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DAS<br />

KLASSENZIMMER<br />

Manuel Plonsky<br />

Romain-Rolland-Gymnasium, Berlin<br />

Ich fahre in den Schulhof hinein und genieße das schöne Wetter, bevor ich mein Rad<br />

abschließe, voller Erwartung auf die bevorstehende Englischstunde. Es ist Freitag, ich<br />

konnte ausschlafen, weil meine ersten zwei Stunden ausgefallen sind, ich habe mich<br />

deswegen auf die vier Stunden in der Schule und das Wochenende danach gefreut. Ich<br />

gehe in die Schule rein und grüße ein paar Freunde. In Gedanken versunken, was ich<br />

am Wochenende machen werde, gehe ich dann ins Klassenzimmer rein. Sofort merke<br />

ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Es riecht seltsam, fast wie im Wald. Ich sehe mich<br />

um und weiß sofort weswegen. Überall sind Pflanzen, Lianen klettern die Wände hoch,<br />

es brechen Wurzeln durch den Fußboden, hier und da liegt Moos, ich kann sogar sehen,<br />

wie ein Vogel aus einem gebrochenen Fenster herausfliegt. Ich kann es nicht fassen, ich<br />

gehe noch einen Schritt in den Raum hinein und höre wie das Lineal, das ich am Tag<br />

zuvor dort vergessen hatte, knackt und kaputtgeht unter meinem Fuß. Ich beuge mich,<br />

hebe es auf, und starre mir die Bruchstelle an, die mir sehr echt erscheint.<br />

Ich versuche rational zu denken, mein Gehirn sagt mir, dass es eine logische<br />

Erklärung geben muss, ich bin nicht im Traum. Ich gehe wieder aus dem Zimmer und<br />

stelle mit Überraschung fest, dass der Flur, der gerade voller Menschen war, nun leer ist<br />

und genauso aussieht, wie das Klassenzimmer, das ich gerade verlassen habe, auch hier<br />

scheint lange kein Mensch gewesen zu sein.<br />

Dann kommt es mir in den Sinn. Es muss ein Streich sein, nicht einfach von<br />

irgendjemandem gemacht, sondern wirklich professionell. Ich schaue nach Kameras,<br />

finde aber keine. „Es ist so seltsam“, sage ich mir, als ich auf einmal ein Geräusch höre,<br />

das von um die Ecke kommt und nach Singen klingt. Es kommt näher. Da ich nicht weiß,<br />

was auf mich zukommt, verstecke ich mich in einer Einbuchtung in der Wand und warte<br />

darauf, bis sich die Quelle des Gesangs zeigt. Das Singen kommt immer näher, bis ich<br />

schließlich sehe, wie ein alter Mann um die 65 vorbeigeht, der kurze graue Haare und<br />

einen Bart wie der Weihnachtsmann hat. Ich beschließe, dass er keine Gefahr darstellt,<br />

und trete aus meinem Versteck heraus. Er dreht sich langsam um und mustert mich<br />

258 WETTERSTATIONEN: KLIMAWANDEL SCHREIBEN

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