Forschung Migration und Gesundheit im Rah - Bundesamt für ...
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Die bisherige Auswertung enthält zwar deskriptiv zahlreiche<br />
Hinweise auf gruppenspezifische Besonderheiten <strong>und</strong> Defizite,<br />
welche Ansatzpunkte <strong>für</strong> entsprechend zielgruppenspezifische<br />
Massnahmen bieten, sie kann jedoch insbesondere<br />
deshalb nicht abschliessend sein, weil sie auf diese Weise<br />
gleichzeitig die Gefahr birgt, die in Frage stehende Problematik<br />
in einer kulturalistisch verengten Perspektive wahrzunehmen<br />
<strong>und</strong> so zur Konstruktion ethnisierender Stereotype beizutragen.<br />
Schon die skizzierte Analyse von sozialer Lage <strong>und</strong> Soziodemografie<br />
hatte zahlreiche Hinweise auf die interne Heterogenität<br />
der <strong>Migration</strong>sbevölkerung insgesamt <strong>und</strong> auch der<br />
jeweiligen einzelnen Gruppen ergeben. So ist hier zunächst<br />
die – neben Alter <strong>und</strong> Geschlecht – gerade <strong>im</strong> Hinblick auf Ges<strong>und</strong>heitsfragen<br />
unabhängig von <strong>Migration</strong> allgemein zentrale<br />
D<strong>im</strong>ension der sozialen Situation <strong>für</strong> eine weitergehende, differenzierte<br />
Analyse zu nennen.<br />
In einem nächsten Schritt wären differenzierende Momente<br />
von <strong>Migration</strong>ssituation <strong>und</strong> -prozess zu untersuchen. Bislang<br />
ist dies nur <strong>im</strong> Hinblick auf die Unterscheidung zwischen ständig<br />
ansässiger Wohnbevölkerung <strong>und</strong> Asylsuchenden erfolgt.<br />
Unterscheidungen nach Aufenthaltsdauer <strong>und</strong> Generationszugehörigkeit,<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> sowie zusammenfassend<br />
zu betrachtenden sozialen Verflechtungen mit dem Herkunftsland,<br />
solchen innerhalb der Schweiz sowie entsprechenden<br />
mit der Aufnahmegesellschaft, kämen hier in Frage. Zu<br />
Letzteren gehörten <strong>im</strong> besonderen Masse Sprachkenntnisse<br />
<strong>und</strong> sprachliche Integration. Erst wenn derartige Aspekte der<br />
<strong>Migration</strong> als sozialer Lage in ihrer Bedeutsamkeit <strong>für</strong> die ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Lage <strong>und</strong> das Ges<strong>und</strong>heitsverhalten der Migrantinnen<br />
<strong>und</strong> Migranten in der Schweiz geklärt sind, könnten<br />
verbleibende Differenzen zumindest in Teilen der Wirkung von<br />
Ethnizität <strong>und</strong> Kultur zugeschrieben werden.<br />
5 Empfehlungen<br />
5.1 <strong>Forschung</strong><br />
Die Diskussion der Resultate legt bereits nahe, dass die Arbeit<br />
mit einer groben Deskription der Ergebnisse, wie sie in vorliegendem<br />
Beitrag erfolgt ist, nicht abgeschlossen sein kann.<br />
Vielmehr bietet es sich an, die Daten in der einen oder anderen<br />
Form der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, um sie<br />
in Hinblick auf die oben angerissenen <strong>und</strong> weitere denkbare<br />
Fragestellungen eingehend analysieren zu lassen. Damit einher<br />
geht, dass erst die intensive Beschäftigung mit den Best<strong>im</strong>mungsfaktoren<br />
spezifischer ges<strong>und</strong>heitlicher oder versorgungstechnischer<br />
Problemlagen der <strong>Migration</strong>sbevölkerung<br />
eine gut f<strong>und</strong>ierte Formulierung sozialpolitischer Empfehlungen<br />
ermöglicht, die sich bisher nur in groben Zügen aus den<br />
Daten ableiten lassen.<br />
Nicht zuletzt in Hinblick auf die Umsetzung einer migranten-<br />
<strong>und</strong> migrantinnensensiblen Sozialpolitik empfiehlt es sich,<br />
die vorliegende Untersuchung in regelmässigen Abständen<br />
zu wiederholen <strong>und</strong> – soweit möglich – in den regulären Turnus<br />
<strong>und</strong> Ablauf der Schweizerischen Ges<strong>und</strong>heitsbefragung<br />
zu integrieren. Neben neuen <strong>und</strong> zunächst vernachlässigten<br />
Fragestellungen oder der Modifikation bereits verwendeter Erhebungsinstrumente<br />
sollte hier auch die Fortschreibung zentraler<br />
Indikatoren Berücksichtigung finden, da nur so positive<br />
oder negative Entwicklungen aufgezeichnet <strong>und</strong> ggf. ein systematisches<br />
Politikmonitoring betrieben werden können.<br />
5.2 Sozialpolitik<br />
In Bezug auf sozialpolitische Empfehlungen ist zuvorderst auch<br />
darauf hinzuweisen, dass gerade die in Bezug auf Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Versorgung problematisch erscheinenden Resultate Folgen<br />
der Zuwanderung in nicht hinreichend vorbereitete Aufnahmegesellschaften<br />
darstellen. Ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />
sind in diesem Sinne auch Zeichen einer unvollständigen Integration,<br />
die sich in den Daten zur sozialen Lage deutlich widerspiegelt.<br />
Die vielleicht wichtigste sozialpolitische Empfehlung<br />
stellt deshalb jenseits konkret ges<strong>und</strong>heitspolitischer Massnahmen<br />
die Forderung dar, die Bemühungen um eine bessere<br />
sprachliche <strong>und</strong> ökonomische Integration von Migrantinnen<br />
<strong>und</strong> Migranten voranzutreiben. Denn gerade auch die Best<strong>im</strong>mungsfaktoren<br />
der sozialen Lage stellen erklärungsmächtige<br />
Faktoren <strong>für</strong> eine bessere oder schlechtere Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
mangelnde Sprachkenntnisse ein Haupthindernis dar <strong>für</strong> sozialen<br />
Aufstieg, aber auch <strong>für</strong> eine adäquate Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<br />
der zugewanderten Bevölkerung.<br />
Dennoch bedeutet Sozialpolitik auch, mit den aktuellen Gegebenheiten<br />
umzugehen <strong>und</strong> auf Problemlagen zu reagieren.<br />
Einige Ansatzpunkte lassen sich bereits auf deskriptiver Ebene<br />
aus den vorliegenden Ergebnissen ablesen. Zum einen<br />
zeigt die Datenlage, dass das Nachdenken über professionelle<br />
Sprachmittlung <strong>im</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen in die richtige Richtung<br />
weist. Die Kommunikationsstrukturen zwischen Ärztinnen <strong>und</strong><br />
Ärzten <strong>und</strong> ihrer zugewanderten Klientel weisen auf breiter<br />
Ebene Defizite auf, die einerseits das rein sprachliche – zunächst<br />
abgesehen vom kulturellen – Verständnis des Gegenübers<br />
betreffen <strong>und</strong> andererseits die notwendige Anonymität<br />
dieser Kommunikation <strong>und</strong> damit die Int<strong>im</strong>sphäre der betroffenen<br />
Personen berühren.<br />
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