Forschung Migration und Gesundheit im Rah - Bundesamt für ...
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1 Einleitung<br />
Seit Mitte der 90er-Jahre beträgt der Ausländeranteil an der<br />
Wohnbevölkerung der Schweiz mehr als ein Fünftel, <strong>im</strong> Jahre<br />
2003 lag er bei 21,7%. Ende Dezember 2003, dem Ausgangspunkt<br />
dieser Studie, umfasste der Bestand der ständigen ausländischen<br />
Wohnbevölkerung 1,47 Millionen Personen, hinzu<br />
kamen knapp 65’000 Asylsuchende. Die seit 1992 regelmässig<br />
durchgeführte Schweizer Ges<strong>und</strong>heitsbefragung (SGB) liefert<br />
zwar umfangreiche Daten zum Ges<strong>und</strong>heitsstatus <strong>und</strong> zum<br />
Ges<strong>und</strong>heitsverhalten der schweizerischen Bevölkerung <strong>und</strong><br />
des Teils der <strong>Migration</strong>sbevölkerung, der eine der Landessprachen<br />
beherrscht. Damit sind aber in der SGB solche Migrantinnen<br />
<strong>und</strong> Migranten generell ausgeschlossen, die sprachlich<br />
<strong>und</strong> damit insgesamt tendenziell weniger gut in die schweizerische<br />
Aufnahmegesellschaft integriert sind.<br />
In diesem Kontext bildet das Ges<strong>und</strong>heitsmonitoring der<br />
Schweizerischen <strong>Migration</strong>sbevölkerung (GMM) 2004 einen<br />
zentralen Bestandteil der strategischen Ausrichtung des B<strong>und</strong>es<br />
«<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 2002–2007» mit dem Ziel<br />
eines offenen Ges<strong>und</strong>heitssystems <strong>für</strong> eine pluralistische<br />
Gesellschaft. Ein Monitoringsystem zu ges<strong>und</strong>heitlicher Lage<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsverhalten liefert epidemiologische Informationen<br />
als Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Ausgangspunkt, um Massnahmen<br />
zu entwickeln, neue Problematiken zu erkennen <strong>und</strong> künftige<br />
Prioritäten zu setzen. Das GMM 2004 ist darauf angelegt, den<br />
Ges<strong>und</strong>heitsstatus von Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen mit den<br />
Methoden zu erfassen <strong>und</strong> zu beschreiben, die sich <strong>im</strong> <strong>Rah</strong>men<br />
der SGB bewährt haben. Der Artikel vermittelt einen deskriptiven<br />
Überblick über erste zentrale Ergebnisse aufgr<strong>und</strong><br />
einer vorläufig nur nach Nationalitätsgruppen vorgenommenen<br />
Analyse.<br />
2 Methodik<br />
Die Gr<strong>und</strong>gesamtheit des GMM bildet die schweizerische <strong>und</strong><br />
nicht schweizerische Bevölkerung <strong>im</strong> Alter zwischen 15 <strong>und</strong><br />
74 Jahren. Sie setzt sich aus drei Modulen zusammen: Modul I<br />
beinhaltet die in der SGB erfassten Autochthonen sowie die<br />
<strong>Migration</strong>sbevölkerung aus Italien, Deutschland, Österreich<br />
<strong>und</strong> Frankreich; Modul II umfasst die ständig ansässige Wohnbevölkerung<br />
aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien,<br />
aus Portugal, der Türkei <strong>und</strong> Sri Lanka <strong>und</strong> Modul III Asylsuchende<br />
aus Sri Lanka <strong>und</strong> dem Kosovo. Für Modul II <strong>und</strong> III<br />
sind zusätzliche, computergesteuerte telefonische Interviews<br />
durchgeführt worden.<br />
Für Modul II wurde eine disproportional nach Alter <strong>und</strong> Geschlecht<br />
geschichtete Stichprobe aus dem zentralen Ausländerregister<br />
gezogen, <strong>für</strong> Modul III eine ungeschichtete aus<br />
dem Personenregister des B<strong>und</strong>esamts <strong>für</strong> <strong>Migration</strong>. Bei<br />
einer anvisierten Stichprobe von 2500 in Modul II <strong>und</strong> 500<br />
in Modul III konnten mit 4168 aktivierten Ausgangsadressen<br />
insgesamt 3024 Interviews realisiert werden, was einer Ausschöpfung<br />
von 72,6% entspricht. Modul I <strong>und</strong> II wurden nach<br />
Geschlecht <strong>und</strong> Alter analog administrativen Daten entsprechend<br />
den tatsächlichen Verteilungen in der Schweiz gewichtet,<br />
