Wer nicht spurt, kriegt kein Geld - HARTZ IV Betroffene eV
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38<br />
Samuel Just, 60,<br />
ist ausgebildeter Bühnenschauspieler und hat vor seiner<br />
Arbeitslosigkeit als Erzieher in einer Kita gearbeitet.<br />
Innerhalb von sechs Monaten wurde zweimal ein Sanktionsverfahren<br />
gegen ihn eingeleitet, weil er jeweils einen<br />
Ein-Euro-„Job“ <strong>nicht</strong> angetreten haben soll.<br />
Samuel Justs Initiativen<br />
„Drei Jahre lang habe ich mich um Fortbildung<br />
bemüht und drei Jahre lang haben die mich<br />
gegen die Wand laufen lassen. Und warum? Weil<br />
ich zu alt bin? Nie habe ich eine Erklärung bekommen.“<br />
Samuel Just wollte bis zu seiner Verrentung<br />
arbeiten, in einem richtigen, sozialversicherungspflichtigen<br />
Job, und er hatte die Hoffnung,<br />
daß dies mit dem „Fördern“ bei Hartz <strong>IV</strong> ernst<br />
gemeint ist. Da vom JobCenter weder Stellenangebote<br />
noch Weiterbildungsvorschläge kommen,<br />
schickt er selbst Vorschläge ans JobCenter. Allein<br />
von April bis August des Jahres 2007 vier<br />
verschiedene.<br />
Er schickt Unterlagen für zwei Schauspielerfortbildungen.<br />
Während eines Termins erklärt<br />
ihm Herr Schuster, der gelegentlich Herrn Justs<br />
persönliche Ansprechpartnerin (pAp), Frau<br />
Lang-Emmerling, vertritt: Die Voraussetzung für<br />
eine solche Fortbildung sei, daß er vor Beginn<br />
des Seminars einen Spielvertrag mit einer Bühne<br />
nachweise. Die Mappe mit Kritiken und Fotos,<br />
die seine Bühnenarbeit dokumentieren, will Herr<br />
Schuster <strong>nicht</strong> einmal anschauen.<br />
Im Juni erfährt Herr Just aus den Medien von<br />
dem für Berlin geplanten öffentlich geförderten<br />
Beschäftigungssektor (ÖBS) 76 . Er findet eine<br />
solche sozialversicherungspflichtige Arbeit mit<br />
1.300 € brutto, obendrein in der Kinderbetreuung,<br />
für sich attraktiv. Er fragt seine pAp, ob<br />
man ihn für dieses Programm eingeplant habe.<br />
Die schriftliche Antwort: „Bisher liegen uns <strong>kein</strong>e<br />
Vermittlungsangebote vor. Sollten Sie durch<br />
Presse und Rundfunk/TV Informationen/Angebote<br />
erhalten, können Sie gern mit mir ein persönliches<br />
Gespräch suchen.“<br />
76 Geplant sind „langfristige Beschäftigungsangebote zu<br />
tariflichen Bedingungen für Langzeitarbeitslose, die auf<br />
Grund von Vermittlungshemmnissen perspektivisch <strong>kein</strong>e<br />
Integrationschancen auf dem ersten Arbeitsmarkt besitzen“<br />
(siehe www.oebs-berlin.de).<br />
Herr Just meint, daß auch das Beschäftigungsprogramm<br />
„50plus“ 77 für ihn in Frage kommt. Er<br />
fordert von seiner pAp, für eine solche Stelle berücksichtigt<br />
zu werden, und zwar in einem Hort<br />
oder einer Kita. Erneut läßt ihn das JobCenter<br />
wissen, daß man hierüber <strong>kein</strong>e Informationen<br />
habe.<br />
Und schließlich beantragt er die Finanzierung<br />
eines Fernlehrgangs zum Legasthenietrainer:<br />
Herr Just, der sich in Eigenregie den Erzieherberuf<br />
erobert hatte und aus seinem Erfahrungsfundus<br />
als Schauspieler schöpfte, um Kindern spielend<br />
Wissen und soziale Kompetenzen beizubringen,<br />
fand diese Tätigkeit ideal für sich. Als<br />
Antwort erhielt er ein pauschales Ablehnungsschreiben,<br />
bestehend nur aus Textbausteinen und<br />
mit langen Zitaten aus dem Sozialgesetzbuch III.<br />
In dem Schreiben wird aber <strong>nicht</strong> erklärt, welche<br />
Stellen davon auf Herrn Just zutreffen.<br />
In dieser Zeit bekam er vom JobCenter einen<br />
Vorschlag für eine Stelle bei der Caritas in Köln,<br />
für die er offensichtlich ungeeignet war. Prompt<br />
schickt die Caritas eine Ablehnung mit eben dieser<br />
Begründung.<br />
Der Ton zwischen Herrn Just und dem JobCenter<br />
ist <strong>nicht</strong> freundlich. Samuel ist ungeduldig<br />
und seine Ungeduld wird mit jeder JobCenter-<br />
Reaktion größer. Er hat es sich zur Gewohnheit<br />
gemacht, der Behörde für die Antworten Fristen<br />
zu setzen, so wie das JobCenter es mit ihm tut:<br />
„Ich erwarte Ihre Antwort bis ...“. Einmal droht<br />
er an, Unterlassungsklage 78 beim Sozialgericht<br />
einzureichen, wenn er bis Ablauf seiner Frist<br />
<strong>kein</strong>e Antwort erhält. Seine pAp, Frau Lang-<br />
Emmerling, dazu: „Unterlassen Sie bitte demnächst<br />
Ihre Drohungen, die auch in diesem<br />
Schreiben wiederholt aufgeführt sind.“<br />
Die Maßnahme des JobCenters<br />
Mit Schreiben vom 4. August 2007 wird Herrn<br />
Justs Antrags auf Teilnahme am Legasthenietrainerlehrgang<br />
abgelehnt, und gleichzeitig erteilt<br />
77<br />
Das Bundesprogramm „Perspektive 50plus“ schafft versicherungspflichtige<br />
Stellen für über 50jährige.<br />
78<br />
Tatsächlich hätte Samuel Untätigkeitsklage einreichen<br />
können. Die Behörde darf aber ganze 6 Monate untätig<br />
sein, bevor diese Klage Wirkung erzielen kann. Nur die<br />
Bearbeitung von Widersprüchen muß laut Gesetz<br />
schneller erfolgen, nämlich innerhalb von 3 Monaten.<br />
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