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Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

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lediglich von <strong>der</strong> „physischen“ Gr<strong>und</strong>lage des Produzierens auf eine „gedanklich-konzeptionelle“<br />

Gr<strong>und</strong>lage umgestellt worden. Und die amerikanische Bevölkerung war überzeugt, sie könne von<br />

heißer Luft leben. Der Absturz war schmerzvoll.“ (Harrison 2008, 163).<br />

Greenspan ist kein Einzelfall. Im letzten Jahrzehnt häuften sich <strong>der</strong>artige Vorstellungen<br />

einer „Befreiung“ <strong>der</strong> Ökonomie von ihren materiellen Gr<strong>und</strong>lagen. Und entsprechend<br />

sahen dann auch die politischen Strategien zur Ankurbelung <strong>der</strong> Wirtschaft nach <strong>der</strong><br />

dot.com-Krise 2000/01 aus. Harrison argumentiert, dass die Niedrigzinspolitik in den USA<br />

<strong>und</strong> Großbritannien zu einer Flut billiger Kredite führte. Diese Kredite wie<strong>der</strong>um ersetzten<br />

die durch die neoliberale Lohnsenkungspolitik fehlende Kaufkraft des Proletariats. Abb. 9<br />

zeigt, dass sich die Löhne <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anteil des Konsums am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in<br />

<strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre auseinan<strong>der</strong> entwickelten. Die gesamtgesellschaftliche<br />

Lohnsumme deckte den Anteil des Konsums am BIP nicht mehr ab. Wie wird nun diese<br />

Lücke gefüllt? Einerseits durch Konsum auf <strong>der</strong> Basis von Kapitaleinkünften, an<strong>der</strong>erseits<br />

aber auf <strong>der</strong> Basis eines „Konsums auf Pump“, also durch Kredite 36 . Der rasante<br />

Wirtschaftsaufschwung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Immobilienboom in den USA, Großbritannien, den PIIGS-<br />

Staaten etc. nach <strong>der</strong> dot.com-Krise basierte also im Wesentlichen auf Verschuldung <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Schaffung fiktiven Kapitals. Harrison behauptet sogar, dass es eine mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

bewusste Politik in den USA <strong>und</strong> Großbritannien gegeben habe, die fehlende Nachfrage<br />

auf den Märkten durch die Verschuldung <strong>der</strong> privaten Haushalte auszugleichen. Dieser<br />

verschwörungstheoretischen These wird hier allerdings nicht gefolgt.<br />

Es bleibt aber festzuhalten, dass <strong>der</strong> wirtschaftliche Aufschwung nach 2001 in den USA,<br />

Großbritannien <strong>und</strong> vielen an<strong>der</strong>en Staaten im Wesentlichen durch die Schaffung fiktiven<br />

Kapitals ermöglicht wurde. Dabei hatten die <strong>Immobilienmärkte</strong> eine ganz zentrale Funktion:<br />

da viel neues Kapital in die <strong>Immobilienmärkte</strong> floss, hervorgebracht durch die strukturelle<br />

Überakkumulationskrise <strong>und</strong> die Niedrigzinspolitik vieler Zentralbanken, entstand auf<br />

diesen ein Boom, angefeuert durch fiktives Kapital. Die Preise für Immobilien <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücke stiegen schnell 37 . Da, wie dargestellt wurde, Gr<strong>und</strong>eigentum selbst zu fiktivem<br />

Kapital werden kann, ließ sich in diesem inflationärem Immobilienmarktumfeld mit<br />

Immobilienspekulation viel <strong>und</strong> schnelles Geld verdienen. Und Immobilien eigneten sich<br />

gut als Gegenwert für Kredite, aus denen die Bevölkerung dann wie<strong>der</strong>um ihren Konsum<br />

finanzieren konnte. Der wirtschaftliche Aufschwung ab 2001 war damit im Wesentlichen<br />

ein fiktiver Aufschwung auf <strong>der</strong> Basis einer Inflation von Vermögenswerten <strong>und</strong> die außergewöhnlichen<br />

Wachstumsraten etwa in den USA <strong>und</strong> Großbritannien basierten zu einem<br />

guten Teil darauf, dass Häuser gehandelt wurden <strong>und</strong> sich <strong>der</strong>en Preis jährlich erhöhte,<br />

ohne dass ihnen wirklich neuer Wert zugesetzt wurde. Die Wachstumsraten spiegelten also<br />

die Vermögenswerte- <strong>und</strong> Immobilienpreisinflation wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> kaum eine reale Wertschöpfung.<br />

Es gilt zu rekapitulieren. Es wurde argumentiert, dass die Weltwirtschaft seit r<strong>und</strong> 30 Jahren<br />

an einer strukturellen Überakkumulationskrise <strong>und</strong> bis Anfang / Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre<br />

auch am Fall <strong>der</strong> Profitraten krankt(e). Dieser Krise wird mit relativ erfolgreichen Strategien<br />

<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Profitraten begegnet, die aber eine Erhöhung <strong>der</strong> Ausbeutungsrate des<br />

Proletariats zur Folge haben. Dadurch wird die Überakkumulationskrise verschärft, da die<br />

36 Harrison weist darauf hin, dass die Sparquote in den USA im dritten Quartal 1998 erstmalig negativ war,<br />

die US-Amerikaner also mehr Geld ausgaben, als sie einnahmen. Inzwischen ist es im Wirtschaftsjournalismus<br />

zur Binsenweisheit geworden, dass nicht nur die Griechen, son<strong>der</strong>n auch die Amerikaner auf<br />

„Pump“ leben.<br />

37 Einige Zahlen dazu: Anstieg <strong>der</strong> Wohnimmobilienpreise im Zeitraum 1997-2007: Irland: 240%, GB:<br />

213%, Frankreich: 144%, Spanien: 190%, Italien: 102%, USA: 102% (hier macht sich bereits die Stagnation<br />

bzw. <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Immobilienpreise ab Mitte 2006 bemerkbar), Japan: -32%, Deutschland:<br />

-7,2% (Harrison 2008, 287). Diese Zahlen müssen mit <strong>der</strong> Wachstumsrate <strong>der</strong> Löhne ins Verhältnis<br />

gesetzt werden, um ihre Bedeutung zu begreifen.<br />

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