<strong>für</strong> Modul III war dies nicht vorgesehen.<br />
Ausgangsbasis der Entwicklung des Befragungsinstruments<br />
<strong>für</strong> Modul II <strong>und</strong> III war der Fragebogen der SGB, der gekürzt<br />
<strong>und</strong> um migrationsspezifische Fragen erweitert wurde. Daher<br />
ist nur bei einem Teil der Variablen ein Vergleich zwischen allen<br />
Gruppen möglich. Bei den zusätzlich konstruierten Fragen<br />
kann hingegen nur zwischen Befragten der Module II <strong>und</strong> III<br />
verglichen werden. Ein mehrstufiges Übersetzungsprozedere<br />
zur transkulturellen Validierung des Erhebungsinstruments umfasste<br />
Überprüfungen durch kulturelle <strong>und</strong> muttersprachliche<br />
Experten oder Expertinnen der jeweiligen Ethnie sowie qualitative<br />
kognitive Pretests. Als Interviewsprachen kamen wahlweise<br />
die jeweilige Muttersprache oder Deutsch bzw. Französisch<br />
zur Anwendung; Asylsuchende wurden ausschliesslich<br />
in ihrer Muttersprache interviewt.<br />
Der Kombination einer konsequenten Umsetzung des beschriebenen<br />
Stichprobendesigns mit der Erarbeitung migrationsspezifischer<br />
Fragestellungen zu Lebenslage <strong>und</strong><br />
Wanderungsgeschichte der Befragten <strong>und</strong> der Anwendung<br />
ausführlich getesteter muttersprachlicher Befragungsinstrumente<br />
durch entsprechend geschultes Personal kommt in<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssurveyforschung<br />
europaweit methodologischer Pioniercharakter zu.<br />
Das vorgestellte Projekt steckt damit auch den min<strong>im</strong>alen<br />
Aufwand ab, der <strong>für</strong> eine migrationssensible Berichterstattung<br />
notwendigerweise zu betreiben ist, <strong>und</strong> eröffnet deutlich weiterführende<br />
Analysemöglichkeiten als bislang vorhandene Datensätze<br />
zum Themenkomplex <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit.<br />
3 Resultate<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich beinhaltet der Datensatz Informationen, die<br />
deutlich über die <strong>im</strong> Folgenden präsentierten Resultate hinausgehen.<br />
Berichtet werden zunächst einige wenige Ergebnisse<br />
zur sozialen Lage <strong>und</strong> Soziodemografie, die mit Aspekten der<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Versorgungslage in Zusammenhang stehen.<br />
Anschliessend werden Ergebnisse zur ges<strong>und</strong>heitlichen Lage<br />
von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Schweiz dargestellt,<br />
gefolgt von Informationen zum Ges<strong>und</strong>heitsverhalten, d.h. der<br />
Inanspruchnahme von Ges<strong>und</strong>heitsleistungen einschliesslich<br />
ihrer <strong>Migration</strong>sspezifik sowie ihrer ges<strong>und</strong>heitsförderlichen<br />
<strong>und</strong> -riskanten Verhaltensweisen.<br />
3.1 Soziale Lage <strong>und</strong> Soziodemografie<br />
Soziodemografisch betrachtet, sind Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />
der ständigen Wohnbevölkerung <strong>im</strong> Vergleich zur schweizerischen<br />
Bevölkerung durch einen Männerüberschuss gekennzeichnet.<br />
Ebenso gilt, dass die <strong>Migration</strong>sbevölkerung <strong>im</strong><br />
Mittel jünger ist als die schweizerische Bevölkerung.<br />
In Bezug auf Bildung, berufliche Stellung <strong>und</strong> Einkommen sind<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in aller Regel schlechter gestellt<br />
als die schweizerische Bevölkerung. Sozioökonomisch betrachtet,<br />
demonstriert dies eine <strong>für</strong> <strong>Migration</strong>sprozesse typische<br />
Unterschichtung der Aufnahmegesellschaft. Konstruiert<br />
man aus den genannten Merkmalen einen Schichtindikator,<br />
so zeigen sich in kompr<strong>im</strong>ierter Form die tendenziell deutliche<br />
sozialstrukturelle Benachteiligung der <strong>Migration</strong>sbevölkerung<br />
insgesamt wie auch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen<br />
Gruppen (Übersicht 1).<br />
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