050 Heute SchorSch KAmerun triFFt hGich.t »äuSSerLiCh iSt punK zur App mutiert.« Schorsch Kamerun Schorsch Kamerun, Jahrgang 1963, ist ein Kind von <strong>de</strong>r Küste, genauer: vom Timmendorfer Strand. Der Name in seinem Reisepass: Thomas Sehl. 1984 grün<strong>de</strong>t er zusammen mit Ted Gaier, Ale Sexfeind und Aldo Moro die Funpunkband Die Gol<strong>de</strong>nen Zitronen und nimmt seinen bis heute gültigen Künstlernamen an. Nach <strong>de</strong>m Erfolg von »Am Tag, als Thomas An<strong>de</strong>rs starb« inklusive Auftritt in <strong>de</strong>r Bravo erfin<strong>de</strong>n sich Die Gol<strong>de</strong>nen Zitronen neu, wer<strong>de</strong>n zum wichtigsten popkulturellen Sprachrohr <strong>de</strong>r radikalen Linken. Sein erstes Soloalbum »Warum än<strong>de</strong>rn schlief« erscheint 1996, als Theaterregisseur ist er seit 2000 aktiv, außer<strong>de</strong>m schrieb er mehrere Hörspiele für <strong>de</strong>n WDR.
Wo verlaufen die Grenzen zwischen Pop und Performance? Was zieht so viele Musiker heute in <strong>de</strong>n ernsthaften Kulturbetrieb? Schorsch Kamerun und das Kollektiv HGich.T sind Künstler, die für das Durchbrechen <strong>de</strong>r Grenzen zwischen Pop, bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Kunst und Theater stehen. In Hamburg trafen Dr. Diamond und Karla Knyh von HGich.T erstmals auf <strong>de</strong>n Immernoch-Sänger <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>nen Zitronen. Alexan<strong>de</strong>r Jürgs hat <strong>de</strong>n Schlagabtausch mo<strong>de</strong>riert und protokolliert. Fotos: Petra Herbert hamburg, St. Pauli, Sehnsuchtsort. Im Büro von Schorsch Kameruns Plattenlabel Buback Tonträger treffen Karla Knyh und Dr. Diamond von HGich.T und <strong>de</strong>r Sänger <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>nen Zitronen aufeinan<strong>de</strong>r. Wir wollen erst mal Fotos machen und gehen dafür um die Ecke in die »Kleine Freiheit No. 3«, eine Kneipe wie aus <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong>rbuch. Dekoration und Stühle wer<strong>de</strong>n neu arrangiert, Karla trägt Lippenstift auf, Dr. Diamond schlüpft in seine knallbunten Retro-Leggings. Die Wirtin serviert dazu schwarzen Tee in Glasbechern. Kamerun und HGich.T stehen jeweils für einen radikalen Pop-Entwurf, bei<strong>de</strong> wirken hauptsächlich in <strong>de</strong>r Hansestadt, bei<strong>de</strong> treibt <strong>de</strong>r Spaß an Maskera<strong>de</strong>, Überspitzung und Performance. unterschie<strong>de</strong> gibt es genauso viele: Kamerun kommt aus <strong>de</strong>m Punk, HGich.T haben ihre Wurzeln in <strong>de</strong>r Goa-Kultur. Während HGich.T im dadaistischen unsinn ba<strong>de</strong>n, versucht Kamerun mit seiner Musik politische Standortbestimmung. Wenn sich HGich.T und Kamerun nun zum ersten Mal zu einem Gespräch zusammenfin<strong>de</strong>n, dann soll es um diese Brüche und Gemeinsamkeiten gehen – und um die Frage, wie sich nicht anbie<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Pop heute aussehen könnte. Auf in die erste Run<strong>de</strong>. Das Thema: Punk. Für immer Punk hGich.T, Schorsch Kamerun, was war Punk, was kann Punk heute sein? Schorsch Kamerun: In vielerlei Hinsicht ist Punk heute organisiertes Mitmachen. Meine konkret bewusst o<strong>de</strong>r aus reinem Experimentierüberschwang gewählten Mitgliedschaften meinten dagegen immer auch: »Wir gegen die.« Das gilt für Die Gol<strong>de</strong>nen Zitronen, <strong>de</strong>n Gol<strong>de</strong>n Pu<strong>de</strong>l Club, aber auch für meine Theatersachen. Wo man sich alleine fühlt, da braucht man Gleichgesinnte, seine Band, seine Ban<strong>de</strong>. Dr. Diamond: Wir haben gera<strong>de</strong> auf einem Punk-Festival gespielt, und unser Auftritt war wirklich wild. Die Punks waren damit glücklich, auch wenn unsere Musik, gemessen an <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>s Musikstils, ganz schlechter Punk ist. Aber wir haben die Haltung von Punk getroffen. Die fehlt <strong>de</strong>n alten Bands heute. Sie spielen zwar Musik, die ganz genau <strong>de</strong>m entspricht, was Punkmusik sein soll, nur fehlt ihnen die Attitü<strong>de</strong>. SK: Punk war am Anfang eine Position, die stark irritiert hat: Eure vorgaben