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VGB POWERTECH 7 (2020) - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat

VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 7 (2020). Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us! Maintenance. Thermal waste utilisation

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Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us!
Maintenance. Thermal waste utilisation

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<strong>VGB</strong> PowerTech 7 l <strong>2020</strong><br />

Optimierte Inst<strong>and</strong>haltungsstrategien in der thermischen Abfallverwertung<br />

sensorbasierten Daten digitale Abbilder<br />

(Digital Twins) generiert und kontinuierlich<br />

mit den aktuellen Daten verglichen,<br />

um frühzeitig belastbare Hinweise auf Auffälligkeiten<br />

oder schleichende Veränderungen<br />

einer Anlage zu erhalten. Um solche<br />

Anomalien zuverlässig zu erkennen<br />

und gleichzeitig Phantom-Anomalien zu<br />

vermeiden, dienen zur Modellbildung bislang<br />

zwei unterschiedliche, aber sich<br />

durchaus ergänzende Methoden.<br />

Mit Expertenwissen zu<br />

High-Quality-KPIs<br />

Der HQ-KPI-Ansatz (HQ-KPI: High Quality-Key<br />

Per<strong>for</strong>mance Indicator) basiert auf<br />

Expertenwissen, wobei ausgewählte Messungen<br />

und wichtige Kenngrößen überwacht<br />

werden, von denen bekannt ist, dass<br />

sie besonders aussagekräftig für die frühzeitige<br />

Erkennung spezifischer Störungen<br />

in kritischen Anlagenteilen sind.<br />

Auf Basis historischer Daten lassen sich<br />

dann mit Machine Learning-Verfahren und<br />

neuronaler Netze Modelle erstellen, die<br />

das Verhalten im Normalzust<strong>and</strong> abbilden.<br />

Experten legen die für ein solches Modell<br />

er<strong>for</strong>derlichen Eingangsgrößen fest. Mithilfe<br />

der Erfahrungen des Bedienpersonals<br />

einer Anlage werden zudem Einfluss- und<br />

Störgrößen definiert. Der Einsatz zusätzlicher<br />

ausgewählter statistischer Methoden<br />

ermöglicht es schließlich, Anomalien robust<br />

und zuverlässig zu erkennen. Ein derartiger<br />

HQ-KPI wird im Anschluss <strong>of</strong>fline<br />

getestet und bei Bedarf korrigiert. Erst<br />

nach einer längeren Prüfung erfolgt die<br />

Freigabe für den Online-Einsatz. Dieses<br />

Verfahren gewährleistet, dass die Anzahl<br />

der Fehlalarme auf nahezu null reduziert<br />

wird, wodurch wiederum das Vertrauen<br />

des Bedienpersonals in das System wächst.<br />

Die ausgewählten überwachten Messungen<br />

oder wichtigen Kenngrößen werden<br />

übersichtlich in einem Cockpit dargestellt,<br />

um auf Basis dieser In<strong>for</strong>mationen über<br />

mögliche weitere Untersuchungen oder<br />

konkrete Inst<strong>and</strong>haltungsmaßnahmen entscheiden<br />

zu können.<br />

Autonomes Lernen auf Basis<br />

von Big Data<br />

Der beschriebene Prozess lässt sich mit Big<br />

Data-Technologien automatisieren, wobei<br />

die zunächst nicht bekannten Abhängigkeiten<br />

oder Zusammenhänge der Daten<br />

durch entsprechende Algorithmen automatisch<br />

und selbstlernend erkannt werden.<br />

Zur Anomalie-Erkennung von sensorbasierten<br />

Daten dienen Algorithmen wie<br />

der Deep Learning-Autoencoder. Er verwendet<br />

sämtliche verfügbaren Messwertkanäle<br />

und ermittelt selbstständig die Zusammenhänge.<br />

Alle genutzten Messwerte<br />

sind somit sowohl Eingangs- als auch Zielgröße<br />

und müssen nicht, wie beim HQ-KPI-<br />

Ansatz, explizit vorgegeben werden. Die<br />

Ergebnisse (Abweichungen zwischen Erwartungs-<br />

und Ist-Wert) werden in einer<br />

<strong>Heat</strong>map dargestellt.<br />

Intelligente Erweiterung<br />

der Verfahren<br />

Die KI-basierte Erweiterung des weiter<br />

oben beschriebenen Frühwarnsystems<br />

kombiniert nun die Vorteile aus beiden Methoden<br />

und ermöglicht eine schnelle Überwachung<br />

aller verfügbaren Messwerte<br />

ohne großen initialen Aufw<strong>and</strong>. Die Qualität<br />

der Ergebnisse reicht hierbei nahezu an<br />

die HQ-KPIs heran.<br />

Alle relevanten Betriebswerte aus den sensorbasierten<br />

Daten einer Anlage dienen<br />

hierbei als Eingangsgrößen für das System.<br />

Mithilfe von Big Data-Methoden und Machine<br />

Learning identifiziert die Lösung bestehende<br />

Korrelationen und bildet autonom<br />

entsprechende Modelle. Die Algorithmen<br />

des Deep Learning Autoencoders<br />

ermitteln in diesem Zusammenhang aus<br />

den Eingangsgrößen die für die Prozessoptimierung<br />

wichtigen Referenzwerte. Anh<strong>and</strong><br />

dieser Referenzwerte lassen sich wiederum<br />

die konkreten Stellgrößen bzw. Parameter<br />

zur Prozessoptimierung festlegen.<br />

