Journal asmac No 2 - avril 2024
Système - Société, santé, salubrité Politique - Deux initiatives à l’épreuve Psychoanaleptiques - Utilisation off-label dans les soins palliatifs Tiques - Les infections rares
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Psychoanaleptiques - Utilisation off-label dans les soins palliatifs
Tiques - Les infections rares
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Perspectives<br />
In den USA wird in Hochendemiegebieten<br />
von B. burgdorferi nach einem<br />
Zeckenbiss eine Sekundärprophylaxe mit<br />
200 mg Doxycyclin als Einzeldosis empfohlen.<br />
In Europa wird keine derartige<br />
Antibiotikaprophylaxe durchgeführt, weil<br />
der mögliche Nutzen die Nachteile (Schädigung<br />
des Mikrobioms, Resistenzentwicklung,<br />
Toxizität) nicht aufwiegt.<br />
Zecken-assoziierte<br />
Krankheitsbilder<br />
Die Lyme-Borreliose und die FSME werden<br />
in anderen Artikeln besprochen.<br />
Anaplasmose und Ehrlichiose<br />
Anaplasma phagocytophilum sind Zecken-übertragene<br />
Bakterien, die Granulozyten<br />
infizieren und die humane granulozytäre<br />
Anaplasmose (HGA) verursachen<br />
(früher humane granulozytäre Ehrlichiose<br />
[HGE] genannt); Ehr lichia chaffeensis infiziert<br />
Monozyten und ist Ursache der humanen<br />
monozytären Ehrlichiose (HME).<br />
Epidemiologie<br />
A. phagocytophilum kommt in <strong>No</strong>rdamerika<br />
und Eurasien vor und wurde in<br />
1.4 – 11.9 % von Ixodes-Zecken in der<br />
Schweiz [9, 10] sowie in zahlreichen<br />
Wirtstieren nachgewiesen. Koinfektionen<br />
mit mehr als einem potentiell humanpathogenen<br />
Erreger finden sich in rund 5 %<br />
der untersuchten Zecken [11]. Seroepidemiologische<br />
Studien in Europa und der<br />
Schweiz zeigen eine durchschnittliche<br />
Prävalenz von rund 8 % seropositiven Personen<br />
[12, 13]. Trotz dieses ubiquitären<br />
Vorkommens des Erregers in Zecken und<br />
Tierreservoiren wurden demgegenüber<br />
erst ein paar hundert Fälle von klinisch<br />
manifester HGA in Europa publiziert. Es<br />
bleibt unklar, ob die Erkrankung nicht erfasst<br />
oder unterdiagnostiziert wird, ob die<br />
Europäischen Anaplasmen weniger pathogen<br />
sind oder ob die Infektion fast immer<br />
so milde verläuft, dass sie diagnostisch<br />
nicht gesucht wird. Falls die Erkrankung<br />
zusammen mit einer Lyme-Borreliose auftritt,<br />
wird sie möglicherweise nicht entdeckt,<br />
da sie auf Tetrazykline anspricht,<br />
die für die Behandlung der Lyme-Borreliose<br />
eingesetzt werden. In einer Studie in der<br />
Schweiz, die 75 Personen mit Fieber nach<br />
einem dokumentierten Zeckenstich untersuchte,<br />
wurde eine HGA bei 7 (10 %) Patienten<br />
diagnostiziert [14]. E. chaffeensis ist nur<br />
in <strong>No</strong>rdamerika prävalent.<br />
Klinik<br />
Die HGA-Infektion verläuft oftmals asymptomatisch<br />
oder wenig symptomatisch.<br />
Die HGA manifestiert sich – nach einer<br />
Inkubationszeit von 5 – 14 Tagen – als<br />
unspezifische fieberhafte Erkrankung mit<br />
Allgemeinsymptomen (Kopfschmerzen,<br />
Myalgien, Arthralgien, Übelkeit), seltener<br />
mit einem makulopapulösen oder petechialen<br />
Exanthem und sehr selten mit<br />
Meningitis. Infektionen mit Toxic- Shockähnlichen<br />
Verläufen und Todesfälle (in<br />
USA 0.6 %) sind vor allem bei immundefizienten<br />
Personen beschrieben. Klassischerweise<br />
zeigt sich im Labor eine transiente<br />
Leukozytopenie, Thrombozytopenie<br />
und eine leichte Transaminasenerhöhung.<br />
Bisher sind keine chronischen Verläufe<br />
oder Spätmanifestationen bekannt.<br />
Koinfektionen mit anderen gleichzeitig<br />
Zecken-übertragenen Erregern wurden<br />
beschrieben [15].<br />
Diagnostik<br />
Mittels Mikroskopie eines nach Wright-<br />
Giemsa gefärbten Blutausstrichs können<br />
in der akuten Phase einer HGA sogenannte<br />
Morulae im Zytoplasma von Granulozyten<br />
