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048 Heute<br />

Tatsächlich leben die Eltern von Jake Bugg getrennt, die<br />

Mutter arbeitet als verkäuferin, <strong>de</strong>r vater als Krankenpfleger.<br />

Obwohl <strong>de</strong>r 1994 als Jake Edwin Charles Kennedy geborene<br />

Bugg mehr Zeit mit seiner Mutter verbringt, trägt er <strong>de</strong>n<br />

Familiennamen <strong>de</strong>s vaters. Einen Teil dieser Informationen<br />

muss man Bugg aus <strong>de</strong>r Nase ziehen, einen an<strong>de</strong>ren recherchieren,<br />

was bei solch persönlichen Themen ja auch kein<br />

Wun<strong>de</strong>r ist. Aber auch sonst entstehen seine Antworten eher<br />

langsam, in einem sichtbaren Denkprozess, bei <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r<br />

Gedanke vom Knirschen seines mahlen<strong>de</strong>n Kiefers begleitet<br />

wird, bis er ihn schließlich mit einem freundlichen Knurren<br />

serviert. und da ist noch die schon erwähnte Augenbraue,<br />

die immer dann zur Stirn schießt, wenn man ihn auf einen<br />

Gedanken bringt, <strong>de</strong>n er noch nicht hatte. O<strong>de</strong>r auch, wenn<br />

man eine in seinen Augen völlig sinnlose Frage stellt. Das<br />

muss man dann selbst auseinan<strong>de</strong>r halten.<br />

Jake, ich muss zugeben, ich war ein wenig überrascht: So<br />

trist, wie es aus <strong>de</strong>inen Lie<strong>de</strong>rn klingt, sieht <strong>de</strong>r nottingham-Stadtteil<br />

Clifton, aus <strong>de</strong>m du kommst, im vi<strong>de</strong>o von<br />

»Two Fingers« gar nicht aus.<br />

Das liegt wohl an <strong>de</strong>n kleinen Häusern. Die wirken auf viele<br />

niedlich. Aber mal im Ernst: Clifton ist eine verdammte<br />

Sackgasse. Man wächst dort auf, schlägt die Zeit tot. Die<br />

Gemein<strong>de</strong> hat sogar <strong>de</strong>n Fußballplatz geplättet. <strong>Als</strong>o hängen<br />

die Kids auf <strong>de</strong>r Straße rum. und was macht man in <strong>de</strong>m<br />

Alter, wenn man nichts mit sich anzufangen weiß? Ärger.<br />

<strong>Als</strong>o ist es so, wie du in »Trouble Town« singst. die zwangsläufigen<br />

hobbys: »smoke until your eyes bleed«, »sittin’ on<br />

the pavement« und hin und wie<strong>de</strong>r »a beating in the rain«?<br />

Das trifft die Sache.<br />

Aber das dürfte ja jetzt vorbei sein, wo du nach London<br />

gezogen bist ...<br />

Bin ich aber nicht.<br />

das Gerücht verbreitet <strong>de</strong>in Plattenlabel.<br />

Ja, ich weiß. Stimmt aber nicht. Ich wohne noch immer<br />

in Nottingham und bin immer da, wenn ich mal die Zeit<br />

dafür habe.<br />

hm, vielleicht hat das Label das mit London bloß behauptet,<br />

weil newcomer aus England sonst wirklich immer in<br />

die hauptstadt ziehen müssen.<br />

Ja. Das Gefühl bekommt man nach einer Weile. Dass man<br />

als junger Künstler nach London muss. Sich dort eine Weile<br />

durchschlagen. Sich in die Hor<strong>de</strong>n von Bands einreihen, die<br />

sich durch die gängigen Clubs spielen müssen. Erstaunlich,<br />

wie weit dieser Irrglaube verbreitet ist. Aber das ist Quatsch.<br />

Wenn du gut bist, ist es scheißegal, woher du kommst.<br />

Stimmt. und es scheint ja bei dir ganz gut gelaufen zu sein.<br />

Ganz gut. Ja.<br />

»Ganz gut«. Das nennt man dann wohl britisches un<strong>de</strong>rstatement.<br />

