VGB POWERTECH 7 (2020) - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat
VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 7 (2020). Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us! Maintenance. Thermal waste utilisation
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Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us!
Maintenance. Thermal waste utilisation
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Editorial <strong>VGB</strong> PowerTech 7 l <strong>2020</strong><br />
Stromversorgung in Zeiten von Corona und COVID-19<br />
Lieber Leserinnen, liebe Leser,<br />
die weltweite Verbreitung des Corona-Virus<br />
und die damit verbundenen<br />
direkten und indirekten<br />
Folgen und Auswirkungen bestimmen<br />
seit dem Frühjahr dieses<br />
Jahres unser Leben. Die P<strong>and</strong>emie<br />
und die Covid-19-Erkrankungen<br />
haben eine für unsere moderne<br />
Gesellschaft bislang beispiellose<br />
globale Gesundheits- und Wirtschaftskrise<br />
ausgelöst. Der Coronavirus,<br />
nach derzeitigem Wissensst<strong>and</strong><br />
erstmals in den frühen<br />
Tagen dieses Jahres in Wuhan,<br />
China, mit einem lokalen Ausbruch<br />
wahrgenommen, bestimmt<br />
privates, gesellschaftliches, wirtschaftliches<br />
und politisches Leben.<br />
Was wir persönlich als bestenfalls Einschränkungen unserer Bewegungsfreiheit<br />
wahrnehmen, trifft erkrankte Menschen schwer. Auch<br />
das Wirtschaftsleben hat sich verändert. Weltweit vermelden die<br />
Staaten Rückgänge bei der Wirtschaftsleistung und so Einbrüche<br />
beim Bruttosozialprodukt in einer Höhe, die deutlich auf eine wirtschaftliche<br />
Rezession deuten und schwerwiegender sind, als die<br />
Rückgänge im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009.<br />
In Ländern der OECD werden für die erste Jahreshälfte <strong>2020</strong> bis zu<br />
13 % Rückgang vermeldet und für die Weltwirtschaft wird mit einem<br />
Rückgang für das Gesamtjahr <strong>2020</strong> von um die 5,6 % gerechnet, vorausgesetzt<br />
dass es in der zweiten Jahreshälfte <strong>2020</strong> nicht durch eine<br />
erneute p<strong>and</strong>emischen Ausbreitung zu wiederholten Beschränkungen<br />
des öffentlichen und Wirtschaftslebens kommt.<br />
Die Corona-Krise verdeutlicht aber auch erneut, welche zentrale Bedeutung<br />
dem Energiesektor und vor allem einer zuverlässigen und<br />
sicheren Stromversorgung gerade in solchen Zeiten zukommt. Eine<br />
unterbrechungsfreie Stromversorgung ist schon in normalen Zeiten<br />
für moderne Gesellschaften von elementarer Bedeutung und jegliche<br />
Unterbrechung kann folgenreich sein, technisch zum Beispiel mit ausgefallenen<br />
und möglicherweise gestörten oder beschädigten Anlagen,<br />
privat durch Engpässe bei der Infrastruktur angefangen vom Heizen,<br />
über das Kühlen bis hin zur abendlichen Beleuchtung. In Zeiten der<br />
Corona-Krise mit ihren Einschränkungen unseres Bewegungsraumes<br />
zur Minimierung von Verbreitungsrisiken, spielt die digitale Kommunikation<br />
auf privater und beruflicher Ebene eine maßgebliche Rolle<br />
und damit gerade die Stromversorgung. Nicht mehr der persönliche<br />
Präsenzkontakt ist möglich und zählt oder wird gesucht, vielmehr<br />
kommen zu den bekannten Kommunikationswegen Telefon oder<br />
E-Mail vor allem die vielfältigen Angebote von Videokonferenztools<br />
bis hin zu inzwischen auch „virtuellen Konferenzen oder Messen“.<br />
Technische Grundlage für all diese Tools ist letztendlich eine stabile,<br />
unterbrechungsfreie Stromversorgung.<br />
365/24/3600 könnte hier die Losung für die unsere Branche lauten.<br />
Dafür haben die Energieversorger schon im Vorfeld, unabhängig von<br />
Corona, vorgesorgt. Mit Weitsicht und geeigneter Vorausplanung<br />
konnte die Stromversorgung in der aktuellen Krise sicher gestellt werden.<br />
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Beschäftigten, denn<br />
sie sind es, die vor Infektionen geschützt werden müssen aber auch<br />
ggf. vor Ort die Anlagen bedienen oder warten müssen. Die Maßnahmen<br />
dazu sind vielfältig. Sie reichen dort, wo möglich, von der Minimierung<br />
von Infektionsrisiken durch zum Beispiel Home<strong>of</strong>ficekonzepte<br />
bis hin zu validen Sicherheitskonzepten für Anlagenst<strong>and</strong>orte<br />
bis hin zu einem möglichen autarken Betrieb von Anlagen.<br />
