen mehr zu Leuten. Daß<br />

Leute alles über einen wissen und einen trotzdem<br />

so behandeln …“<br />

* * *<br />

www.hartzkampagne.de Online-Version 2<br />

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