Bei Bedarf kann die Erkennungsrate für besonders<br />

wichtige Größen mithilfe der klassischen<br />

Expertenmodelle weiter gesteigert<br />

werden. Da die Verfahren zudem beliebig<br />

skalierbar sind, lassen sie sich „smart“ mitein<strong>and</strong>er<br />

kombinieren, wodurch die lückenlose<br />

Überwachung mit dem neuen<br />

System in wichtigen Bereichen durch den<br />

klassischen und wissensbasierten Ansatz<br />

unterstützt wird.<br />

Innovationsprojekt<br />

„Big Data und KI“<br />

Die beschriebene Lösung für die statistische<br />

Prozesskontrolle hat sich zur kontinuierlichen<br />

Prozessgüte- und Zust<strong>and</strong>süberwachung<br />

bereits in der Praxis bewährt, wie<br />

eine Anwendung bei der MVV Umwelt belegt.<br />

Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft<br />

des Mannheimer Energieunternehmens<br />

MVV Energie und bündelt alle Aktivitäten<br />

im Bereich der Energieerzeugung<br />

in Europa. Die Gesellschaft verfügt über<br />

eine installierte Leistung von insgesamt<br />

467 MW elektrisch alleine aus erneuerbaren<br />

Energien. Der Großteil wird mit acht<br />

thermischen Abfallverwertungsanlagen<br />

und vier Biomassekraftwerken in Deutschl<strong>and</strong>,<br />

Engl<strong>and</strong> und Schottl<strong>and</strong> erzeugt,<br />

wobei man jährlich ca. 1,5 Mio. Mg Abfall<br />

und 0,6 Mio. Mg Altholz zu Energie recycelt.<br />

Die Produktionsprozesse, gesteuert<br />

durch moderne Prozessleitsysteme, sind<br />

vollautomatisiert. Je Anlage sind hierzu<br />

mehrere Tausend Sensoren und Aktoren<br />

im Einsatz. In einem Langzeitarchiv werden<br />

seit 1991 alle zwei Sekunden rund<br />

25.000 Messwerte abgespeichert.<br />

Da diese Daten eine Vielzahl an In<strong>for</strong>mationen<br />

über die einzelnen Anlagen liefern,<br />

besteht ein immenses Potenzial, das<br />

Prozesswissen gezielt auszubauen und die<br />

Effizienz sowie Verfügbarkeit der Anlagen<br />

zu steigern. Daher wurde gemeinsam<br />

das Innovationsprojekt „Big Data und<br />

KI“ gestartet. Die darin enthaltenen Projekte<br />

werden in einer zentralen Abteilung<br />

zur Anlagenoptimierung und Digitalisierung<br />

gebündelt und hierbei Methoden<br />

wie Big Data und KI-Technologien<br />

mit ingenieurtechnischem Wissen kombiniert.<br />

Umfang an Prozessparameter<br />

erschwert Überwachung<br />

Durch die <strong>for</strong>tschreitende Automation der<br />

Anlagen ist zwar der Betrieb mit weniger<br />

Personal möglich. Allerdings wird es hierdurch<br />

schwieriger, alle Prozessparameter<br />

in ausreichender Tiefe zu überwachen, wobei<br />

insbesondere der große Umfang an<br />

Prozessparametern dem Betriebs- und Inst<strong>and</strong>haltungspersonal<br />

die Einschätzung<br />

und Beurteilung von Teilprozessen oder<br />

Einzelkomponenten erschwert. Um unbemerkte<br />

Verschlechterungen des Anlagenwirkungsgrads<br />

und scheinbar plötzliche<br />

Ausfälle von Komponenten zu vermeiden,<br />

ist eine kontinuierliche Überwachung er<strong>for</strong>derlich,<br />

die Anomalien rechtzeitig erkennt<br />

und meldet. Hierzu muss der aktuelle<br />

Zust<strong>and</strong> mit einem auf Basis verschiedener<br />

Einflussfaktoren erwarteten Referenzzust<strong>and</strong><br />

verglichen werden. Aus den aufgezeichneten<br />

Messdaten lassen sich aussagekräftige<br />

Referenzmodelle erstellen, die<br />

das Verhalten im erwarteten Zust<strong>and</strong> abbilden.<br />

Das zu Beginn des Beitrags beschriebene<br />

System von STEAG Energy Services<br />

sowie dessen KI-basierte Erweiterung<br />

wurden ab Oktober 2018 über einen Zeitraum<br />

von sechs Monaten in den thermischen<br />

Abfallverwertungsanlagen der<br />

MVV Umwelt am St<strong>and</strong>ort Mannheim getestet.<br />

Systematische Vernetzung<br />

einzelner St<strong>and</strong>orte<br />

Eine grundlegende Voraussetzung zur Realisierung<br />

der Digitalisierungsprojekte wie<br />

das Monitoring-System ist die Vernetzung<br />

der einzelnen St<strong>and</strong>orte in Europa. Im ersten<br />

Schritt wurden hierzu die Prozessanbindungen<br />

auf st<strong>and</strong>ardisierte Schnittstellen<br />

aufgerüstet, eine zentrale IIoT-Platt<strong>for</strong>m<br />

(Industrial Internet <strong>of</strong> Things)<br />

aufgebaut und die Prozessleitsysteme der<br />

St<strong>and</strong>orte über einen OPC-UA Server mit<br />

dem jeweiligen IIoT-Netzwerksegment verbunden.<br />

Jedes Segment besitzt einen eigenen Koppelrechner,<br />

der die Daten aus dem Leitsystem<br />

über Virtuelle Private Netzwerke<br />

(VPN) an das zentrale Langzeitdatenarchiv<br />

in Mannheim übermittelt. Auch aus dem<br />

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