Die bisherige Coronap<strong>and</strong>emie und ihre Folgen haben auch deutliche<br />
Spuren beim Energiebedarf hinterlassen. Ganz <strong>of</strong>fensichtlich<br />
zeigt sich dies bei den weltweiten Ölpreisen. Nach dem bisherigen<br />
Preishoch in den Jahren 2011/2012 mit knapp 120 US$/Barrel (Vergleichssorte<br />
die U.S.-amerikanische Sorte WTI (West Texas Intermediate))<br />
ist der Ölpreis in den folgenden 10 Jahren teils gesunken, teils<br />
zwischenzeitlich etwas gestiegen und lag zu Anfang dieses Jahres<br />
bei rund 52 US$/barrel. Mit der Coronakrise brach der Preis auf 13<br />
US$/Barrel ein und erreichte so sogar am Terminspotmarkt negative<br />
Beträge. Derzeit liegt er bei rund 40 US$/Barrel und stabilisiert sich<br />
auf diesem Niveau. Auch der weltweite Rohölbedarf zeigt deutliche<br />
Veränderungen. Die <strong>International</strong>e Energieagentur IEA notiert für die<br />
Zeit des scharfen Lockdowns einen Rückgang von rund 9 % von rund<br />
100 um rund 8,1 auf aktuell 91,9 Millionen Barrel pro Tag.<br />
Sehr deutlich waren und sind die Auswirkungen für den Strombedarf.<br />
Mit den jeweiligen einschränkenden Maßnahmen in den einzelnen<br />
Staaten und Regionen sank dieser umgehend und deutlich.<br />
In China, Ausgangspunkt der Coronakrise, sank der Strombedarf in<br />
den ersten Monaten des Jahres <strong>2020</strong> im Vorjahresvergleich um 13 %.<br />
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Winter 2018/2019 deutlich<br />
kühler war als der aktuelle, sodass sich ein temperaturbereinigter<br />
Rückgang um 10 % ergibt. Mit den Lockerungen bei den öffentlichen<br />
und wirtschaftlichen Einschränkungen sowie einem warmen Frühjahr<br />
und Frühsommer mit zunehmendem Klimatisierungsbedarf erreichte<br />
der Strombedarf wieder das Vorjahresniveau und lag im Juni<br />
<strong>2020</strong> sogar schon um 1 % höher als im Vorjahresmonat.<br />
In Indien und Großbritannien, zwei Länder mit besonders tief einschneidenden<br />
Corona-Beschränkungen, sank der Strombedarf im<br />
März/April sogar um fast 30 % und stieg ebenfalls mit Lockerungen<br />
der Beschränkungen an, wobei er im Juni noch rund 5 % unter Vorjahresniveau<br />
lag. Letzteres gilt auch für Deutschl<strong>and</strong>, wobei der Einbruch<br />
beim Strombedarf laut IEA im April bei etwa 14 % lag.<br />
Obgleich Prognosen aufgrund der bestehenden Unsicherheiten und<br />
möglicher erneuter Beschränkungen des privaten und öffentlichen<br />
Lebens vage sind, wird von der IEA für das Gesamtjahr <strong>2020</strong> bedingt<br />
durch die Verbrauchsentwicklung im ersten Halbjahr mit einem insgesamt<br />
um bis zu 5 % weltweit niedrigeren Stromverbrauch gerechnet.<br />
In der weiteren Perspektive rechnet die IEA wieder mit einer Fortsetzung<br />
der Bedarfssteigerung im Bereich von 1 bis 3 %.<br />
Bemerkenswert sind für das erste Halbjahr die Veränderungen bei der<br />
Erzeugungsstruktur. In allen größeren Verbrauchsregionen hat sich<br />
die Erzeugungsstruktur in Richtung der erneuerbaren Energien entwickelt.<br />
Die Ursachen liegen in dem skizzierten insgesamt geringeren<br />
Strombedarf infolge der Lockdown-Maßnahmen verbunden mit<br />
geringen laufenden Betriebskosten der Erneuerbaren und ihrer teils<br />
priorisierten regulatorischen Einspeisung.<br />
Für das Gesamtjahr <strong>2020</strong> erwartet die IEA nach einem Szenario mit<br />
den monatelangen Einschränkungen bei Mobilität sowie privaten<br />
und wirtschaftlichen Aktivitäten eine nur allmähliche Rückkehr zur<br />
vorherigen Wirtschaftsentwicklung und dem damit verbundenen<br />
Energiebedarf. Dieses Szenario weist für die Gesamtenergienachfrage<br />
einen Rückgang von 6 % aus, d.h. der höchste Rückgang der vergangenen<br />
70 Jahre. Die Folgen der Coronakrise für die Energienachfrage<br />
wären damit rund sieben Mal größer als die der Finanzkrise von<br />
2008. Auch sieht die IEA alle Energieträger als betr<strong>of</strong>fen an.<br />
Ungeachtet dieser Perspektiven wird die Energiebranche weiterhin<br />
ihrer besonderen Verantwortung bei der sicheren und zuverlässigen<br />
Energieversorgung nachkommen, da ihr, wie eingangs skizziert, eine<br />
besonders zentrale Rolle bei der Bewältigung der aktuellen Krisensituation<br />
zukommt.<br />
Dipl.-Ing. Christopher Weßelmann<br />
Chefredakteur <strong>VGB</strong> <strong>POWERTECH</strong><br />
Essen, Deutschl<strong>and</strong><br />
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