10.02.2013 Aufrufe

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

pirische Gentrifizierungsgeschehen aus dem Kapitalakkumulationsprozess erklärt werden<br />

muss. Es stellt sich für die <strong>ökonomische</strong> Gentrifizierungsforschung also die Frage, unter<br />

welchen Bedingungen es zur Reinvestition von Kapital in den urbanen Zentren kommt.<br />

Dies ist auch die zentrale Frage <strong>der</strong> produktionsseitigen <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung, im<br />

Gegensatz zu den konsumptionsseitigen <strong>Theorien</strong>, <strong>der</strong>en primäre Frage es ist, wie Pioniere<br />

<strong>und</strong> Gentrifizierer entstehen 6 . Während also die produktionsseitige Gentrifizierungsforschung<br />

versucht, die Phänomenologie <strong>der</strong> Gentrifizierung aus den sozio<strong>ökonomische</strong>n gesellschaftlichen<br />

Bedingungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik des Kapitals zu verstehen,<br />

glauben die konsumptionsseitigen Erklärungen, dass Gentrifizierungsprozesse über die<br />

Entstehung spezifischer sozialer Milieus erklärt werden müssen, <strong>der</strong>en Angehörige dann<br />

als Gentrifizierer wirken (Lees / Slater / Wyly 2008, 39ff, 129ff). Diesen theoretischen<br />

Gegensatz versuchte Smith auszudrücken, als er 1979 davon sprach, dass Gentrifizierung<br />

ein „back to the city movement by capital, not by people“ sei (Smith 2010).<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Gegensatz zwischen produktionsseitigen <strong>und</strong> konsumptionsseitigen Erklärungsansätzen<br />

in <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung unter den Bedingungen des Kalten Krieges<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> ideologischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Apologeten des Kapitalismus <strong>und</strong><br />

seinen Kritikern in einer für die Wissenschaft äußerst unproduktiven Weise zugespitzt ausgefochten<br />

wurde <strong>und</strong> hier die neueren Ansätze begrüßt werden, die eine gegenseitige Ergänzung<br />

bei<strong>der</strong> Erklärungsansätze for<strong>der</strong>n (etwa Lees 1994, Rose 2010, Zukin 2010,<br />

Hammnett 2010), so steht die vorliegende Arbeit doch in <strong>der</strong> Traditionslinie <strong>der</strong> produktionsseitigen<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung. Dies erklärt sich nicht nur aus <strong>der</strong> wirtschaftsgeografischen<br />

Orientierung dieser Arbeit, son<strong>der</strong>n auch daraus, dass <strong>der</strong> Autor mit Smith<br />

<strong>der</strong> Auffassung ist, dass die Entwicklung von Gentrifizierungsprozessen wesentlich durch<br />

die Akkumulationsdynamik des Kapitals bestimmt ist.<br />

Bestimmt bedeutet hier allerdings nicht determiniert. Es wird also keine funktionalistische<br />

o<strong>der</strong> strukturalistische Ableitung des empirischen Gentrifizierungsgeschehens aus <strong>der</strong> Kapitalakkumulationsdynamik<br />

versucht, son<strong>der</strong>n ein dialektisches Verhältnis von objektiven<br />

Strukturen <strong>und</strong> subjektivem Handeln <strong>der</strong> Akteure innerhalb dieser objektiven Strukturen<br />

angenommen (zur Theorie eines dialektischen Verhältnisses von Subjektivität <strong>und</strong> Objektivität<br />

vgl. etwa Adorno 1998a o<strong>der</strong> Schmidt 1971). In diesem Sinne ist hier zu betonen, dass<br />

eine Fokussierung auf <strong>ökonomische</strong> Erklärungen <strong>der</strong> Gentrifizierung immer einseitig bleiben<br />

muss. Es sei etwa auf das w<strong>und</strong>erbare Buch Hamnetts über die Entwicklung Londons<br />

verwiesen (Hamnett 2004), einem erklärten Gegner produktionsseitiger <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

<strong>und</strong> Hauptvertreter <strong>der</strong> konsumptionsseitigen Professionalisierungsthese 7 , dessen<br />

Lektüre die theoretischen <strong>und</strong> empirischen Leerstellen einer einseitig <strong>ökonomische</strong>n<br />

Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung deutlich machen kann.<br />

Das Verhältnis zwischen <strong>ökonomische</strong>n <strong>und</strong> nicht-<strong>ökonomische</strong>n Ursachen von Gentrifizierungsprozessen<br />

lässt sich mit dem aus <strong>der</strong> dialektischen Logik kommenden Begriff des<br />

Übergreifens verstehen. Das Ökonomische, so wird hier zunächst nur postuliert, ist als das<br />

Übergreifende im dialektischen Verhältnis zwischen <strong>ökonomische</strong>n <strong>und</strong> nicht-<strong>ökonomische</strong>n<br />

Ursachen von Gentrifizierungsprozessen zu theoretisieren. D.h., es ist zwar das Do­<br />

6 Die Unterscheidung in „production vs. consumption explanaitions of gentrification“ hat sich in <strong>der</strong><br />

angloamerikanischen Gentrifizierungsforschung durchgesetzt <strong>und</strong> wird hier übernommen.<br />

7 Hamnetts Professionalisierungthese gründet auf den Thesen Bells zur postindustriellen Gesellschaft.<br />

Hamnett sieht die soziale Basis von Gentrifizierung in <strong>der</strong> Entstehung einer Klasse von „professionals“,<br />

also Individuen mit hochwertiger Ausbildung <strong>und</strong> entsprechenden Arbeitsplätzen im tertiären o<strong>der</strong> quartären<br />

Sektor, die das klassische Industrieproletariat ersetzen. Aus dieser neuen sozialen Gruppe, die zur gesellschaftlich<br />

dominanten sozialen Gruppe entwickelter Industriegesellschaften geworden ist, rekrutiert<br />

sich das Personal für die Gentrifizierung. Für Hamnett ist Gentrifizierung die Anpassung <strong>der</strong> Stadt an die<br />

Bedürfnisse dieser neuen professionellen Klasse ist. Notwendige Voraussetzung für Hamnetts Überlegungen<br />

ist die nivellierte Mittelstandsgesellschaft, <strong>der</strong>en Tage aber nach Ansicht des Autors gezählt sind.<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!