Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
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den“ (Nr. 15 und 17), auch bedürfe es „klare(r)<br />
Zuständigkeiten“ und „feste(r) Ansprechpartner“<br />
(Nr. 16 und 25). Die Beraterin aus Nr. 16<br />
meinte, daß die gegenwärtigen Strukturen Chaos<br />
bewirken, „es müssen klare Zuständigkeiten geschaffen<br />
werden, das ist aber offenbar <strong>nicht</strong> gewollt.<br />
(…) Für den Alg-II-Bezieher muss klar<br />
sein, wer sein Ansprechpartner ist, deshalb: <strong>kein</strong>e<br />
wechselnden Unbekannten!“<br />
Problem: Fehlverhalten der Maßnahmeträger<br />
Wie wichtig direkte Erreichbarkeit und klare<br />
Zuständigkeiten sind, zeigt sich anhand einer<br />
Problematik, die bereits im Porträt des Herrn Just<br />
zutage trat und deren Tragweite bisher wenig<br />
Beachtung gefunden hat. Zwei der BeraterInnen<br />
brachten bei Frage 4 das Fehlverhalten von<br />
Maßnahmeträgern zur Sprache. Diesen Trägergesellschaften,<br />
die bekanntlich mit Einführung<br />
von Hartz <strong>IV</strong> wie Pilze aus dem Boden schossen,<br />
werden mitunter Hunderte Alg-II-Beziehende<br />
überantwortet – zwecks Qualifizierung in einer<br />
Weiterbildung, zwecks „Beschäftigung“ bzw.<br />
„Überprüfung“ ihrer generellen Arbeitsbereitschaft<br />
in einer Trainingsmaßnahme oder zwecks<br />
Weitervermittlung in einen Ein-Euro-"Job". Für<br />
Alg-II-Beziehende haben solche Kooperationen<br />
zwischen Trägern und JobCentern unter Umständen<br />
unangenehme und weitreichende Folgen.<br />
Nämlich dann, wenn sie einer Maßnahme und<br />
damit einem Träger zugewiesen werden, die<br />
Maßnahme jedoch aus triftigen Gründen und unverschuldet<br />
<strong>nicht</strong> absolvieren können und der<br />
Träger dem JobCenter den Sachverhalt <strong>nicht</strong><br />
oder <strong>nicht</strong> korrekt mitteilt, wo er doch lieber<br />
„Auftragserfüllung“ vermelden würde.<br />
Der Berater aus Nr. 15 stellt klar, daß die Träger<br />
den <strong>Betroffene</strong>n sagen müßten, was sie tun,<br />
d.h. wie sie das JobCenter informieren müssen,<br />
wenn eine Maßnahme z.B. aus gesundheitlichen<br />
Gründen (Attest) für sie <strong>nicht</strong> in Frage kam. Weit<br />
gefehlt. „Häufig gehen die <strong>Betroffene</strong>n nach<br />
Hause, glauben, der Träger wird die wichtigen,<br />
richtigen Informationen schon an das JobCenter<br />
weitergeben, was dieser <strong>nicht</strong> oder <strong>nicht</strong> immer<br />
tut, und kriegen dann aus heiterem Himmel die<br />
Sanktion.“ Der Berater fragt sich, warum die<br />
Träger „falsche oder unzureichende Informationen<br />
über Alg-II-Beziehende an das JobCenter<br />
weiter (geben).“ Und „welche Interessen verfolgen<br />
die Träger mit unzureichenden oder falschen<br />
Informationen an <strong>Betroffene</strong>?“<br />
Die Beraterin aus Nr. 16 hatte offenbar ähnliche<br />
Erfahrungen mit Trägern im Vorfeld von<br />
Sanktionen vor Augen. Sie forderte eine „klar<br />
geregelte Kommunikation zwischen pAp und Alg-<br />
II-Bezieher, wenn eine Maßnahme zugewiesen<br />
wird, damit Fehlinformation durch Träger oder<br />
Arbeitgeber <strong>kein</strong>e Sanktion auslösen kann, das<br />
heißt eine Rückkoppelung vom Alg-II-Bezieher<br />
zum JobCenter müßte gleich von Anfang an geregelt<br />
sein.“<br />
Etwa 20 Minuten nachdem wir unser Telefongespräch<br />
beendet hatten, rief die Beraterin aus<br />
Nr. 16 von sich aus noch mal an. Unser Gespräch<br />
hatte sie beschäftigt. Weitere wichtige<br />
Dinge waren ihr eingefallen, vor allem Fragen<br />
und Überlegungen, die sie vermutlich schon länger<br />
bewegten und die sie unbedingt noch mitteilen<br />
wollte. Wir geben die Aussagen hier in<br />
Form eines kleinen Exkurses wieder, da hier<br />
treffend die Wirkungen von „Fehlorganisation“<br />
und Trägerinteressen beschrieben werden. Und<br />
weil die „schreckliche Kette“, so die Beraterin,<br />
die durch Sanktionen ausgelöst wird, sichtbar<br />
wird.<br />
„Wegen des Träger-Fehlverhaltens wäre permanenter<br />
Kontakt zwischen dem Alg-II-Bezieher<br />
und dem JobCenter notwendig – das ist aber<br />
wieder <strong>nicht</strong> möglich, weil die Mitarbeiter so<br />
schwer erreichbar sind. – Warum die Träger<br />
gar <strong>nicht</strong> oder unzureichend oder sogar falsch<br />
das JobCenter informieren, hängt vermutlich mit<br />
dem Förderinteresse zusammen“ [gemeint sind<br />
die Fördergelder, die für die Träger existenziell<br />
sind, die Verf.]. „Daß es im JobCenter <strong>kein</strong>e festen<br />
Ansprechpartner gibt – was wird damit verfolgt?<br />
Was wird verfolgt mit den wechselnden<br />
Ansprechpartnern? – Im Prinzip muß man pfiffig<br />
und selbstbewußt sein, um im JobCenter bestehen<br />
zu können.“ Die Beraterin beschreibt die<br />
Folgen von Sanktionen: „Die volle oder 60prozentige<br />
Sanktion löst eine schreckliche Kette<br />
aus: Die Leute kriegen eine Stromsperre oder<br />
haben <strong>kein</strong> Fahrgeld für Bewerbungsgespräche.“<br />
Sie berichtet von zwei Fällen, wo die <strong>Betroffene</strong>n<br />
sanktionsbedingt <strong>kein</strong> <strong>Geld</strong> mehr hatten,<br />
schwarz gefahren waren und nun Angst hatten,<br />
erneut schwarz fahren zu müssen: „Einer<br />
der beiden stand kurz vor einem Bewerbungsgespräch<br />
und wußte <strong>nicht</strong>, wie er dorthin kommen<br />
sollte.“ Sie bzw. die Beratungsstelle habe den<br />
beiden aus ihrem kleinen Spendenaufkommen<br />
das Sozialticket (33,50 €) bezahlt. Die Beraterin<br />
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