Sein Album schoss in <strong>de</strong>r ersten verkaufswoche<br />

En<strong>de</strong> Oktober von 0 auf 1 in <strong>de</strong>n britischen Albencharts und<br />

stieß Mumford & Sons vom Thron. Das »X Factor«-Gezücht<br />

Leona Lewis, die in <strong>de</strong>rselben Woche mit ihrem neuen Album<br />

»Glassheart« auf die Spitzenposition geschielt hatte, musste<br />

sich mit Platz 3 begnügen.<br />

Ein Kommentar dazu brachte Bugg auch gleich die erste<br />

Lektion in Sachen »Shitstorm« ein. Bugg sagte auf Nachfrage<br />

<strong>de</strong>s NME, seine Platzierung sei ein Beleg für die These, dass<br />

Gitarrenmusik noch was wert wäre, und fügte angeblich<br />

hinzu: »Es ist mein Job, diese ›X Factor‹-Scheiße aus <strong>de</strong>n<br />

Charts zu halten.« So wur<strong>de</strong> es zumin<strong>de</strong>st vom NME kolportiert.<br />

Bugg selbst bestreitet, das genau so von sich gegeben<br />

zu haben. »Schon wie<strong>de</strong>r so ein Missverständnis. Das<br />

habe ich so nie gesagt. Aber irgendjemand schrieb das, und<br />

jetzt wer<strong>de</strong> ich ständig drauf angesprochen. um ehrlich zu<br />

sein: ›X Factor‹ ist natürlich scheiße. Aber es ist nicht mein<br />

Job, diesen Mist aus <strong>de</strong>n Charts zu kicken.« Kurze Pause,<br />

dann re<strong>de</strong>t er sich tatsächlich mal kurz in einen kleinen<br />

Wortrausch: »Meine Kumpels meinten damals auch zu mir,<br />

ich solle zu ›X Factor‹ o<strong>de</strong>r zu ›Britain’s Got Talent‹ gehen,<br />

aber das wollte ich nicht. vielleicht hätte ich da tatsächlich<br />

Erster wer<strong>de</strong>n können, aber dann hätte ich keine Rechte<br />

an meinen Songs und wür<strong>de</strong> nur die Lie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Leute<br />

singen. Das ist, was ich daran so scheiße fin<strong>de</strong>n. Da gibt es<br />

viele Leute mit guten Stimmen, und dann jaulen sie sich<br />

doch wie<strong>de</strong>r nur durch ›I Will Always Love You‹. Das ist<br />

beschämend. Sing mir was Originelles. O<strong>de</strong>r etwas, das<br />

du selbst geschrieben hast. Aber nicht immer die gleiche<br />

Scheiße. <strong>Als</strong>o, fürs Protokoll: ›X Factor‹ ist Mist. Es ist nur<br />

nicht mein Job, mich darum zu kümmern. Ich bin Musiker.<br />

Das ist mein Job.«<br />

Ein recht tagesfüllen<strong>de</strong>r Job ist das inzwischen. Mitte<br />

November tourte er mit Snow Patrol und Noel Gallagher<br />

durch Nordamerika und Kanada, wo er nicht nur keinen<br />

Alkohol trinken durfte, son<strong>de</strong>rn sich auch je<strong>de</strong>n Abend<br />

anhören musste, wie Snow-Patrol-Sänger Gary Lightbody<br />

Stimmübungen macht. Bugg dazu: »Ich musste mir das<br />

Lachen verkneifen. Er traut sich da in Tonlagen, die ich nie<br />

schaffen wür<strong>de</strong>.« Im Anschluss wartete dann die Europareise<br />

im Zeichen <strong>de</strong>r Promotion für das Debütalbum. Am vortag<br />

unseres Gesprächs spielte er ein Konzert im Crystal Club,<br />

das auch eher unter die Kategorie Job fiel: An <strong>de</strong>r Theke<br />

sammelte sich die in Berlin ansässige Musikpresse, und<br />

nur in <strong>de</strong>n ersten Reihen kam so etwas wie Stimmung auf,<br />

weil die sieben Teeniemä<strong>de</strong>ls aus England es nicht fassen<br />

konnten, dass die bessere Treppenstufe tatsächlich die Bühne<br />

war. Bugg schaffte das, was nicht vielen gelingt: Die Leute<br />

hielten kollektiv <strong>de</strong>n Mund, bis er fertig gespielt hatte. Ja,<br />

