Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2. Die gesetzlichen Regelungen zu Sanktionen …<br />
Wenn das <strong>nicht</strong> möglich ist, weil die Maßnahmestelle<br />
inzwischen anderweitig besetzt wurde, soll<br />
die Sanktion demnach <strong>nicht</strong> gemildert, sondern<br />
erbarmungslos durchgezogen werden.<br />
Sachleistungen gegen Hunger und Verwahrlosung<br />
sollen nur im Ausnahmefall gewährt<br />
werden<br />
Für die Zeit, in der das Alg II gekürzt oder gestrichen<br />
wird, besteht <strong>kein</strong> Anspruch auf ergänzende<br />
Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII.<br />
Daher sind Sanktionierte und ihre Haushaltsmitglieder<br />
– besonders bei der vollständigen Streichung<br />
des Alg II – darauf angewiesen, daß ihnen<br />
zumindest Sachleistungen gewährt werden, um<br />
<strong>nicht</strong> zu (ver)hungern, um <strong>nicht</strong> zu verwahrlosen,<br />
um die Wohnung <strong>nicht</strong> zu verlieren (oder gar auf<br />
der Straße zu schlafen) und um <strong>nicht</strong> ihre Krankheiten<br />
zu verschlimmern oder daran zugrunde zu<br />
gehen. Trotzdem muß bzw. kann das JobCenter<br />
laut SGB II Sachleistungen und geldwerte Leistungen<br />
nur in folgenden Fällen gewähren:<br />
Diese Leistungen sollen erbracht werden, wenn<br />
in der Bedarfsgemeinschaft von Sanktionierten<br />
minderjährige Kinder leben und wenn außerdem<br />
die Sanktion mehr als 30 % des Regelsatzes beträgt,<br />
um „zu verhindern, daß minderjährige<br />
Kinder dadurch übermäßig belastet werden“<br />
(Hervorhebung hinzugefügt). 45<br />
Doch selbst bei Bedarfsgemeinschaften mit<br />
minderjährigen Kindern kann es laut Bundesagentur<br />
für Arbeit „atypische Fälle“ geben, in<br />
denen <strong>kein</strong>e Sachleistungen gewährt werden sollen.<br />
46<br />
Sachleistungen und geldwerte Leistungen können<br />
erbracht werden<br />
• für unter 25jährige Sanktionierte, denen – wie<br />
oben beschrieben – bereits bei der ersten<br />
Pflichtverletzung der gesamte Regelsatz gestrichen<br />
wird, sowie<br />
• für Sanktionierte ab dem 25. Lebensjahr,<br />
wenn eine Sanktion von mehr als 30 % ihres<br />
Regelsatzes verhängt wurde.<br />
Wenn Sanktionierte <strong>kein</strong>e Reserven haben, ist<br />
laut „Leitfaden zum Arbeitslosengeld II“ das<br />
Ermessen bei der Entscheidung, ob Sachleistungen<br />
gewährt werden, auf Null geschrumpft und<br />
45 DA zu § 31 Rz. 31<br />
46 ebenda<br />
diese Leistungen müssen erbracht werden, weil<br />
„die Sanktionsregelungen <strong>nicht</strong> bedeuten, daß<br />
man in Deutschland verhungern müsse“ (Bundesratsprotokoll<br />
vom 7.7.2006 S. 226 (D). 47 Diese<br />
Auffassung ist in den Dienstanweisungen der<br />
Bundesagentur für Arbeit <strong>nicht</strong> zu finden!<br />
Viele werden sagen, in Deutschland verhungert<br />
niemand.<br />
Ja, man kann mit Kürzung oder Streichung des<br />
physischen Existenzminimums überleben.<br />
Wenn man weiß, daß man Lebensmittelkarten<br />
bekommen kann, und wenn man noch die Kraft<br />
und Entschlossenheit hat, dies beim JobCenter<br />
einzufordern – vorausgesetzt, das JobCenter ist<br />
bereit, darauf einzugehen.<br />
Oder, wenn man Familie oder Angehörige hat,<br />
die im selben Haushalt leben und die einen mit<br />
durchfüttern.<br />
Oder, wenn man sich einladen kann, um mal<br />
mitzuessen.<br />
Dies alles setzt aber voraus, daß man seinen<br />
Stolz vergißt und seine Hilfsbedürftigkeit nach<br />
außen trägt. Aber so oder so – es läuft auf Bitten<br />
und Betteln hinaus.<br />
Selbst wenn Sachleistungen gewährt werden,<br />
ist <strong>nicht</strong> sichergestellt, daß der Umfang ausreicht.<br />
In den Dienstanweisungen der BA heißt<br />
es: „In der Summe der verbleibenden Regelleistung<br />
und dem <strong>Wer</strong>t der Sachleistung (Lebensmittelgutschein)<br />
soll dem Hilfebedürftigen mindestens<br />
der für Ernährung und für Hygiene und<br />
Körperpflege vorgesehene Anteil verbleiben<br />
(=147 €).“ 48 Zu den Mindestleistungen gehört<br />
<strong>nicht</strong> einmal der im Regelsatz vorgesehene Anteil<br />
für Medikamente und Zuzahlungen! Auch<br />
die Überweisung der Abschlagszahlungen für<br />
Strom an den Energieversorger ist nur eine<br />
Kann-Leistung. Von Wohnkosten ist überhaupt<br />
<strong>nicht</strong> die Rede.<br />
Wir wollen hier <strong>nicht</strong> Sachleistungen als solchen<br />
das Wort reden. Daß aber sogar Überlebensmittel<br />
vorenthalten werden dürfen, zeigt,<br />
47<br />
Udo Geiger (2008): Leitfaden zum Arbeitslosengeld II,<br />
Frankf./M., (5. überarb. Aufl.), S. 592<br />
48<br />
DA zu § 31 Rz. 27<br />
www.hartzkampagne.de Online-Version 2<br />
17