JAHR BUCH - Führungsakademie Baden-Württemberg - BW21
JAHR BUCH - Führungsakademie Baden-Württemberg - BW21
JAHR BUCH - Führungsakademie Baden-Württemberg - BW21
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MARCO FRAUHAMMER<br />
Vom Werkstattmanagement zum Kammermanagement<br />
in der Justiz. Oder: Wie eine Transferidee entsteht!<br />
Die Unternehmenspraktika ermöglichen den<br />
Teilnehmern des Führungslehrgangs Einblicke<br />
in die Unternehmenskultur von Industrie-<br />
und Dienstleistungsunternehmen und<br />
leisten einen wichtigen Beitrag zum besseren<br />
Verständnis zwischen Wirtschaft und<br />
Verwaltung. Ein weiterer Schwerpunkt der<br />
Unternehmenspraktika liegt in der Suche<br />
nach Transfermöglichkeiten für die Verwaltung.<br />
Anhand des konkreten Beispiels des<br />
sog. Werkstattmanagements, welches ich<br />
im Rahmen meines Praktikums bei der Heidelberger<br />
Druckmaschinen AG kennenlernen<br />
durfte, soll im Nachfolgenden der Weg<br />
von einer interessanten Idee hin zu einem<br />
konkreten Transfervorschlag beschrieben<br />
werden.<br />
erste eindrücke aus einer anderen welt<br />
Heidelberger Druckmaschinen AG. Werk<br />
Wiesloch Walldorf. Halle 10. Säule Q 18. Freitag,<br />
7.30 Uhr. Trotz der frühen Morgenstunden<br />
herrscht bereits rege Betriebsamkeit.<br />
Ein leises Summen zusammengesetzt aus<br />
Maschinen- und Arbeitsgeräuschen hängt<br />
in der metallisch schmeckenden Luft. Wie<br />
in einem Bienenstock folgt hier alles einer<br />
genauen, systematischen Ordnung, auch<br />
wenn diese für mich noch nicht verständlich<br />
ist. Mein Blick fällt auf Gussteile, Zylinder,<br />
Leitungen, Schläuche, Wellen und Drehteile.<br />
Es ist faszinierend zu beobachten, welcher<br />
enorme Aufwand hinter der Entstehung einer<br />
Druckmaschine steht.<br />
Der Arbeitstag in der Montage beginnt seit<br />
gut über einem Jahr an einer Metaplanwand<br />
mit einer kurzen Werkstattmanagementrun-<br />
de, in der der Montageleiter und die ihm<br />
zugeordneten Meister den gemeinsamen<br />
Tagesplan besprechen. Die Tafel sorgt für<br />
Transparenz und hält die wichtigsten Punkte<br />
optisch fest. Die Werkstattmanagementrunden<br />
finden hierbei jeweils im Stehen statt<br />
und dürfen eine Maximaldauer von 10 – 15<br />
Min. nicht überschreiten. Das Werkstattmanagement<br />
sei „eine gute Sache, die von den<br />
Mitarbeitern positiv aufgenommen wurde“,<br />
sagt der Segmentleiter der Zylindermontage<br />
Werner Huber. Früher habe man zwar<br />
auch miteinander gesprochen, aber nicht immer<br />
seien alle beteiligt gewesen. Durch die<br />
Werkstattmanagementrunde als Fixpunkt<br />
habe sich die Kommunikation erheblich verbessert,<br />
die Nachfragen hätten sich reduziert<br />
und jeder sei auf dem gleichen Wissensstand.<br />
Obwohl ich inhaltlich bei der Werkstattmanagementrunde<br />
vieles nicht verstehe,<br />
treibt mich unmittelbar die Frage um, ob<br />
das nicht auch eine Maßnahme wäre, die<br />
sich als feste und nach bestimmten Regeln<br />
ablaufende wöchentliche Kammerbesprechung<br />
