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WEATHER STATIONS

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DANACH<br />

Xiaolu Guo, London<br />

Eine in London lebende, kanadische Autorin kritisierte mich, weil ich mich für<br />

ein Klimawandelprojekt engagiere und dafür um die Welt fliege. Sie hielt dies für<br />

scheinheilig und inakzeptabel. Natürlich hat sie teilweise Recht und dies ist mir<br />

auch vollkommen bewusst. Was sie über mich sagte, trifft jedoch nicht den Kern des<br />

Problems. Wenn ich zum Beispiel nicht an dem Projekt teilgenommen hätte, hätte<br />

ich trotzdem einen enormen, ökologischen Fußabdruck verursacht (wahrscheinlich<br />

wäre dieser sogar noch größer gewesen als der, den ich tatsächlich verursacht habe),<br />

indem ich zu meiner Familie in China geflogen wäre und in der Nebensaison zur<br />

Familie meines Lebensgefährten in Australien. Ich möchte nicht versuchen, mich hier<br />

herauszureden, sondern das zentrale Problem der Welt, in der wir leben, ansprechen.<br />

Das Problem mit dem Klimawandel ist das Problem unserer weltweiten<br />

Wirtschaftsstruktur. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Sowohl ich<br />

als auch diese kanadische Autorin gehören zu den Menschen, die in dieser globalen Welt<br />

einigermaßen zurechtkommen — wir steigen ins Flugzeug, um Familienmitglieder zu<br />

besuchen oder als Teil unserer Arbeit und fliegen auch im Urlaub von einem Ort zum<br />

anderen. Anderen Einwanderern hingegen bleibt nur die Überfahrt mit einem Schiff<br />

oder sie riskieren ihr Leben in einem Schiffscontainer und hoffen darauf, in einem<br />

„besseren“ Land anzukommen. Viele überleben diese Reise nicht. Wir Menschen leben<br />

in einer Welt, in der sich das Leben immer „woanders abzuspielen“ scheint, und das<br />

Gras immer dort grüner wirkt, wo man gerade nicht ist. In Zeiten der Globalisierung<br />

werden wir alle darin bestärkt, so zu leben: arme Menschen möchten immer noch reich<br />

werden und träumen von einem Leben im Luxus. Dies ist die Krankheit unserer Zeit. Wie<br />

nannte man das noch? Anthropozän.<br />

Vielleicht ist es für eine kanadische Autorin nichts Besonderes, da sie bereits in<br />

den letzten 15 Jahren von Naomi Klein aufgeklärt wurde. Aber jemand wie ich hätte<br />

ohne die Teilnahme am Wetterstationen-Projekt niemals miterlebt, wie ein Dorf in<br />

Irland seine ländliche Lebensweise gegen sich immer weiter ausbreitende urbane<br />

230 WETTERSTATIONEN: KLIMAWANDEL SCHREIBEN

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