10.02.2013 Aufrufe

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>und</strong> zum Ende des Prozesses hin die proletarische <strong>und</strong> subproletarische Bevölkerung des<br />

Viertels weitgehend o<strong>der</strong> vollständig verdrängt <strong>und</strong> durch eine neue, wohlhaben<strong>der</strong>e Bevölkerung<br />

ausgetauscht wird. Dies ist <strong>der</strong> klassische Begriff von Gentrifizierung, <strong>der</strong> die<br />

sozialräumlichen Resultate eines gesellschaftlichen Klassengegensatzes zwischen <strong>der</strong> neuen<br />

„urban gentry“ <strong>und</strong> dem alten Industrie- <strong>und</strong> Subproletariat zum Gegenstand <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung<br />

macht 5 .<br />

Das Alltagsverständnis von Gentrifizierungsprozessen, ebenso wie frühe Stadienmodelle,<br />

die versuchen den Verlauf von Gentrifizierungsprozessen zu beschreiben, gründet auf den<br />

von Glass beschriebenen empirischen Phänomenen. So differenziert Clay in seinem Stadienmodell,<br />

dass 1979 am angloamerikanischen Kontext entwickelt wurde, den Gentrifizierungsprozess<br />

in vier distinkte Phasen (Clay 2010, siehe auch Lees / Slater / Wyly 2008,<br />

31ff). Dieses Modell wird hier kurz vorgestellt, um einen Eindruck von klassischer<br />

Gentrifizierung zu vermitteln:<br />

Phase 1: Ein kleine Gruppe risikobereiter „young urban professionals“ (Yuppis), häufig<br />

mit einem beruflichen Hintergr<strong>und</strong> aus Bereichen wie Kunst, Design, Architektur o<strong>der</strong><br />

Stadtplanung, beginnt in ein heruntergekommenes, oft verslumtes Arbeiterviertel zu ziehen<br />

<strong>und</strong> Häuser für die eigene Nutzung zu kaufen <strong>und</strong> zu renovieren. Die Finanzierung <strong>der</strong> Immobilienkäufe<br />

<strong>und</strong> -renovierungen müssen diese Pioniere in <strong>der</strong> Regel aus eigener Tasche<br />

finanzieren, denn Banken vergeben in den betroffenen Stadtquartieren keine Kredite <strong>und</strong><br />

Hypotheken, da sie <strong>der</strong>en Werthaltigkeit anzweifeln <strong>und</strong> nicht bereit sind, das entsprechende<br />

Risiko einzugehen.<br />

Phase 2: Der Prozess setzt sich fort. Allerdings beginnen auch kleine Spekulanten attraktive<br />

Gr<strong>und</strong>stücke o<strong>der</strong> Immobilien aufzukaufen, um sie aus Gründen <strong>der</strong> Spekulation zurück<br />

zu halten o<strong>der</strong> nach einer Renovierung weiter zu verkaufen o<strong>der</strong> zu vermieten. Erste Promotion-Aktivitäten<br />

für das Stadtquartier laufen an, aber <strong>der</strong> begonnene Gentrifizierungsprozess<br />

des Quartiers hat noch den Status eines Geheimtipps. Wer in Phase 1 o<strong>der</strong> Phase 2<br />

in das Quartier zieht, wird später als Teil <strong>der</strong> „autochthonen“ Bevölkerung wahrgenommen.<br />

Die Verdrängung <strong>der</strong> vorgängigen Bevölkerung gewinnt an Dynamik.<br />

Phase 3: Die Gentrifizierung des Quartiers wird durch Medien <strong>und</strong> Stadtpolitik wahrgenommen.<br />

Der bauliche <strong>und</strong> sozialräumliche Charakter des Viertels verän<strong>der</strong>t sich sichtbar,<br />

auch die Pioniere werden durch die Ankunft <strong>der</strong> Gentrifizierer in den Hintergr<strong>und</strong> gedrängt.<br />

Große Investoren <strong>und</strong> Developer entdecken das Quartier <strong>und</strong> Banken beginnen damit,<br />

Kredite <strong>und</strong> Hypotheken für Immobilien in diesem Viertel zu vergeben. Starke Spannungen<br />

zwischen <strong>der</strong> alten <strong>und</strong> <strong>der</strong> neuen Bevölkerung des Quartiers entstehen <strong>und</strong> die<br />

staatlich <strong>und</strong> privat geschaffene Infrastruktur des Quartiers wird den Bedürfnissen <strong>der</strong> neuen<br />

Bevölkerung angepasst (Schulen, Sicherheit des öffentlichen Raumes, Konsuminfrastruktur<br />

etc. pp.). Die Verdrängung <strong>der</strong> ursprünglichen Bevölkerung ist in vollem Gange.<br />

Phase 4: Die soziale Zusammensetzung <strong>der</strong> Gentrifizierer än<strong>der</strong>t sich, es ziehen mehr<br />

Manager, Unternehmer <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Angehörige <strong>der</strong> oberen Mittelschicht o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Oberschicht in das Quartier. Immobilien, die aus Gründen <strong>der</strong> Spekulation vom Markt<br />

genommen wurden, werden jetzt verkauft. Der soziale Charakter des Quartiers hat sich<br />

gewandelt, die ursprüngliche Bevölkerung ist weitgehend verdrängt <strong>und</strong> teilweise trifft dies<br />

auch Pioniere des Gentrifizierungsprozesses. Eine Immobilienpreisspirale entsteht <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Gentrifizierungsprozess ist weitgehend abgeschlossen <strong>und</strong> dehnt sich eventuell auf ein<br />

neues Quartier <strong>der</strong> Stadt aus.<br />

Das hier etwas ergänzte Stadienmodell Clays beschreibt den Verlauf klassischer Gentrifi­<br />

5 Smith meint, dass <strong>der</strong> Klassencharakter von Gentrifizierungsprozessen bei Glass' Begriff von Gentrifizierung<br />

noch sichtbar sei, während er heute verschleiert werde: „Indeed, the class nature of the process,<br />

transparent in Glass's version of gentrification, is assiduously hidden […].“ (Smith 2002, 93) <strong>und</strong> auch<br />

Lees / Slater / Wyly behaupten, dass: „Gentrification is nothing more and nothing less than the neighborhood<br />

expression of class inequality.“ ( Lees / Slater / Wyly 2008, 80).<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!