zwischen Richter und Serviceeinheit<br />
für die Justiz nutzbar machen ließe.<br />
werkstattmanagement – lässt sich diese<br />
Idee auf die Justizverwaltung übertragen?<br />
Um die Antwort vorwegzunehmen: Ja! Ein<br />
fest eingerichtetes, beispielsweise einmal<br />
wöchentlich stattfindendes Kammermanagement<br />
dient der besseren Kommunikation<br />
zwischen Richtern/Richterinnen und<br />
Servicemitarbeitern/innen und ermöglicht<br />
es in kürzester Zeit eine Reflektion über die<br />
Aufgabenbewältigung der vergangenen Woche<br />
sowie eine Abstimmung über die unmit-<br />
telbar bevorstehenden Aufgaben durchzuführen.<br />
Im Gegensatz zu der bislang häufig<br />
in Gerichten anzutreffenden Besprechungskultur<br />
„zwischen Tür und Angel“ bietet eine<br />
institutionalisierte Besprechungsrunde, die<br />
nach zuvor gemeinsam vereinbarten Regeln<br />
abläuft, die Chance, die gemeinsame Arbeit<br />
unter Berücksichtigung der individuellen<br />
Interessenlage zu planen und damit weitaus<br />
effizienter zu kommunizieren. Zudem<br />
bietet die Visualisierung der gemeinsamen<br />
Ziele an einer Metaplanwand eine wichtige<br />
Orientierungshilfe. Die Aufgabenverteilung<br />
ist für alle klar ersichtlich und schafft auch<br />
eine Transparenz der Auslastung der einzelnen<br />
Mitarbeiter. Dies bietet auch die Möglichkeit,<br />
„ungeplante“ Aufgaben schneller<br />
zu koordinieren und Engpässe (z.B. wegen<br />
Urlaub oder Krankheit) möglichst zu vermeiden<br />
oder ggf. abzufangen. Nicht zuletzt ist<br />
ein derartiges Kammermanagement ein her-<br />
vorragendes Instrument für einen tatsächlich<br />
gelebten kooperativen Führungsstil. Der/die<br />
Vorsitzende erteilt nicht einfach Anweisungen,<br />
sondern es werden im gemeinschaftlichen<br />
Gespräch Handlungsnotwendigkeiten<br />
festgelegt, priorisiert und sodann strukturiert<br />
abgearbeitet. Jeder der Besprechungsteilnehmer<br />
erhält die Möglichkeit, eigene Interessen,<br />
Verbesserungsideen und Schwerpunkte<br />
einzubringen. Eigenverantwortung,<br />
Kreativität und das Verständnis, gemeinsam<br />
für den reibungslosen Kammerbetrieb verantwortlich<br />
zu sein, werden gefordert und<br />
gefördert. Zuletzt bietet das wöchentliche<br />
Kammermanagement die ideale Basis, die<br />
bisherigen Kammerstandards weiterzuentwickeln<br />
und neue Lösungen zu erarbeiten.<br />
Richtig angewandt kann das Kammermanagement<br />
daher die Keimzelle eines nachhaltigen<br />
kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
sein.<br />
66 67<br />
Ihr Lieben,<br />
ich sende Euch neblige Grüße aus London.<br />
Und in der Tat, auch in Großbritannien<br />
werden Steuern erhoben.<br />
Die englischen Kolleginnen und Kollegen<br />
sind sehr freundlich und hilfsbereit.<br />
Ich lerne sehr viel und arbeite in unmittelbarer<br />
Nähe zu Big Ben. Dessen Geläut<br />
begleitet mich durch den Tag.<br />
Vom englischen Frühstück bin ich begeistert.<br />
Speck, Eier, Würste und „Baked<br />
Beans“. Da kommen auch Kontinentaleuropäer<br />
in Schwung.<br />
See you soon !<br />
Euer Matthias<br />
Matthias Häuser, HMRC, London