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voller Trauer, doch ein Funken Hoffnung blitzt in ihnen auch auf. Tekk ist wie in Trance<br />

und murmelt weiter: „Oh, Hans“, sagt er, „er beobachtet mich. Ich glaube, er erkennt<br />

mich …“<br />

6.<br />

Ein Windstoß erschüttert den Zoo und trägt den Straßenlärm und den Klang von<br />

Sirenen herüber. Da brummt Knut plötzlich sorgenvoll und wütend und zieht sich<br />

langsam in seine Höhle zurück, um sich wieder zu verstecken. Dabei schüttelt er sich,<br />

reibt sich die Augen und man möchte meinen, er wäre kurz vor einer Ohnmacht. Hans<br />

fragt, ob es ihm denn gut gehe. Tekk antwortet nicht, sondern rüttelt nur mit gesenktem<br />

Kopf am Zaun. Plötzlich, als ob er aus einem Traum erwacht wäre, fährt Tekk mit seiner<br />

Geschichte von dem schwarzen Raben fort.<br />

„Also, ich habe dir ja erzählt, dass Sedna den Raben geheiratet hat und sich nun jede<br />

Nacht an den Klippen die Augen ausheulte. Eines Tages hörte Sednas Vater das Weinen<br />

seiner Tochter im schneedichten Wind. Da fühlte er sich plötzlich schuldig, was seine<br />

Tochter seinetwegen erleiden musste und er beschloss, sie zu befreien. Er schlachtete<br />

ein großes Walross als Proviant für die Seereise, packte sein Kajak mit Lebensmitteln<br />

und Wasser und folgte dem Weinen. So paddelte er drei Tage lang durch die arktischen<br />

Gewässer bis zu Sednas neuem Zuhause. Als er sich der Insel von Sednas Ehemann<br />

näherte, sah er auf den Klippen einen roten Umriss und erkannte sofort seine Tochter<br />

in dem roten Kleid, das sie bei ihrer Abreise trug. Der Anblick ihres Vaters freute und<br />

überraschte sie sehr und sie kletterte schnell in sein Kajak, um mit ihm zurück nach<br />

Hause zu fahren. Nach einigen Stunden aber sahen Sedna und ihr Vater hinter sich in<br />

der Ferne einen schwarzen Fleck am Himmel. Beide wussten sofort, dass es Sednas<br />

wütender Ehemann war, der sie verfolgte.“<br />

An dieser Stelle in der Geschichte heult der Eisbär zweimal in seiner Höhle auf, eben<br />

so, als ob er die Geschichte hören und erkennen würde. Dann tritt er wieder aus seiner<br />

Höhle heraus. Tekk wird mucksmäuschenstill: Er fühlt sich vom Bären wie magisch<br />

angezogen und es scheint, als ob dieser Tekks Blick erneut erwidert.<br />

„Vielleicht sollten wir zwischen den Besuchern durch um den Zaun herum laufen“,<br />

schlägt Tekk vor, „So merken wir, ob der Bär mich wirklich erkennt.“<br />

Als sie um das Gehege laufen, verliert der Eisbär Tekk zuerst aus den Augen. Nach<br />

kurzer Zeit entdeckt er ihn aber wieder in der Menge und es ist ganz so, als ob ein<br />

Blitz zwischen ihren Augen funkelte. Doch dann lenken zwei Wärter den Eisbären mit<br />

einem großen Gummiseehund ab, den sie in das Gehege werfen in der Hoffnung, das<br />

niedergeschlagene Tier würde sich endlich etwas bewegen. Das scheint Knut wütend zu<br />

machen, denn er springt von einem Felsen herunter und zerfetzt den Gummiseehund.<br />

Tekk dreht sich angewidert weg. Er zerrt Hans vom Gehege weg zu einer Bank unter<br />

einem Baum. Mit einem Seufzen fährt er mit seiner Geschichte fort: „Also dann verfolgte<br />

der große, schwarze Rabe seine Frau und ihren Vater her, holte immer mehr auf und<br />

segelte im Wind. Als er nahe genug war, ging er Sturzflug auf das Kajak los. Sednas Vater<br />

versuchte, sich mit dem Paddel zu verteidigen, doch verfehlte den Raben immer wieder,<br />

der nicht abließ, sie zu attackieren. Dann flog er bis dicht an die Meeresoberfläche und<br />

schlug mit den Flügeln, bis sich ein böser Sturm zusammenbraute. Die stille See wurde<br />

zu einem tobenden Meer und schmiss das winzige Kajak zwischen den Wogen hin und<br />

her. Sednas Vater bekam es mit der Angst zu tun, ergriff schließlich seine Tochter und<br />

warf sie über den Kajakrand hinaus ins Meer. „Hier“, rief er, „hier, nimm deine kostbare<br />

Frau, aber tu mir bitte nichts. Nimm sie schon!“ Sedna schrie und kämpfte während ihr<br />

Körper im eisigen Wasser immer mehr an Gefühl verlor. Sie schwamm zum Kajak hin<br />

und hielt sich mit den Fingern am Bootsrand fest. Doch ihr Vater — voller Furcht vor<br />

220 WETTERSTATIONEN: KLIMAWANDEL SCHREIBEN

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