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Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV

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5. <strong>Wer</strong> <strong>nicht</strong> <strong>spurt</strong> … – Erfahrungen mit Sanktionen<br />

Gestörte Kommunikation 1 – Das JobCenter<br />

antwortet <strong>nicht</strong> oder teilt Wichtiges <strong>nicht</strong> mit<br />

Herr Just konnte die Sanktion zum Glück noch<br />

abwehren. Aber seine „Geschichte“ zeigt, in<br />

welcher Weise das JobCenter einseitig die<br />

Kommunikation vorgibt. Dem „Kunden“ wird in<br />

der Regel schnelles Reagieren (Vorlage von …)<br />

abverlangt. Hat der „Kunde“ ein berechtigtes<br />

Anliegen und den Wunsch nach schneller Information,<br />

muß er meist lange warten. Daß das<br />

JobCenter <strong>nicht</strong> antwortet oder Wichtiges <strong>nicht</strong><br />

mitteilt, ist ein Problem, das viele Alg-II-Beziehende<br />

kennen; im Sanktionsfall führt es zu einer<br />

Potenzierung von Angst und Unsicherheit. Man<br />

versetze sich nur in jemanden hinein, dem eine<br />

30prozentige Kürzung des ohnehin zu knappen<br />

Regelsatzes droht, der sich – obwohl ihn Angst<br />

und Unruhe beherrschen – bemüht, den Sachverhalt<br />

aufzuklären und die Sanktion abzuwenden.<br />

Wie fühlt der sich, wenn er tage-, vielleicht wochenlang<br />

<strong>kein</strong>e Nachricht erhält? Denn das Job-<br />

Center ist gesetzlich <strong>nicht</strong> verpflichtet, dem Betreffendenmitzutei-<br />

len, ob es die in der<br />

Anhörung vorgebrachten<br />

Gründe als<br />

„wichtige Gründe“<br />

akzeptiert hat oder<br />

<strong>nicht</strong>. Die Angst davor,<br />

am ersten des<br />

Monats sehr viel weniger<br />

oder gar <strong>kein</strong> Alg II zu erhalten, dauert<br />

dann Tage, unter Umständen sogar Wochen an,<br />

eben bis das <strong>Geld</strong> überwiesen wurde.<br />

Gestörte Kommunikation 2 – Textbausteine<br />

„Nervenzehrender Kleinkrieg mit<br />

dem JobCenter in Zusammenhang<br />

mit der Sanktionsabwehr. Zusätzlicher<br />

Zeit-, Kostenaufwand.<br />

Angst, die Wohnung <strong>nicht</strong> mehr<br />

halten zu können.“ (aus den Fragebögen)<br />

Für die meisten JobCenter-Schreiben werden<br />

Textbausteine verwendet. Das bringt es mit sich,<br />

daß die JobCenter-MitarbeiterInnen <strong>nicht</strong> selbst<br />

und vor allem <strong>nicht</strong> genau genug ausführen, was<br />

sie haben wollen und warum bzw. wofür sie etwas<br />

haben wollen. Die Schreiben sind dadurch<br />

oft unverständlich. Eine Rolle spielt dabei auch,<br />

daß unterschiedliche, manchmal sogar widersprüchliche<br />

Textbausteine aneinander gereiht<br />

werden und die/der geplagte Leser/in dann vergeblich<br />

in dem oft mehrseitigen Schreiben nach<br />

dem entscheidenden, Klarheit bringenden Absatz,<br />

sucht.<br />

Andere Textbausteine wiederum sind so „unglücklich“<br />

formuliert, daß der Ton anklagend<br />

und anmaßend klingt. Hinzu kommt, daß die<br />

Textbausteine häufig unpassend eingesetzt werden.<br />

<strong>Wer</strong> z.B. dem JobCenter ordnungsgemäß<br />

den Empfang eines kleinen Honorars oder ein<br />

Betriebskostenguthaben mitteilt, muß damit<br />

rechnen, ein Schreiben mit folgendem Text zu<br />

erhalten: „Nach meinen Erkenntnissen haben<br />

Sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch<br />

(SGB II) für die Zeit vom (…) zu Unrecht<br />

bezogen“ (Hervorheb. durch die Verfass.).<br />

167 Man fragt sich, ob den Verantwortlichen<br />

für solche Textbausteine tatsächlich entgangen<br />

sein kann, daß derartige Formulierungen<br />

den Charakter unpassender Unterstellungen haben.<br />

Gestörte Kommunikation 3 – Schlechte Erreichbarkeit<br />

und Folgewirkungen<br />

In den JobCentern gibt es die Anweisung, den<br />

Publikumsverkehr gezielt zu lenken und <strong>kein</strong>en<br />

direkten Kontakt wie auch <strong>kein</strong>e kurzfristige<br />

Terminvereinbarung zuzulassen. Die Drosselung<br />

und rigide Lenkung des Publikumsverkehrs dient<br />

dem Ziel, im back office ein<br />

ungestörtes Abarbeiten der<br />

täglich anwachsenden<br />

Aktenberge zu ermöglichen. Die<br />

Folgen davon sind allerdings<br />

mehr als kontraproduktiv: Sachverhalte,<br />

die möglicherweise<br />

schnell geklärt werden könnten,<br />

werden verschleppt, dies führt<br />

häufig zu weiterem Schriftverkehr und weiteren<br />

Anfragen, und bei weiterer Verzögerung und<br />

Verschleppung möglicherweise zu Dienstaufsichtsbeschwerden,<br />

die wiederum zu bearbeiten<br />

sind. Desorganisation, Verwirrung und noch viel<br />

mehr Arbeit, die <strong>nicht</strong> nötig gewesen wäre, sind<br />

167 Warum ist dieser scheinbar richtige Satz absurd? Daß<br />

die Sachbearbeiterin von dem Guthaben Kenntnis erlangt<br />

hat, lag ausschließlich an der vorherigen ordnungsgemäßen<br />

Mitteilung durch die Alg-II-Bezieherin. Mit dem<br />

Textbaustein Formulierung „Nach meinen Erkenntnissen<br />

(…)“ wird so getan, als habe das JobCenter durch<br />

eigene Recherchen Mißbrauch aufgedeckt. Auch der<br />

nachfolgende Textbaustein: „Die aufgeführten Leistungen<br />

sind gem. § 50 SGB X zu erstatten“ wirkt mehr als<br />

grotesk, da die Alg-II-Bezieherin in besagtem Mitteilungsschreiben<br />

selbst angekündigt hatte, das Guthaben<br />

ans JobCenter zu überweisen und nach der Bankverbindung<br />

gefragt hatte.<br />

www.hartzkampagne.de Online-Version 2<br />

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