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Corporate Accountability - Nord-Süd-Netz

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Teil III / Neue Initiativen zur Kontrolle der Wirtschaftslobby, LobbyControl und die europäische Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation (ALTER-EU)<br />

„Verantwortliches<br />

Lobbying“ –<br />

der falsche Ansatz<br />

„Towards Responsible Lobbying“<br />

schlägt einen unternehmensinternen „Six<br />

Step Lobbying Health Check“ vor, der<br />

verantwortliches Lobbying garantieren<br />

soll. Gleichzeitig werden verpflichtende<br />

Ansätze, insbesondere für mehr Lobby-<br />

Transparenz, verworfen – ohne dazu<br />

besonders stichhaltige Argumente zu<br />

liefern. Der Lobby-“Gesundheitscheck“<br />

enthält zwar den Transparenzaspekt.<br />

Allerdings bleibt es den Unternehmen<br />

überlassen, selbst einzuschätzen, ob<br />

sie ihre Lobbyarbeit für undurchsichtig<br />

halten oder nicht.<br />

Das zentrale Kriterium verantwortlichen<br />

Lobbyings sieht die Studie in der<br />

Frage, ob die Lobby-Aktivitäten eines Unternehmens<br />

mit seinen übergeordneten<br />

Werten und Zielen konsistent sind. Bei<br />

den übergeordneten Werten und Zielen<br />

verweist die Studie auf internationale Dokumente<br />

(„global policy commitments“)<br />

wie die UN-Menschenrechtserklärung<br />

oder die zehn Prinzipien des Global<br />

Compact (s. Beitrag oben), auf sektorspezifische<br />

Ziele und Initiativen wie die<br />

Extractive Industries Transparency Initiative<br />

(EITI) und Unternehmensleitbilder<br />

und Verhaltenskodizes.<br />

Dieser Ansatz ist aus zwei Gründen<br />

unzureichend:<br />

(1) Die Inkonsistenz zwischen offiziell<br />

vertretenen Unternehmenswerten<br />

und konkreter Lobbyarbeit ist zwar ein<br />

wichtiger Problem- und Kritikpunkt. Es<br />

ist wichtig, die Widersprüche zwischen<br />

gut klingenden Unternehmensleitbildern,<br />

Erklärungen und Nachhaltigkeitsberichten<br />

einerseits und destruktiven Lobby-<br />

Aktivitäten andererseits immer wieder<br />

zu thematisieren und offen zu legen.<br />

Zugleich sind diese Widersprüche aber<br />

selbst politisch umstritten. Ein Unternehmen<br />

würde immer versuchen, seine<br />

politischen Positionen als konsistent<br />

zu anerkannten Werten darzustellen.<br />

Nehmen wir das Beispiel Wasserliberalisierung<br />

in Entwicklungsländern:<br />

ein daran interessiertes europäisches<br />

Versorgungsunternehmen würde die<br />

Liberalisierung als Voraussetzung für<br />

private Investitionen darstellen, die zu<br />

einer besseren Wasserversorgung und<br />

zu Gesundheit und Armutsbekämpfung<br />

beitragen. Entwicklungsorganisationen<br />

oder soziale Bewegungen vor Ort würden<br />

die Kommerzialisierung eines öffentlichen<br />

Guts und den damit verbundenen<br />

Ausschluss von sozial schwachen und<br />

armen Bevölkerungsgruppen kritisieren<br />

und deshalb einen Widerspruch zwischen<br />

Armutsbekämpfung und Wasserliberalisierung<br />

konstatieren. Ähnlich<br />

unterschiedliche Bewertungen sind in<br />

anderen Fällen zu erwarten, wenn z.B.<br />

ein Unternehmen seinen Widerstand gegen<br />

verbindliche Klimaschutzziele damit<br />

zu begründen versucht, dass freiwillige,<br />

technische Maßnahmen viel effektiver<br />

seien. Man kann diese Begründungen jeweils<br />

kritisieren und eine Diskussion über<br />

die Konsistenz solcher Lobby-Positionen<br />

mit übergeordneten Werten starten.<br />

Allerdings wiederholt man dann bei der<br />

Bewertung des Unternehmenslobbyings<br />

die bereits bestehenden politischen Konflikte,<br />

ohne wirklich einen Schritt weiter<br />

gekommen zu sein.<br />

Über die Widersprüche zwischen<br />

Werten und Lobby-Positionen lässt<br />

sich also trefflich streiten, was auch<br />

sehr wichtig ist. Aber aus diesem Aspekt<br />

lassen sich keine Maßstäbe oder<br />

Beurteilungen von Lobby-Aktivitäten<br />

ableiten. Wer sollte die Inkonsistenz und<br />

ihr genaues Ausmaß neutral feststellen?<br />

Der Bericht des Global Compact-Büros<br />

überlässt dies dem Unternehmen selbst.<br />

Die Frage nach den Voraussetzungen für<br />

eine fundierte öffentliche Debatte über<br />

die Lobby-Arbeit von Unternehmen und<br />

ihre Inkonsistenzen wird nicht gestellt.<br />

Dazu würde z.B. Transparenz über die<br />

Finanzierung von Denkfabriken gehören,<br />

die mit Unterstützung von Unternehmen,<br />

aber ohne deren Nennung, bestimmte<br />

politische Konzepte bewerben.<br />

(2) Zweitens ignoriert der Ansatz<br />

die Frage, woher die „Inkonsistenzen“<br />

kommen und inwiefern diese strukturelle<br />

Hintergründe haben. Die Widersprüche<br />

scheinen zufällig zu sein oder das Ergebnis<br />

mangelnder interner Kommunikation und<br />

Analyse. Der Bericht geht überhaupt nicht<br />

darauf ein, dass die oberste Zielsetzung<br />

von Unternehmen die Erzielung und Maximierung<br />

von Gewinnen ist – und sie umgekehrt<br />

versuchen, möglichst viele Kosten<br />

zu externalisieren. Das schließt nicht aus,<br />

dass es einzelne, ernst gemeinte Initiativen<br />

geben kann, Gewinne auf möglichst<br />

ökologische und sozial verträgliche Art zu<br />

erzielen. Aber im Zweifelsfall dominieren<br />

die ökonomischen Interessen. Zu diesem<br />

strukturellen Kernproblem bleibt der Bericht<br />

jede Antwort schuldig – er stellt noch<br />

nicht einmal die Frage danach.<br />

Fazit: „verantwortliches Lobbying“<br />

und der Ansatz an den Inkonsistenzen<br />

des Unternehmenslobbyings mag gut<br />

klingen. Bei genauerem Hinsehen ist<br />

er jedoch ungeeignet, um eine bessere<br />

Kontrolle und Bewertung von Lobby-<br />

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