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Forschung Migration und Gesundheit im Rah - Bundesamt für ...

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1 Einleitung<br />

Mit einem Anteil von 21,7% der ausländischen Bevölkerung<br />

an der Wohnbevölkerung <strong>im</strong> Jahr 2003 (Heiniger et al., 2004)<br />

gehört die Schweiz zu den Ländern Europas mit dem relativ<br />

höchsten Ausländeranteil. Die Raten schwanken dabei sehr<br />

stark zwischen max<strong>im</strong>al 37,8% <strong>im</strong> Kanton Genf <strong>und</strong> min<strong>im</strong>al<br />

8,2% <strong>im</strong> Kanton Uri; der Kanton Zürich liegt mit 22,0% nahe<br />

be<strong>im</strong> gesamtschweizerischen Durchschnitt (Statistisches Amt,<br />

2003). Typischerweise leben die in der Schweiz wohnenden<br />

Ausländer schon sehr lange <strong>im</strong> Lande (36% seit mindestens<br />

15 Jahren (Heiniger et al., 2004). Der hohe Ausländeranteil <strong>und</strong><br />

die lange Aufenthaltsdauer werden auch über die sehr niedrigen<br />

Einbürgerungsraten in den schweizerischen Kantonen<br />

(z.B. Zürich 1,8% jährlich <strong>im</strong> Vergleich zu 3,0% <strong>im</strong> EU-Durchschnitt<br />

[ohne, 2000]) vermittelt. In der politischen Bewältigung<br />

der besonderen Lebenssituation von Ausländern wird von einem<br />

schlechteren Ges<strong>und</strong>heitszustand bei der ausländischen<br />

Bevölkerung ausgegangen, der auch eine verbesserte Responsivität<br />

des schweizerischen Ges<strong>und</strong>heitssystems auf die<br />

besonderen Bedürfnisse dieses Bevölkerungsteils erfordert.<br />

Zur psychischen Ges<strong>und</strong>heit von MigrantInnen existieren (in<br />

der Schweiz wie andernorts) bislang nur wenige Untersuchungen<br />

(Weiss, 2003). Dieser Umstand lässt sich wohl zurückführen<br />

auf die grosse Heterogenität, welche <strong>Migration</strong>sprozesse<br />

vor, während <strong>und</strong> nach dem Faktum des Wohnsitzwechsels<br />

annehmen können. Zudem wird generell festgestellt, dass <strong>für</strong><br />

den Erhalt der psychosozialen Ges<strong>und</strong>heit juristische, strukturelle<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Bedingungen <strong>im</strong> <strong>Migration</strong>sprozess<br />

<strong>und</strong> in den Aufnahmeländern ausschlaggebend sind. Diese<br />

variieren erheblich (Weiss, 2003). Zu den nachweislichen Belastungen<br />

nach der Ankunft <strong>im</strong> Zielland gehörte <strong>für</strong> die ausländische<br />

Bevölkerung <strong>im</strong> Kanton Zürich beispielsweise die in<br />

den späten 90er-Jahren drei- bis fünffach höhere Arbeitslosenquote<br />

in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession (Diethelm et<br />

al., 1999). Im Vorfeld manifester psychiatrischer Erkrankungen<br />

existieren <strong>für</strong> die Schweiz in diesem Zusammenhang Daten<br />

aus der Schweizerischen Ges<strong>und</strong>heitsbefragung, inwieweit<br />

sich MigrantInnen <strong>im</strong> psychischen Wohlbefinden von der<br />

schweizerischen Bevölkerung unterscheiden: Demnach fühlten<br />

sich die SchweizerInnen <strong>im</strong> Jahr 2002 psychisch schlecht<br />

ausgeglichen zu 19,5% (Männer: 18,8% Frauen: 20,1%), während<br />

AusländerInnen die entsprechende Frage klar häufiger<br />

mit 25,9% (Männer: 23,7% Frauen: 28,2%) <strong>für</strong> sich bejahten<br />

(Tabelle P36D in: Heiniger et al., 2004). Diese höhere psychische<br />

Belastung von Ausländern in der Schweiz ist allerdings<br />

nicht verb<strong>und</strong>en mit einer einheitlich höheren Inanspruchnahme<br />

von stationär-psychiatrischen Leistungen. Im Vergleich<br />

zum gesamtschweizerischen Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung<br />

von über 20% ist in der Population der stationären<br />

psychiatrischen Behandlungen in der Schweiz nur ein Ausländeranteil<br />

von 16,6% zu beobachten (vgl. Christen & Christen,<br />

2003, <strong>für</strong> die Jahre 1998–2000).<br />

Neben der Gesamtzahl an stationären Behandlungen ist aber<br />

auch die Art der Diagnosen in der Regel abweichend (Weiss,<br />

2003). Für die Schweiz wurden solche veränderten Diagnosenzusammensetzungen<br />

innerhalb der behandelten ausländischen<br />

PatientInnen in stationärer Psychiatrie <strong>für</strong> alle drei<br />

Sprachregionen berichtet: Für das Tessin nennen Testa-Mader<br />

et al., 2003, <strong>für</strong> das Jahr 1995 höhere Hospitalisierungsraten<br />

bei nicht italienischen männlichen Ausländern <strong>für</strong> F2-Diagnosen<br />

