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022 geSteRN<br />
m e i n S O n G u n D S e i n e G e S C h i C h t e<br />
LiquidO »nArcOtic«<br />
Die fanfarenartige Keyboard-Melodie von »Narcotic« gehört zu <strong>de</strong>n infektiösesten Takten Musik <strong>de</strong>r 1990er-<br />
Jahre. Egal, ob man <strong>de</strong>n Song hasste o<strong>de</strong>r liebte – man bekam ihn nach 1998 nie wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Kopf.<br />
Liquido-Sänger und -Keyboar<strong>de</strong>r Wolfgang Schrödl über seinen Hit, von <strong>de</strong>m die Nachwuchsband aus Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg unglaubliche acht Millionen Singles verkaufte.<br />
»<br />
Geschrieben habe ich ›Narcotic‹ im<br />
Jahr 1996, in meiner hübschen kleinen<br />
Maisonette-Wohnung in <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger<br />
Altstadt. Ich hatte mir gera<strong>de</strong> ein<br />
gebrauchtes Roland-D70-Keyboard zugelegt,<br />
und die modifizierten Sounds meines<br />
vorbesitzers ließen mich fast automatisch die<br />
Melodien spielen, zu <strong>de</strong>nen mich <strong>de</strong>r jeweilige<br />
Preset-Sound quasi zwang. Auch an<strong>de</strong>re Songs<br />
<strong>de</strong>s ersten Albums wur<strong>de</strong>n so geboren. Meine<br />
Band drängte ich anschließend, die zunächst<br />
einzige mit zusätzlichem Keyboard instrumentierte<br />
Nummer ›Narcotic‹ zur geplanten<br />
Demoproduktion hinzuzunehmen, was dann<br />
auch geschah.<br />
Wir verschickten das Demo fleißig an Plattenfirmen,<br />
verlage und die Musik-Journaille<br />
und bekamen erste positive Reviews in diversen<br />
Demo-Ecken.<br />
Die Reaktion <strong>de</strong>r A&Rs blieb im Großen und<br />
Ganzen zurückhaltend, kaum jemand erkannte<br />
das Hitpotenzial <strong>de</strong>s Songs. Erst das Majorlabel<br />
virgin wur<strong>de</strong> 1998 hellhörig und hatte <strong>de</strong>n<br />
Mut, ›Narcotic‹ als unsere erste Single herauszubringen.<br />
Aus heutiger Sicht schwer<br />
vorstellbar, dass dazu Courage<br />
nötig war: Das Stück galt als<br />
viel zu rockig für das Radio<br />
und zu popmelodiös für die<br />
Rockszene. Wir hatten bei <strong>de</strong>r<br />
Produktion auch nur auf eine<br />
möglichst ›brettige‹, Weezer’eske<br />
Ästhetik Wert gelegt. Das Mainstream-Radio<br />
hatte in meinen<br />
vorstellungen überhaupt<br />
keine Rolle gespielt.<br />
Nach vertragsunterschrift<br />
gingen wir mit<br />
O.L.A.F Opal, <strong>de</strong>ssen<br />
Miles- und Readyma<strong>de</strong>-Produktionen<br />
wir<br />
mochten, ins Studio, um<br />
›Narcotic‹ nochmals aufzunehmen.<br />
Wir mussten<br />
ihn als recht unbekannten<br />
Produzenten allerdings gegen<br />
erste vorbehalte bei <strong>de</strong>r<br />
Plattenfirma durchsetzen.<br />
Doch auch danach war <strong>de</strong>r Song kein Selbstläufer:<br />
Die Radiostationen fan<strong>de</strong>n ihn wie erwartet<br />
viel zu ›an<strong>de</strong>rs‹. Das bunte vi<strong>de</strong>o bekam<br />
ebenfalls keine Einsätze – was mich übrigens<br />
nicht wun<strong>de</strong>rte, bis heute kann ich mich mit<br />
<strong>de</strong>m Clip nicht anfreun<strong>de</strong>n.<br />