passen uns nicht, da setzen wir etwas entgegen, das ihr schlecht einordnen könnt. Klamotten zerreißen, Bürger und <strong>de</strong>ren Autoritäten überzeichnen, das hat die Leute anfangs echt genervt. Wenn man aber glaubt, Heute 051 einen solchen Gestus konservieren zu können, dann ist das nicht nur dumm und faul, son<strong>de</strong>rn schlicht wertkonservativ. Gibt es überhaupt noch Punkbands, die wirklich daran glauben, das Anti-Establishment zu verkörpern? SK: Sie geben sich je<strong>de</strong>nfalls so, behaupten weiter eine An<strong>de</strong>rsartigkeit, obwohl diese längst Bestandteil <strong>de</strong>s Mainstreams ist, gar museal aufgearbeitet. Nichts ist fa<strong>de</strong>r als kalkulierte Schrägheit. Äußerlich ist Punk zur App mutiert, nur ist diese steinalt. <strong>Als</strong> Haltung allerdings bleibt <strong>de</strong>r Entwurf Punk gleichberechtigt mit <strong>de</strong>n großen Avantgar<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Störbewegungen wie Situationismus o<strong>de</strong>r Dadaismus. Faszination Theater »Der Mensch lässt nach«, das neue Album von Schorsch Kamerun, bietet Musik, die im Rahmen seiner Theaterarbeiten entstan<strong>de</strong>n ist. Seit zwölf Jahren ist Kamerun als Theatermacher an Bühnen wie <strong>de</strong>m Hamburger Thalia Theater, <strong>de</strong>m Centraltheater Leipzig o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Münchener Kammerspielen tätig. Auch HGich.T wer<strong>de</strong>n häufig von Theaterhäusern engagiert. Ihre Auftritte bewegen sich an <strong>de</strong>r Grenze zwischen Konzert und Performance, zwischen Rave und theatralischer Form. Was fasziniert euch an <strong>de</strong>r uralten Kunstform Theater? SK: Theater kann alle Formate nutzen: Musik, Texte, Bil<strong>de</strong>r, Film. Theater soll sich frei ausprobieren dürfen, frei vom ökonomischen Ergebnis – und unabhängig von Sponsoring- Kooperationen. Wenn ich ein Plakat für ein Theaterstück mache, dann steht da <strong>de</strong>r Titel drauf und eben nicht noch »Jägermeister Rock Liga« o<strong>de</strong>r »Rolling Stone empfiehlt« unten drunter. Das ist zwar luxuriös vom Steuerzahler ermöglicht, aber eben auch unverquirlt mit irgendwelchen angeblich passen<strong>de</strong>n Images. Ha, ha, ha, da haben wir es: Eben noch Punk-Beschützer, verteidige ich jetzt <strong>de</strong>n bürgerlichen Begriff vom Bildungsauftrag. Warum ist es dir so wichtig, diesen Auftrag zu verteidigen? SK: Ich bin ein Kind <strong>de</strong>r Achtziger. Ich durfte noch das Gefühl erleben, in selbst geschaffenen oppositionellen Strukturen aufzuwachsen. Wir hatten unabhängige Hefte, unabhängige Plattenlabels, das Prinzip »In<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt«. Dieses wur<strong>de</strong> lei<strong>de</strong>r nahezu vollständig – oft ohne Not und in bescheuerter Nachahmerei – in die Optimierungsökonomie übergeben. Es gibt heute nirgendwo mehr Werbesymbole als auf sogenannten In<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt-Festivals. Riesige Medienpartner-Wän<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Behauptung aufgestellt, es ginge eben jetzt nicht mehr ohne. Im altmodischen Theaterraum spielt dieser Faktor keine Rolle, auch wenn es an<strong>de</strong>re, manchmal wesentlich subtilere Druckmechanismen gibt. Was reizt hGich.T an <strong>de</strong>r Theaterwelt? DD: Es lohnt sich, <strong>de</strong>n Leuten im Theater zu zeigen, dass es <strong>de</strong>n Club gibt. Den Leuten im Club zeigen wir wie<strong>de</strong>rum, dass es das Theater gibt. Da kommt es manchmal zu merkwürdigen Begegnungen. Dann stehen, wie letztens in Wien, plötzlich Leute in Warnwesten im Theaterfoyer, die meisten auch schon ganz schön angeheitert – das ist schön. Ein paar Kulturwissenschaftsstu<strong>de</strong>nten haben uns später gefragt, wie wir es geschafft haben, so viele Statisten aufzutreiben. Für die war das Teil einer Performance. KK: Es ist immer gut, wenn Barrieren abgebaut wer<strong>de</strong>n. Ich liebe die Oper. Doch mittlerweile mache ich mir Sorgen, dass das Opernpublikum bald ausstirbt. Wenn ich von meinem billigen Platz im Rang aufs Parkett hinunterblicke, sieht das aus wie frisch gefallener Schnee. Welche rolle spielen verkleidungen für euch?
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