selbst die Presseschar an <strong>de</strong>r Theke.<br />

du hast gestern vor <strong>de</strong>r versammelten <strong>de</strong>utschen Musikpresse<br />

gespielt. Eine nicht unwichtige Show, aber doch<br />

eher ein Stimmungskiller, o<strong>de</strong>r?<br />

Nö. Ich liebe es, Konzerte zu spielen. Egal vor wem. Ein paar<br />

Leuten gefällt es immer. Das reicht mir.<br />

Ich hatte das Gefühl, du hast das Publikum ziemlich beeindruckt.<br />

das ist eigentlich selten. überhaupt scheinst du<br />

ja gera<strong>de</strong> allerorts in <strong>de</strong>r Presse gefeiert zu wer<strong>de</strong>n. hast<br />

du eine Ahnung, woran das liegen könnte?<br />

An meiner Musik.<br />

Wür<strong>de</strong> ich auch so sehen. Meine These wäre, dass bei dir<br />

die Traditionen <strong>de</strong>r altehrwürdigen Songwriter von Johnny<br />

Cash bis Bob dylan durchklingen, man aber trotz<strong>de</strong>m<br />

noch diese jugendliche Energie spürt. da <strong>de</strong>nken dann<br />

viele, auch ältere Musikhörer: »Super, <strong>de</strong>r hat seine hausaufgaben<br />

gemacht.«<br />

Könnte sein. Es gibt tatsächlich selten neue Acts, die ich<br />

mag. Die Letzten, die mich sehr beeindruckt haben, waren<br />

damals die Arctic Monkeys. Alex Turner hat sehr pointierte,<br />

intelligente Songtexte gesungen, zu einer Zeit, als das<br />

nicht wirklich in Mo<strong>de</strong> war. Aber das ist alles schon ein<br />

paar Jahre her.<br />

Gab es <strong>de</strong>nn einen Künstler, <strong>de</strong>r bei dir <strong>de</strong>n Wunsch geweckt<br />

hat, eigene Songs zu schreiben?<br />

Ja, Don McLean. In einer »Simpsons«-Folge spielten sie<br />

»vincent« von ihm. Toller Song.<br />

und sonst? Wie steht’s mit dylan?<br />

Den habe ich noch vor mir. Ich fange gera<strong>de</strong> erst an, mich<br />

Clifton<br />

Der Stadtteil von Nottingham<br />

ist stark von Sozialbauwohnungen<br />

geprägt und<br />

wird nicht nur von Bugg als<br />

Sackgasse empfun<strong>de</strong>n. Das<br />

sagt er nicht nur, er singt es<br />

auch, gleich im ersten Song,<br />

<strong>de</strong>n er online stellte: »Trouble<br />

Town«. Darin heißt es:<br />

»Stuck in speed bump city /<br />

Where the only thing that’s<br />

pretty / Is the thought of<br />

getting out«. Bugg dazu:<br />

»Man sagt, es gäbe nur<br />

zwei Wege, um aus Clifton<br />

rauszukommen: Fußball<br />

und Musik.«<br />

Robert Johnson<br />

Robert Johnson, im Mai<br />

1911 geboren zählt zum<br />

berühmten Club <strong>de</strong>r 27,<br />

weil er dieses To<strong>de</strong>salter mit<br />

Kurt Cobain, Jimi Hendrix<br />

und Jim Morrison teilt.<br />

Angeblich wur<strong>de</strong> Johnson<br />

vom gehörnten Gatten einer<br />

Geliebten vergiftet. Johnson<br />

gilt heute als Meister <strong>de</strong>s<br />

Blues, seine hauptsächlich<br />

1936 und 1937 aufgenommenen<br />

Songs verkauften sich<br />

zu seinen Lebzeiten jedoch<br />

mäßig. Erst 1961 ent<strong>de</strong>ckte<br />

man sein Werk neu.

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