visualisiert werden (Sensitivität 25 – 75 %).<br />
In Vollblut kann Erreger-DNA mittels Polymerasekettenreaktion<br />
(PCR; Sensitivität<br />
60 – 90 %) nachgewiesen werden. Die Kultivierung<br />
gelingt nicht in Routinekulturen,<br />
sondern nur in speziellen Zellkultursystemen.<br />
Im Verlauf einer Infektion kann mittels<br />
Serologie (Immunfluoreszenz, Sensitivität<br />
90 %, ab 2. Krankheitswoche) eine<br />
Serokonversion oder ein vierfacher Antikörpertiteranstieg<br />
diagnostisch sein.<br />
Therapie<br />
Therapie der Wahl ist Doxycyclin 2 ×<br />
100 mg peroral für 10 – 14 Tage; bei Kindern<br />
fünf bis sieben Tage. Bei schwerer Erkrankung<br />
von Kindern ist Doxycyclin die<br />
Therapie der Wahl. Schwangere und Kinder<br />
wurden vereinzelt erfolgreich mit Rifampicin<br />
behandelt (20 mg / kg / Tag, maximal<br />
600 mg in zwei Dosen; Erwachsene 2 ×<br />
300 mg peroral für fünf bis sieben Tage).<br />
Rickettsiosen<br />
Rickettsien sind gramnegative Bakterien<br />
mit einem ausschliesslich intrazellulären<br />
Vermehrungszyklus, welche vor allem die<br />
vaskulären Endothelzellen von verschiedenen<br />
Zielorganen infizieren. Rund 30 humanpathogene<br />
Arten kommen weltweit in<br />
je unterschiedlichen geogra fischen Gebieten<br />
vor, entsprechend den Verbreitungsgebieten<br />
der Vektoren. Die Klassifizierung<br />
der Rickettsiosen umfasst vier Biogruppen:<br />
«Spotted Fever Biogroup» (Zeckenbissfieber-Gruppe;<br />
Transmission durch<br />
verschiedenste Zeckenarten), «Typhus<br />
Group» (Fleckfiebergruppe, Transmission<br />
durch Läuse und Flöhe), «Transitional<br />
Group» und «Scrub Typhus Biogroup»<br />
(Tsutsugamushi-Fiebergruppe).<br />
Epidemiologie<br />
Autochthone Zecken-assoziierte Infektionen<br />
durch Rickettsien sind in Mitteleuropa<br />
selten. Die überwiegende Anzahl<br />
von Rickettsiosen betrifft Reisende in den<br />
Mittelmeerraum (R. conorii, «Mittelmeer-<br />
Fleckfieber», «Mittelmeer-Zeckenbissfieber»,<br />
«Boutonneuse-Fieber») oder in andere<br />
Kontinente (R. africae und zahlreiche<br />
andere Arten in verschiedenen geografischen<br />
Orten). R. helvetica wird in Mitteleuropa<br />
sehr häufig in Ixodes-Zecken nachgewiesen;<br />
in der Schweiz in bis zu 25 % [10,<br />
11]. Die klinische Relevanz einer Infektion<br />
mit R. helvetica ist nicht geklärt, dürfte<br />
aber möglicherweise zum Teil für fieberhafte<br />
Erkrankungen nach Zeckenstich ursächlich<br />
sein [14]. Im Kanton Tessin<br />
(Schweiz) wurden mit R. slovaca infizierte<br />
Dermacentor marginatus-Zecken identifiziert<br />
[16]; R. monacensis wurde in Ixodes-Nymphen<br />
[11, 17] und R. massiliae<br />
in Rhipicephalus-Zecken entdeckt [2, 16],<br />
wobei in der Schweiz bisher nie über<br />
solche Infektionen berichtet wurde. R. rickettsii<br />
als Ursache des Rocky-Mountain-<br />
Fleckfiebers (engl. Rocky Mountain Spotted<br />
Fever) ist in <strong>No</strong>rdamerika endemisch.<br />
Klinik<br />
Rickettsiosen manifestieren sich häufig<br />
mit Fieber und unterschiedlichen Exanthemen.<br />
Folgende Symptomenkomplexe<br />
werden beobachtet [2]:<br />
– asymptomatische oder sehr milde Infektionen<br />
– Fieber mit Kopfschmerzen und zum<br />
Teil starken Myalgien plus meist ein<br />
Exanthem, aber nicht immer<br />
– Fieber mit Allgemeinbeschwerden plus<br />
Primärläsion nach Stich der Zecke<br />
(Eschar, Tâche noire) plus makulopapulöses<br />
Exanthem (z. B. Mittelmeer-Fleckfieber<br />
/Boutonneuse-Fieber, Afrikanisches<br />
Zeckenbissfieber)<br />
– Fieber mit petechialem Exanthem (z. B.<br />
Rocky Mountain Spotted Fever)<br />
– Syndrome mit Eschar und Lymphadenopathie,<br />
welche «Tick-borne Lymphadenopathy»<br />
(TIBOLA), «Dermacentorborne<br />
Necrosis Erythema and Lymphadenopathy»<br />
(DEBONEL) oder «Scalp<br />
52<br />
2/24 vsao /<strong>asmac</strong> <strong>Journal</strong>