(ICD10-Code <strong>für</strong> Schizophrenien) <strong>und</strong> eine höhere Hospitalisierungsrate<br />

bei nicht italienischen Frauen hinsichtlich<br />

substanzgeb<strong>und</strong>ener Abhängigkeitsstörungen (F1-Diagnosen).<br />

Demgegenüber sahen Baleydier <strong>und</strong> Kollegen in Genf<br />

weniger Alkoholstörungen, weniger Persönlichkeitsstörungen<br />

<strong>und</strong> mehr affektive Erkrankungen, als <strong>im</strong> Vergleich zur schweizerischen<br />

Patientenpopulation zu erwarten gewesen wäre<br />

(Baleydier et al., 2003). Für den Kanton Zürich 1995 bis 2001<br />

gelangen Lay <strong>und</strong> Mitarbeiter zu der differenzierteren Aussage,<br />

dass MigrantInnen aus Bosnien <strong>und</strong> aus der Türkei in der<br />

Inanspruchnahmepopulation bei alkoholbezogenen Störungen<br />

unterrepräsentiert, aber südeuropäische <strong>und</strong> osteuropäische<br />

MigrantInnen klar überrepräsentiert sind, während Anpassungs-<br />

<strong>und</strong> Belastungsstörungen (F4-Diagnosen) vor allem<br />

in der Patientengruppe aus Ex-Jugoslawien <strong>und</strong> der Türkei<br />

deutlich überrepräsentiert sind (Lay et al., 2005). Affektive<br />

Erkrankungen (F3-Diagnosen) <strong>und</strong> Persönlichkeitsstörungen<br />

(F6-Diagnosen) unterscheiden sich dagegen in Zürich weniger<br />

deutlich nach regionaler Herkunft (vgl. Tabelle 2 <strong>im</strong> genannten<br />

Artikel). Für die Genfer <strong>und</strong> die Zürcher Studie bleibt festzuhalten,<br />

dass nicht das Hospitalisierungsrisiko populationsbezogen<br />

ausgewertet wurde, sondern lediglich die Inanspruchnahmepopulationen<br />

mit dem Diagnosemix der schweizerischen<br />

PatientInnen verglichen wurden.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt sich die vorliegende Studie<br />

zum Ziel, die Gesamtzahl aller stationären psychiatrischen<br />

Behandlungen populationsbezogen zwischen SchweizerInnen<br />

<strong>und</strong> AusländerInnen <strong>im</strong> bevölkerungsreichsten Kanton der<br />

Schweiz erstmals über einen längeren Zeitraum hinweg zu<br />

verfolgen. Es soll untersucht werden, ob stationär-psychiatrische<br />

Behandlungen insgesamt bei SchweizerInnen <strong>und</strong> bei in<br />

der Schweiz wohnhaften AusländerInnen unterschiedlich häufig<br />

sind, <strong>und</strong> ob sich nach Geschlecht, Alter, Herkunftsland <strong>und</strong><br />

Sozialstruktur des Wohnortes charakteristische Muster der<br />

stationären Inanspruchnahme beobachten lassen. Dadurch<br />

können <strong>für</strong> die Schweiz erstmals zeitliche Trends <strong>im</strong> Vergleich<br />

dieser Bevölkerungsgruppen nachvollzogen werden.<br />

2 Stichproben <strong>und</strong> Methoden<br />

Stationäre psychiatrische Behandlungen werden <strong>im</strong> Kanton<br />

Zürich seit dem Jahr 1995 von allen regionalen Gr<strong>und</strong>versorgungskliniken,<br />

seit 1998 auch von einigen (kleineren) zunächst<br />

noch nicht beteiligten Spezialversorgern (vor allem <strong>im</strong> Suchtbereich)<br />

der Arbeitsgruppe Public Mental Health an der Psychiatrischen<br />

Universitätsklinik Zürich gemeldet. Die Wohnorte<br />

der stationären PatientInnen werden mit der Postleitzahl registriert,<br />

aus der sich in der überwiegenden Zahl aller Fälle die<br />

Herkunftsgemeinde zuordnen lässt. Für Postleitzahlen innerhalb<br />

der Stadt Zürich wurde eine Gebietsunterteilung anhand<br />

der 12 Stadtkreise vorgenommen.<br />

Populationsbezogene Auswertungen wurden analog zur Nationalitäten-Einteilung<br />

der amtlichen Bevölkerungsstatistik<br />

lediglich nach Schweizer/Nichtschweizer unterschieden, Auswertungen<br />

der Patientendaten dagegen mit einer genaueren<br />

Unterscheidung der Herkunftsländer. Das Aufnahmealter der<br />

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