Wochen vergingen, und viele hatten die Band<br />
wohl schon abgeschrieben, bis uns irgendwann<br />
die Nachricht ereilte, wir seien auf Platz 87 <strong>de</strong>r<br />
Media Control Charts eingestiegen. ›Narcotic‹<br />
kletterte weiter, und es stiegen immer mehr<br />
Stationen ein. Selbst MTvIvA präsentierten<br />
schließlich das vi<strong>de</strong>o, als sie nicht mehr um dieses<br />
sich anbahnen<strong>de</strong> Phänomen herumkamen.<br />
Mir war da bereits die Wucht unheimlich, mit<br />
<strong>de</strong>r das Lied immer größere Kreise zog und sich<br />
ein Hype zu entwickeln begann.<br />
ich hätte Lieber eine geSun<strong>de</strong><br />
entwicKLung <strong>de</strong>r bAnd geSehen,<br />
mit ersten Achtungs-Erfolgen, auf die man als<br />
Fundament weiter aufbauen kann. Dass ›Narcotic‹<br />
auf unbestimmte Zeit die gesamte Bandwahrnehmung<br />
prägen und kaum zu toppen sein<br />
wür<strong>de</strong>, war mir früh klar und natürlich nicht<br />
sehr recht. Zumal ich das nun dauerrotieren<strong>de</strong><br />
vi<strong>de</strong>o wie gesagt für sehr irreführend hielt.<br />
Ich musste lernen zu verstehen, dass ein Hit<br />
eine Eigendynamik entwickeln kann und man<br />
als urheber auch loslassen muss. Dass ›Narcotic‹<br />
nun auch als Ballermann-Knaller o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s Jahr<br />
auf <strong>de</strong>m Oktoberfest gespielt wird,<br />
stört mich natürlich nicht, aber<br />
es wun<strong>de</strong>rt mich manchmal.<br />
Textlich war das Lied nie so<br />
gedacht. Aber auch das hatte<br />
ich zu lernen: Englische Texte<br />
wer<strong>de</strong>n in Deutschland oft<br />
auf Schlagworte reduziert<br />
– o<strong>de</strong>r manchmal kaum<br />
registriert. Das hat mich<br />
zwar nie ernsthaft frustriert,<br />
aber zurzeit habe<br />
ich doch ziemlich Lust<br />
auf <strong>de</strong>utschsprachige<br />
Texte mit meiner neuen<br />
Band unter Ferner<br />
Liefen.«<br />
Liquido »Narcotic«<br />
So you face it with a smile<br />
There is no need to cry<br />
For a trifle’s more than this<br />
Will you still recall my name<br />
And the month it all began<br />
Will you release me with a kiss<br />
Have I tried to draw the veil<br />
If I have, how could I fail?<br />
Did I fear the consequence?<br />
Dazed by careless words<br />
Cozy in my mind<br />
I don’t mind.<br />
I think so.<br />
I will let you go.<br />
Now you shaped that liquid wax<br />
Fit it out with crater cracks<br />
Sweet <strong>de</strong>votion my <strong>de</strong>light<br />
Oh, you’re such a pretty one<br />
And the naked thrills of flesh and skin<br />
Would tease me through the night<br />
Now I hate to leave you bare<br />
If you need me I’ll be there<br />
Don’t you ever let me down<br />
Dazed by careless words<br />
Cozy in my mind<br />
And I touched your face<br />
Narcotic mind from lazed Mary-Jane<br />
And I called your name<br />
Like an addicted to cocaine calls for the stuff<br />
he’d rather blame<br />
And I touched your face<br />
Narcotic mind from lazed Mary-Jane<br />
And I called your name<br />
My cocaine<br />
— uNTER FERNER LIEFEN »INFuSION«<br />
(BRAINZONE / ROuGH TRADE / vÖ<br />
08.02.13)<br />
— AuF TOuR vOM 12. BIS 16.02.